Paralympics 2008 in Peking eindrucksvoll beendet

London, Gastgeber der Olympischen und Paralympischen Spiele 2012

Die paralympische Flamme ist erloschen. Nach den Olympischen Spielen am 24.August wurden nun auch am heutigen 17.September die Paralympischen Spiele in Peking mit einer glanzvollen Abschlußfeier beendet.

Unter den mehr als 4100 Athletinnen und Athleten mit Handicap waren auch zwei Schwerinerinnen: die Judo-Zwillingsschwestern Ramona und Carmen Brussig vom PSV Schwerin. Sie erkämpften Silber und Bronze.
Die anderen Starter aus M-V erreichten auch gute Platzierungen. Der Ruderer Marcus Klemp (Ribnitz) wurde im Vierer hervorragender Vierter. Die Leichtathletin Jana Schmidt (Waren/Müritz) wurde Sechste und Fünfte im Kugelstoßen/Speerwerfen. Goalball-Spielerin Natalie Ball aus Greifswald wurde mit der deutschen Mannschaft Achte.

Die aus Ueckermünde stammende Marianne Buggenhagen errang bei ihren letzten Paralympics als Aktive noch einmal Gold und Bronze im Diskuswerfen/Kugelstoßen.

Organisatorisch waren die Paralympics 2008 Spiele der Superlative. Wie schon bei Olympia zeigten sich die chinesischen Ausrichter als gastfreundlich und engagiert.

Das deutsche Team erkämpfte in Peking 14 x Gold, 25 x Silber und 26 x Bronze und belegte im paralympischen Medaillenspiegel Rang 11. Zusammen mit den „Olympics“ erkämpften deutsche Sportlerinnen und Sportler in Peking insgesamt 30 Goldmedaillen. Bei den Paralympics 2004 hatten die deutschen Paralympioniken noch 19 x Gold, 18 x Silber und 32 x Bronze geholt.

Überragend bei den Paralympics 2008 war das chinesische Team, das die anderen Nationalmannschaften mit 89 x Gold, 70 x Silber und 52 x Bronze ganz deutlich distanzierte. Bereits bei Olympia war China mit 51 x Gold, 21 x Silber und 28 x Bronze klar die Nr. 1. Eine derartige Dominanz eines Landes sowohl bei den Olympischen als auch Paralympischen Spielen zusammen hat es in der Geschichte des Weltsportes noch nie gegeben. Selbst Briten, US-Amerikaner oder das Team der Sowjetunion konnten in ihren besten Zeiten nicht so auftrumpfen.

China – die neue Weltmacht im Sport, eine Entwicklung, die sich bereits bei den zurückliegenden WM, den World Games, den Weltcups in den verschiedensten Sportarten sowie bei der letzten Sommer-Universiade 2007 in Bangkok angedeutet hatte.
Will Deutschland den Anschluß an die Weltklasse in den verschiedenen olympischen und paralympischen Disziplinen nicht verlieren, müssen wohl neue Strukturen, eine bessere Finanzierung und eine noch bessere Trainingsmethodik her.

Welche Erkenntnisse brachten die Paralympics in Peking ? Wie ist die Leistungsbilanz der Teilnehmer aus M-V objektiv einzuschätzen ? Was muß sich in der Förderung der Sportlerinnen und Sportler mit Handicap ändern ?

 
Der Präsident des Verbandes für Behinderten- und Rehabilitationssport M-V, Jürgen Becher, über die Organisation der Paralympics, die Resultate der M-V-Teilnehmer und die Ergebnisse der anderen Teams

Frage: Die Paralympischen Spiele 2008 setzten hinsichtlich Wettkampfstätten, Organisation, Rahmenprogramm und Gastfreundschaft neue Maßstäbe – jedenfalls ist das die einhellige Meinung der Athletinnen und Athleten vor Ort. Wie ist Ihre Meinung nach 11 Tagen paralympischer Wettbewerbe in Peking ?

