Blick in die Sportgeschichte

Die Goodwill Games 1986 mit MV-Beteiligung


Die meisten Sportlerinnen und Sportler blicken bereits zu den Olympischen Spielen 2016, nach Rio de Janeiro. Erwartet werden 11000 Athletinnen und Athleten aus mehr als 200 Ländern. Die ganze Sportwelt wird sich in der brasilianischen Metropole treffen. Was in einem Jahr fast eine Selbstverständlichkeit sein wird, war vor fast 30 Jahren alles andere als das.

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Boykott-Maßnahmen setzten den Olympischen Spielen zu, diese standen aus politischen Gründen „auf der Kippe“.

Glücklicherweise gab es seinerzeit in Ost und West Enthusiasten, die das verhinderten und für Entspannung sorgten…

Die Goodwill Games 1986 – Der Anlass

Goodwill Games, die längst vergessenen Sportspiele, die einst zur Völkerverständigung und einem besseren Miteinander in den sportlichen Arenen dienten, standen vor fast 30 Jahren im Fokus des Interesses. Vom 5.Juli bis 20.Juli 1986 fanden in Moskau „die Spiele des guten Willens“ statt. … „Eine Art olympischer Zwischenspiele“, die nach drei Olympischen (Boykott-)Spielen hintereinander dringend notwendig waren.

1976 boykottierten ja die afrikanischen Staaten die Spiele 1976 in Montreal, 1980 in Moskau folgte der Boykott vieler Länder des „Westblocks“ – offizieller Grund: der Einmarsch der Roten Armee in Afghanistan – und 1984 in Los Angeles der Boykott vieler Länder des „Ostblocks“ – offizieller Grund: die antikommunistischen Tiraden in den USA. Für 1988 war die Teilnahme des „Ostblocks“ an den Spielen in Südkorea (1988 in Seoul), das 1980 Moskau boykottierte und zu den engsten Verbündeten der USA gehörte, ebenfalls alles andere als sicher.

Ein Ami und ein Sowjet auf Entspannungskurs

Ein US-Medien-Tycoon Ted Turner und der führende sowjetische Sportfunktionär Marat Gramow hatten dann gemeinsam die Idee, freilich aus unterschiedlichen Beweggründen, diesem Auseinanderdriften der sportlich-olympischen Bewegung ein Ende zu setzen. Die Bedingungen waren gut, da mit der neuen Politik „Glasnost und Perestroika“ von Michail Gorbatschow eine verstärkte Kooperation zwischen der UdSSR und den USA in allen Bereichen, auch im Sport, angestrebt wurde.

Und da kein Event ohne Medien funktioniert und zur Kenntnis genommen wird, gab es zwischen den USA und der UdSSR auch hinsichtlich der umfangreichen Übertragungen im TV und Radio eine enge Zusammenarbeit. Mit „Turners Broadcasting System“ erreichte man direkt mehr als vierzig Prozent der US-Haushalte und übertrug 129 Stunden von den „Goodwill Games“. Und auch in der Sowjetunion waren die Spiele 1986 im TV „ein Hit“ – die sowjetischen Sportfans verfolgten das Geschehen intensiv im Fernsehen.

Länderkampf UdSSR-USA mit Gaststartern aus aller Welt

Rund 3000 Athletinnen und Athleten aus 79 Ländern nahmen an den ersten Goodwill Games 1986 in Moskau teil. Das Gros der Sportlerinnen und Sportler stellten die Sowjetunion und die USA, Aktive anderer Länder wurden eingeladen – in unterschiedlichster Anzahl, um dem friedlich-sportiven „Länderkampf“ UdSSR und USA eine Internationalität zu geben. Trotz „guten Willens“ gab es im Vorfeld der Spiele jedoch einige Dissonanzen darüber – Athleten aus Südkorea und Israel waren von einigen sowjetischen Funktionären nicht erwünscht und wurden auch nicht eingeladen.

So standen 182 Entscheidungen in 18 Sportarten auf dem Programm der Goodwill Games 1986, darunter Leichtathletik, Ringen, Judo, Moderner Fünfkampf, Schwimmen, Turnen, Ballsportspiele, Segeln, Boxen, Radsport, Rudern oder Segeln als Kernsportarten.

Dazu gab es im Rahmenprogramm auch Eiskunstlaufen und Motorball.

