Rostock-Lichtenhagen: 25 Jahre danach und nichts dazu gelernt?!

Vom Klima der Intoleranz zu einer intoleranten Stimmung…

In diesen Tagen jähren sich die schweren Ausschreitungen gegen die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und angrenzende Wohnheime für Menschen mit Migrationshintergrund, vor allem aus Vietnam, in Rostock-Lichtenhagen zum 25.Mal. Damals sorgte ein emotionalisierter Mob für Terror, Gewalt und ein Klima der Angst.

2000 „Menschen“, so die offizielle Zahl, sorgten damals für eine Atmosphäre des Hasses und der Intoleranz.

Auch im Rückblick wird Rostock, ja die neuen Bundesländer in ihrer Gesamtheit, anhand des exemplarischen Beispiels als „ausländerfeindlich“, „rechtsextrem“ und „intolerant“ dargestellt.

Stimmt das aber so?!

Zunächst waren die widrigen Zustände in und um die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber eine Zumutung – für die Asylsuchenden ebenso wie für die Anwohner.Das war für alle entwürdigend, widerwärtig und ein Armutszeugnis für Deutschland.

Das wird nur leider vergessen. Um es jedoch klipp und klar zu sagen: Auch diese Zustände rechtfertigen die Gewalt und Ausschreitungen von damals nicht.

Nur: Wer sorgte für dieses Klima der Intoleranz?!

Da steht zunächst die nach wirkende Politik der SED und ihrer Blockfreunde von Ost-CDU, LDPD, NDPD und Bauernpartei, die bis 1990 alles unternahmen, damit die Bürgerinnen und Bürger zwischen Kap Arkona und Fichtelberg nur begrenzt Kontakt zu Menschen anderer Länder und Kulturkreise aufnehmen konnten.

Die DDR-Bürger sollten ja nur einen „begrenzten“ globalen Horizont entwickeln. „Vertreter“ des „kapitalistischen Weltsystems“ wurden von DDR-Medien und im DDR-Schuluntericht oft nur als „Klassenfeinde“ oder „Ausgebeutete“, aber nicht als Mitmenschen dargestellt. Selbst der Kontakt zu den Gästen aus den „sozialistischen Bruderstaaten“ wurde alles andere als gern gesehen. Wer diffamierte nach dem Prager Frühling und der Solidarnosc-Bewegung gern Tschechen, Slowaken oder Polen? Es waren vor allem hochrangige SED-Funktionäre!

Aber Anfang der 1990er Jahre, DEutschland war vereint, sorgte auch die etablierte Politik von Sozialdemokraten, Christdemokraten und Christsozialen dafür, dass ein intolerantes Klima in Deutschland entstand. Anstatt für klare Regelungen anhand eines Einwanderungs- bzw. Zuwanderungsgesetzes zu sorgen, um die Migration so steuern zu können, verschlossen SPD und Union die Augen vor den Realitäten bzw. wollten von den Realitäten, die sich im Zuge der Vereinigung ergaben (Massenarbeitslosigkeit in der Ex-DDR), ablenken.

Zudem wurde – und wird es noch immer – versäumt, das unabdingbare Recht auf Asyl denjenigen zuzubilligen, die in ihren Heimatländern tatsächlich politisch und religiös verfolgt werden. Die Bearbeitung von Asylanträgen dauert noch immer viel zu lange, was ebenfalls seinerzeit schon so war.

Damals, im Jahre 1992, ließ man seitens der Bundes- und Landespolitik die Lage eskalieren, nahm einen Gewalt-Tourismus aus dem gesamten Bundesgebiert nach Rostock in Kauf, kommunizierte den Sinn bzw. die Bedeutung der Zentralen Aufnahmestelle für Asylsuchende unter der Bevölkerung in Rostock unzureichend und ließ der Katastrophe ihren Lauf.

Warum mußte die Zentrale Aufnahmestelle für Asylsuchende ausgerechnet in einem sozialen Brennpunkt wie Rostock-Lichtenhagen errichtet werden, einem Stadtteil der von einer extrem hohen Arbeitslosigkeit gebeutelt war?!

Warum wurde diese Aufnahmestelle und deren Umfeld unzureichend gesichert, wenn sie schon einmal da war? Der Staat hat immerhin das Gewaltmonopol, seine Einwohner und Gäste zu schützen!

Warum ließ man es seinerzeit zu, dass deutsche Massen-Medien und nicht wenige offiziell „demokratische“ Politikerinnen und Politiker auch anerkannt politisch und religiös Verfolgte diffamierten? Man braucht nur einen Blick in die damaligen Zeitungen zu werfen! Nicht wenige angeblich christlich und sozial gesinnte Politikerinnen und Politiker hetzten gegen Menschen mit Migrationshintergrund.

Die Aufarbeitung dieser Zusammenhänge ist noch immer nicht erfolgt!

Inzwischen geht das Hetzen, das Diffamieren und Verunglimpfen weiter – gegen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, die sich vor allem durch eines auszeichnen: durch den Mut zum freien Denken!

Hat man aus Rostock-Lichtenhagen 1992 dazu gelernt? Die Antwort ist eindeutig: NEIN!

Und es sind nicht vermeintliche Links- und Rechtsextreme, welche die real existierende Demokratie unterwandern…

Dr. Marko Michels