Im Fokus: Die Kanu-Rennsportlerin Ilse Kaschube-Zeisler

Nachgefragt bei der früheren Athletin vom SCN

Kanu-WM gibt es seit dem Jahr 1938, olympische Kanu-Wettkämpfe sogar seit 1936. Stellten die DDR-Kanu-Rennsportler bis 1973 nur viermal den Weltmeister, so stand am Ende der DDR (1990) die imponierende Bilanz von 69 x Gold / 29 x Silber / 22 x Bronze. Bei Olympia von 1976 bis 1988 erwiesen sich die DDR-Kanuten zudem mit 9 x Gold / 6 x Silber / 8 x Bronze ganz stark. Auch für die M-V-Kanuten war der Kanu-Rennsport seit 1970 „golden“.

Im Jahre 1971 erkämpfte Alexander Slatnow (SC Neubrandenburg) den ersten WM-Titel für M-V. Ilse Kaschube gewann 1972 mit Silber die erste Kanu-Olympiamedaille für Mecklenburg-Vorpommern.

Bis 2008 haben Kanu-Sportler aus unserem Bundesland 14 Olympiasiege erkämpft bzw. bei WM (bis 2005) 57 WM-Titel errungen. Namen wie Ilse Kaschube, Rüdiger Helm, Bernd Olbricht, Anke von Seck, Ramona Portwich, Roswitha Eberl, Andreas Dittmer oder Martin Hollstein sind nicht nur Kanu-Fans geläufig.

Das „markante Aushängeschild“ des deutschen Kanu-Sportes ist aber eine Potsdamerin: Birgit Fischer. Sie gewann zwischen 1977 und 2006 8 x Olympia-Gold und 27 x WM-Titel (!). Ihre Nichte Fanny Fischer tritt inzwischen allmählich die Nachfolge an.

Olympische „Kanu-Meilensteine“ für M-V: Von Ilse Kaschube bis Andreas Dittmer

Der gebürtige Neustrelitzer Andreas Dittmer, der seine Kanu-Rennsport-Karriere 1982 bei „Motor Süd Neubrandenburg“ im Alter von 10 Jahren begann, ist der erste Kanute aus Mecklenburg-Vorpommern, der Medaillen bei drei verschiedenen Olympischen Spielen erkämpfte. Rüdiger Helm und Bernd Olbricht, auch „Kanu-Kollegen“ aus Neubrandenburg, gewannen ihre Goldmedaillen (Helm 3 x / Olbricht 2 x) in Montreal 1976 und Moskau 1980.

Der olympische Medaillen-Regen für Kanutinnen und Kanuten aus M-V begann übrigens mit der Silbermedaille von Ilse Kaschube (Neubrandenburg) 1972 im K2-500 m; seither schrieben, beispielsweise, Anke von Seck (Rostock / 3 x Gold 1988/92), Carola Zirzow (Neubrandenburg / 1 x Gold 1976) oder Ramona Portwich (Rostock / 1 x Gold 1988) die mecklenburgisch-vorpommersche „Kanu-Historie“ mit. Zuletzt gab es Gold für Martin Hollstein 2008 in Peking.

Kanutinnen und Kanuten, die ihre „Wiege“ in M-V hatten, so u.a. Olaf Winter (Neustrelitz) oder Katrin Borchert (Waren/Müritz), konnten auch für „auswärtige Vereine“ oder sogar Länder (Katrin Borchert für Australien) Olympia- und WM_Medaillen erkämpfen.

Insgesamt lautet die olympische Kanu-Bilanz für M-V zwischen München 1972 und Peking 2008 folgendermaßen: 14 x Gold / 4 x Silber / 6 x Bronze.

Nachgefragt bei Ilse Kaschube-Zeisler, Jahrgang 1953, Verein: SC Neubrandenburg, die die erste olympische Medaille im Kanu-Rennsport für MV gewann

„Über Silber 1972 waren wir selbst überrascht…“

Frage: Frau Zeisler, Sie gewannen die erste Medaille im Kanu-Rennsport für einen Verein in Mecklenburg-Vorpommern. In München 1972 wurden Sie mit Petra Grabowsky Zweite. Welche Erinnerungen haben Sie an die Spiele 1972 und Ihren damaligen Wettkampf?