Jürgen Becher: China und speziell Peking haben mit der hervorragenden Organisation der Paralympics bewiesen, wozu sie fähig sind. Peking hat neue Maßstäbe gesetzt, wobei man auch hinzufügen sollte, dass eine Steigerung – hinsichtlich Ablauf und Organisation – seit Bestehen der Paralympics und besonders seit Barcelona 1992 festzustellen ist. Es ist für so ein großes und menschenreiches Land wie China, natürlich kein Problem die Stadien zu füllen. Für viele Chinesinnen und Chinesen waren die Spiele in Peking ein großartiger, einmaliger Höhepunkt in ihrem Leben, bei dem sie auch live dabei sein wollten.

Frage: Das Quintett aus Mecklenburg-Vorpommern konnte gute Resultate in Peking erzielen. Die Judo-Zwillingsschwestern Ramona und Carmen Brussig vom PSV Schwerin gewannen Silber bzw. Bronze, für den Ruderer Marcus Klemp gab es einen ausgezeichneten vierten Rang und die Leichtathletin Jana Schmidt aus Waren/Müritz belegte im Speerwerfen Rang sechs und im Kugelstoßen Rang fünf. Leider konnten die deutschen Goalballspielerinnen mit der Greifswalderin Natalie Ball nicht wie erhofft in den Medaillen-Kampf eingreifen.

Vor vier Jahren sah die Bilanz allerdings etwas erfreulicher aus: 1 x Gold durch Ramona Brussig im Judo und 3 x Silber sowie 1 x Bronze für Natalie Ball damals im Schwimmen.

Wie ist Ihre Meinung zu den Resultaten der M-V-Paralympioniken 2008 ? Was müsste sich aus Ihrer Sicht bei der Förderung der Athletinnen und Athleten konkret ändern ? Und: Wie bei den Olympics war auch bei den Paralympics eine deutliche Medaillen-Verringerung gerade aus M-V-Sicht zu verzeichnen … Wie lautet Ihr „Masterplan“, um die Bilanz in London 2012 für den hiesigen Leistungssport wieder zu verbessern ?

Jürgen Becher: Hier möchte ich ganz deutlich uneingeschränkt sagen, dass man die Bilanz von Athen 2004 und nun Peking 2008 faktisch nicht miteinander vergleichen kann ! Vor vier Jahren vertraten mit Ramona Brussig und Natalie Ball nur zwei Sportlerinnen in zwei Sportarten Mecklenburg-Vorpommern bei den Paralympics. Dabei kam zugute, dass Natalie durch ihre Mehrfachstarts im Schwimmen auch mehrere Medaillen-Chancen hatte und diese nutzte.

Natürlich hätten wir sie auch 2008 im Pekinger Schwimmbecken schwimmen lassen können und dann – quantitativ betracht – mehr Medaillen auf der Habenseite aufweisen können. Aber es geht ebenfalls um die Qualität. Fünf Sportlerinnen und Sportler aus Mecklenburg-Vorpommern in vier Sportarten qualifizierten sich aus unserem Bundesland für Peking. ! Hinzu kommt der junge Segler Sebastian Menze, der am paralympischen Jugendlager teilnahm. Das ist eine bedeutende Steigerung gegenüber 2004 in der Breite und beweist, dass wir auf dem richtigen Wege sind. Ganz knapp verfehlten Rollstuhl-Fechterin Daniela Rossek und die Greifswalder Schwimmer Mario Hartmann und Torben Schmidtke die Nominierung für Peking. Aber zu beiden habe ich schon gesagt: „Mit Peking klappte es zwar leider nicht, aber London 2012 werdet Ihr packen !“ Beide Schwimmer haben ein großes Potential.

