Vielseitige Goalballspielerin aus Vorpommern

Natalie Ball über ihre persönliche und sportliche Bilanz in Peking

Eine Greifswalderin startete bei den Paralympics 2008 ebenfalls: Natalie Ball vom HSC Greifswald war im Goalball dabei. Zwar lief es für deutsche Weltmeisterinnen-Team von 2007 in Peking eher suboptimal (Rang acht), aber das Goalball-Turnier war dieses Mal ohnehin in der „Hand“ der außereuropäischen Mannschaften. Das Finale bestritten die USA und China (6:5).

Natalie Ball, die in Finnland lebt, Gesang studiert, bereits abgeschlossene Studien der Nordeuropawissenschaften an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität vorweisen kann, nahm schon bei den Paralympics 2004 in Athen teil. Damals allerdings als Schwimmerin und das sehr erfolgreich: Vier Medaillen gab es für Natalie im paralympischen Schwimmbecken viermal Edelmetall.

„MV-Schlagzeilen“ unterhielt sich mit der vielseitigen Sportlerin Natalie Ball …

Frage: Nach den Erfolgen in Athen im Schwimmen lief es in Peking im Goalball eher suboptimal.
Bereust Du den „Wechsel“ vom Schwimmen zum Goalball ?“

Natalie Ball: Ich hatte mich mit der Goalballmannschaft 2002 für Athen 2004 in Goalball qualifiziert und mich aber dann entschieden, in Athen zu schwimmen. Damals versprach ich, dass ich im Falle der Qualifikation für Peking 2008 mitspielen würde.

Sicherlich hatten wir uns in Peking mehr Erfolg gewünscht und wehmütig wurde ich schon, als wir den Wasserwürfel besucht haben, aber auf der anderen Seite gab es in Peking nur zwei Strecken für meine Startklasse im Schwimmen.

Ich hätte zwischen Athen und Peking nicht optimal für das Schwimmen trainieren können, und ich wollte nicht die Goalballmannschaft wieder „im Stich lassen“. Dass es bei uns sportlich nicht gut lief, ist natürlich bedauerlich – besonders wenn man bedenkt, dass man für Training und Zeit der Wettkämpfe doch Einiges opfert.

Frage: Was waren die Gründe, aus Deiner Sicht, für das unbefriedigende Abschneiden des deutschen Teams?

Natalie Ball: Wenn die Frage auf die Goalball-Mannschaft bezogen ist, dann gibt es viele unterschiedliche Faktoren. Erstens muss man ehrlich sagen, dass die Situation für Goalball in Deutschland im Vergleich zu vielen Ländern nicht gut ist. Während beispielsweise die Chinesinnen und Brasilianerinnen den Sport professionell betreiben und fast täglich zusammen trainieren können, muss sich die deutsche Nationalmannschaft mit maximal  einem Wochenende pro Monat gemeinsamen Trainings zufrieden geben.

Alle Spielerinnen haben nicht einmal einen Verein zu Hause, in dem sie Goalball spielen können. Auch die Auswahl an Spielerinnen ist begrenzt, da man erstens gegen die weniger Leistungserfordernden Torball spielen muss – und auch schwer an Nachwuchss-Spielerinnen kommt, die oftmals integriert geschult werden und äusserst wenig Sportunterricht in den Schulen bekommen.

Zusätzlich gibt es in Deutschland keine Liga, so dass die Turnier-Erfahrung für die meisten Spielerinnen sehr begrenzt ist.
Darüber hinaus hat man finanzielle Schwierigkeiten, die sich jetzt wegen des ungünstigen Abschneidens in Peking noch verschärfen werden. Während z.B. einige schwedische Vereine genügend Geld haben, eine Mannschaft mehrmals im Jahr zu Liga-Turnieren nach Finnland reisen zu lassen, hat Deutschland nicht einmal genug Geld, um die Nationalmannschaft zu mehr als höchstens einem Vorbereitungsturnier und einer Meisterschaft im Jahr zu schicken. Lehrgänge sind zudem sehr begrenzt, so dass ein zweiwöchiges Trainingslager wie bei den Schwimmer für Goalball komplett unmöglich ist, wobei man eigentlich doch eine Mannschaftsportart solche Möglichkeiten einräumen sollte, wenn man Erfolg sehen will, da bekanntlich das Zusammenspielen sehr wichtig ist.