Ilse Zeisler: Ich erinnere mich gerne an die Olympiade zurück. Ich war 19  Jahre jung und unbeschwert, wir wollten zeigen, daß wir in der Lage waren  gute Leistungen zu bringen. Als es dann die Silberne wurde, waren wir selbst  überrascht. Man kann es nicht mit ein paar Worten wieder geben, was sich alles an der Regattastrecke abgespielt hat. Die Stimmung war großartig, die Anfeuerungen der Zuschauer waren ab 250 Meter bis ins Ziel zu hören. Wir wurden  regelrecht ins Ziel gejubelt, so kam es uns jedenfalls vor. Es war einfach schön.

Frage: 1973 und 1974 gab es für sie auch Weltmeistertitel. Wie war die WM-Atmosphäre 1973 und 1974 ?

Ilse Zeisler: Die Atmosphäre bei Weltmeisterschaften ist ebenfalls schon etwas  Besonderes. Die Aufregung ist groß, aber sie gehört dazu. Man will alles richtig machen und sich nur keinen Fehler erlauben. Ein  Wackler und alles ist vorbei. In einem Mannschaftsboot muß Einigkeit sein,  dann funktioniert alles.

Frage: Wie sind Sie als gebürtige Altentreptowerin eigentlich nach Neubrandenburg zum Kanu-Sport gelangt ? Waren Sie schon immer eine begeisterte Kanutin ?

Ilse Zeisler: Vom Kanurennsport hatte ich keine Ahnung. Über organisierte Sichtungen in den Schulen wurden die sportlichsten Kinder und Jugendlichen  zum Probesport an die Kinder und Jugendsportschule eingeladen. Alles war gut  organisiert, Schule und Sport bildeten eine Einheit. Lehrer, Trainer und  Sportler waren eine große Familie. Mein Vater sagte immer, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Also mach was daraus, wenn du es auch willst. Ich habe  angefangen zu trainieren und hatte viel Freude dabei, auch wenn es nicht immer leicht war.

Frage: Mecklenburg-Vorpommern, insbesondere Neubrandenburg, ist seit Jahren die deutsche Hochburg im Kanurennsport. Was zeichnet den Kanu-Standort Neubrandenburg aus?

Ilse Zeisler: Ganz klar, die super Bedingungen, unter denen die Sportler  trainieren können. Ein wunderbares Gymnasium und die sehr guten Sportstätten.

Frage: Gegenwärtig halten Martin Hollstein, Thomas Lück und Erik Rebstock die MV-Flagge im Kanurennsport hoch – nach der Erfolgs-Ära von Andreas Dittmer oder zuvor Rüdiger Helm. Wie lautet Ihr WM-Resümee 2010 im Hinblick auf die Resultate der Neubrandenburger WM-Starter?

Ilse Zeisler: Die genannten Sportler haben ihren derzeitigen Leistungstand  abgerufen. Ich denke, es sollte mehr in den Nachwuchssport investiert werden, damit wir  eine größere Spitze in den einzelnen Bootsklassen aufweisen können. Es kann nicht sein, daß man sich jahrelang nur auf eine Handvoll Sportler konzentriert, dann muß man sich nicht wundern, wenn der Nachwuchs fehlt.

Frage: Sie sind mit dem ehemaligen Kanuten Klaus Zeisler verheiratet. Sind Sie noch ab und zu mit dem Kanu unterwegs ? Wie sieht Ihr Leben ohne „Kanu“ aus ?

Ilse Zeisler: Mein Mann belegte bei den Weltmeisterschaften 1974 in Mexiko  zweimal den 2. Platz im C 1. Damit schrieb auch er Geschichte für den SCN, es waren die ersten Medaillen  im Canadier für den Sportclub. Wir beendeten Mitte der 1970er Jahre unsere Laufbahn und wollten zum Sport einen gewissen Abstand haben. Es gab jetzt nur noch Familie und Beruf. Unser Familienunternehmen ist  konstant gewachsen. Auch wenn wir nicht mehr in ein Rennboot steigen werden, werden wir die  Entwicklungen im Sport weiter mit verfolgen.

Dann weiterhin alles erdenklich Gute !

Info: Ilse Kaschube gewann bei den Kanu-WM 1973 und 1974 Gold im K 2 500 Meter (1973) und K 4 500 Meter (1974).

Marko Michels