Der bereits angesprochene Sebastian Menze gehört ebenfalls zum Kader für London 2012. Auch er ist noch sehr jung und hat die paralympische Zukunft vor sich.: Man kann nicht erwarten, dass „von heute auf morgen“ unser neues Förderkonzept greift. Wir haben das Leistungszentrum in Greifswald aufgebaut, es gibt die Talenteförderung und es gibt zudem die finanzielle Unterstützung über den Landessportbund bzw. die Landesregierung. Die Erfolge stellen sich allmählich ein. Es gibt engere Kooperationen mit den Vereinen. Hier seien nur  die Beispiele mit dem Schweriner Yacht-Club und dem 1.LAV Rostock und Waren/Müritz genannt.  Jana Schmidt, die Warener Leichtathletin, konnte gleich bei ihrer paralympischen Premiere vordere Plätze belegen.

Medaillen sind wichtig, und die Leistungen von Ramona und Carmen Brussig, mit Silber und Bronze, verdienen daher größten Respekt. Das gleiche gilt für Marcus Klemp, der ausgezeichneter Vierter wurde und auch London 2012 anstrebt.

Es wird eine gute Arbeit, insbesondere im Bereich des Sportes mit Handicap, im Land geleistet. Daher sollte optimistisch und nicht pessimistisch in Richtung London 2012 gearbeitet werden. Die Konzepte und die Förderung stimmen jedenfalls. Nur Konzepte brauchen auch etwas Zeit, um wirklich greifen zu können, und die bisherigen Erfolge zeigen: Wir sind auf einem guten Weg. Wir benötigen keinen Masterplan, sondern finanzielle Unterstützung aus der Wirtschaft. Unsere Kader brauchen die bestmögliche technische Ausrüstung und Wettkämpfe, Trainer mehr als eine Aufwandsentschädigung. Die Politik muß helfen, unseren Kadern eine berufliche Absicherung zu geben.

Frage: Die Paralympia-Teams aus China, Großbritannien, den USA, Russland, Australien und der Ukraine dominierten die paralympischen Wettbewerbe in Peking. Was machen  diese Länder besser ?

Jürgen Becher: Ob diese Länder wirklich so viel besser machen als wir Deutschen sei erst einmal dahingestellt. China bleibt zudem außen vor. Es wurde hinsichtlich der Olympischen und Paralympischen Spiele im eigenen Land so hart trainiert, kaserniert und gesichtet wie nie zuvor. Wenn man überlegt, dass jeder fünfte Mensch ein Chinese ist, so war es nur eine Frage der Zeit – auch vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung der chinesischen Wirtschaft – wann China die neue Sportnation Nr.1 sein würde. Das ist nun 2008 eindrucksvoll geschehen, da China nun einmal aus einem reichhaltigen Reservoir an Talenten und an Geld schöpfen konnte.

Ähnliches gilt für die USA, Russland oder Australien. Großbritannien hat schon die Spiele 2012 zu Hause im Blick. Deutschland als relativ kleines Land sollte sich nicht unbedingt an diesen Ländern, wie China oder die USA,  messen, die um so vieles größer sind. Wir brauchen uns mit unseren Erfolgen auf gar keinen Fall zu verstecken – im Gegenteil. Mindestens unter die besten zehn Nationen jeweils bei den Olympics und Paralympics gekommen zu sein, ist ein großer Erfolg.

Wir sollten uns in Deutschland auch einmal über die positiven sportlichen Resultate freuen, anstatt nur das Negative zu sehen. Aber es ist an der Zeit, an das „Wie weiter“ zu denken. Wie oben  benannt, müssen auch für Spitzenathleten mit Handicap „Rundum-Packete“ geschnürt werden.

Marko Michels

Die „Top 5“ des paralympischen Medaillenspiegels 2008

Land – Gold – Silber – Bronze

1.China: 89-70-52

2.Großbritannien: 42-29-31

3.USA: 36-35-28

4.Ukraine: 24-18-32

5.Australien: 23-29-27

 

F.: M.M. (2), DRV (1), C.B./privat (1)