Da ich seit Herbst 2004 nicht in Deutschland wohne, habe ich in der Zwischenzeit kaum mit den anderen Sportlerinnen trainieren können, da die Flüge den finanziellen Rahmen gesprengt hätten – und irgendwann musste es sich zeigen. Ich habe mich an ein anderes Spielsystem gewöhnt und das Zusammenspiel ist schwieriger geworden. In Peking hatten auch unsere Werferinnen wenig Erfolg. Dennoch muss man auch akzeptieren, dass der Sport immer eine gewisse Unwägbarkeit mit sich bringt. Während wir im letzen Jahr in Brasilien (IBSA-WM) jedes Spiel gewonnen haben, konnten wir diesmal keinen einzigen Punkt erringen. Die ersten Spiele sind immer wichtig, um Selbstvertrauen aufzubauen oder zu verringern !

Bezogen auf das deutsche Team im Allgemeinen würde ich wieder darauf hinweisen, wie professionell der Behindertensport in einigen Ländern geworden ist. In Deutschland sind die Sportler fast immer Schüler, Studenten oder Berufstätigen, die oftmals nebenbei trainieren müssen. In anderen Ländern ist der Sport die einzige Möglichkeit für Behinderte, etwas aus ihrem Leben zu machen. Da wird ausschliesslich trainiert und in einigen Ländern, u.a. in Brasilien oder in China, gibt es anscheinend auch viel Geld dafür.

Frage: Wie war ansonsten die paralympische Atmosphäre in Peking?

Natalie Ball: Die Atmosphäre in Peking war sehr gut. Alles war super organisiert, da waren immer Leute, die geholfen haben, alles lief planmässig. Auch innerhalb der Mannschaft war alles zum grössten Teil sehr friedlich !
 
Frage: Du studierst jetzt in Finnland klassischen Gesang. In Greifswald warst Du schon am Nordeuropa-Institut der Uni Greifswald Studentin. Dei Wissensdurst, Deine Interessen scheinen ja unerschöpflich zu sein. Welcheberuflichen Ambitionen hegst Du?

Natalie Ball: Ich will beruflich als Sängerin tätig sein. Ich wollte schon direkt nach dem Gymnasium Musik studieren aber man hatte mir gesagt, dass, wenn ich keine normale Noten lesen könnte, ich keinen Studien-Platz bekommen würde. Damals – realistisch gesehen – hätte ich die Aufnahmeprüfung auch nicht geschafft, aber „aus Anstand“ habe ich angefangen, Sprachen zu studieren, was auch nicht uninteressant war!

Dennoch, als ich 2004 die Möglichkeit erhielt, in Schweden Musik zu studieren, merkte ich, dass das meine Berufung ist. Noch habe ich viel Arbeit vor mir, um mit der Konkurrenz klar zu kommen, aber mein Ziel ist es, Opersängerin zu werden.

Fragen: Bist Du eigentlich noch oft in Greifswald ? Wie geht es nach Peking sportlich für Dich weiter?

Natalie Ball: Ich bin nur noch sehr selten in Deutschland. Ich war im Sommer 2005 zwei Monate in Greifswald, um die Abschlussprüfung für Skandinavistik an der Uni abzulegen, dann wieder zwei Wochen im Sommer 2006, um das Gleiche für Fennistik „zu erledigen“ und weilte gerade im Juli zwei Tage in Greifswald, bevor ich zum Lehrgang nach Marburg gefahren bin.
Sportlich weiss ich noch nicht, wie es weitergeht.
Ich spiele jedenfalls nicht weiter mit der Goalball-Nationalmannschaft.

Die Fragen stellte: Marko Michels.

> Paralympisches Goalball-Turnier 2008 der Frauen in der Statistik

Vorrunde: 1.China 2.USA 3.Dänemar 4.Schweden 5.Kanada 6.Brasilien 7.Japan 8.Deutschland
Halbfinale: USA-Dänemark 4:3, China-Schweden 1:1, 3:2 nach Freiwürfen

3.Platz: Dänemark-Schweden 3:2

Finale: USA-China 6:5

> Steckbrief – Natalie Ball

– Geburtsdatum: 13.07.1979
– Sportart: Goalball
– Startklasse: B1
– Verein: HSC Greifswald
– Trainer: Thomas Prokein
– Beruf: Gesangsstudentin, abgeschlossene Studien der Nordeuropawissenschaften
– Art der Behinderung: Sehbehinderung
– Größte Erfolge: Paralympics 2004 (Schwimmen): Zweite 100m Brust/50m Freistil/100m Freistil, Dritte 200m Lagen; WM 2007 (Goalball): 1.; EM 2005 (Goalball): 1., Paralympics 2008 (Goalball): 8.

F.: DBS (1), HSC Greifswald (1), M.M. (1)