Hohes Niveau in den Sportstätten

Die eigentlichen Wettkämpfe hatten ein außerordentlich hohes Niveau. Es gab Weltrekorde durch den Ukrainer Sergej Bubka im Stabhochsprung (6,01 Meter) und Jackie Joyner-Kersee im Siebenkampf (7148 Punkte) in der Leichtathletik. Weitere Weltrekorde gab es durch die Estin Erika Salumäe und durch den Karl-Marx-Städter Michael Hübner über 200 Meter mit fliegendem Start im Radsprint (Salumäe: 11.489 sec. / Hübner: 10.224 sec.). Der Schwimmer Wladimir Salnikow konnte über 800 Meter-Freistil (7:50,64 min) außerdem für einen Weltrekord markieren.

Für Spannung sorgte das Duell zwischen dem später unangenehme Berühmtheit erlangenden Kanadier Ben Johnson und Carl Lewis (USA) im 100 Meter-Sprint. Der Kanadier gewann dieses Duell dann in 9,95 Sekunden vor dem Nigerianer Chidi Imoh (10,04 Sekunden) und Carl Lewis (10,06 Sekunden). Beim Marathon war der Äthiopier Belaine Dinsamo der Beste. Die Hürdenläufe gingen an die USA (400 Meter: Ed Moses, 110 Meter: Greg Foster). Im Hochsprung war der US-Amerikaner Doug Nordquist (2,34 Meter) nicht zu schlagen. Gerd Wessig vom SC Traktor Schwerin, 1980 in Moskau noch Olympiasieger, wurde Elfter. Im Weitsprung erreichte Robert Emmijan (UdSSR) hervorragende 8,61 Meter. Die US-Herren-Staffel siegte in 37,98 Sekunden. Klasse Leistungen.

Auch die Leichtathletik-Wettbewerbe der Frauen sorgten für viel Glanz. Über die 100 Meter triumphierte Evelyn Ashford (USA) in 10,91 Sekunden. Zeitgleich war Heike Drechsler vom DDR-Team, aber das Zielfoto entschied für die US-Amerikanerin. Der Marathlonlauf war eine Angelegenheit für Nadeshda Gumerowa (UdSSR). Eine sehr gute Leistung bot Galina Tschistjakowa im Weitsprung mit 7,27 Meter. Petra Felke (DDR) konnte im Speerwerfen mit 70,78 Meter brillieren.

M-V mittendrin, statt nur dabei

Athletinnen aus M-V setzten außerdem Akzente. Rostocks Helga Radtke kam im Weitsprung auf Rang fünf. Die gebürtige Neubrandenburgerin Cornelia Oschkenat gewann Silber über 100 Meter-Hürden. Nicht zuletzt: Die gebürtige Demminerin Ellen Fiedler holte Bronze über die 400 Meter-Hürden.

In anderen Sportarten dominierten hingegen die Starterinnen und Starter aus der UdSSR klar. Im Boxen gewann die Staffel der Sowjetunion 11 der 12 Goldmedaillen (einmal Gold an die USA), im Turnen waren bei den Damen und Herren die Mannschaften der UdSSR am besten. Die Titel im Mehrkampf gingen an Juri Koroljow und Vera Kolesnikowa. Die DDR-Herren-Riege wurde mit Silber belohnt.

Im Judo sicherte sich die UdSSR sieben der acht Goldmedaillen (einmal Gold an Japan). Roland Borawski „entführte“ einmal Bronze in die DDR. In der Rhythmischen Sportgymnastik bewiesen die SU-Teilnehmerinnen ihre Extra-Klasse. Bianca Dittrich aus der DDR konnte jedoch auch eine Goldmedaille erkämpfen.

Im Wasserspringen hatten die Springerinnen und Springer der UdSSR am Ende dreimal Gold im „Gepäck“. Britta Baldus vom DDR-Team siegte vom 3 Meter-Brett.

Im Rudern endete der Zweikampf UdSSR und USA 9:2 für die Gastgeber, im Schwimmen waren die Amis mit 15:12 erfolgreich. Zweimal Schwimm-Gold erkämpften die DDR-Teilnehmerinnen (Kerstin Kielgaß 200 Meter-Freistil / Birte Weigang 100 Meter Schmetterling).

Günstig waren die Goodwill Games-Winde für die UdSSR, die sich fünfmal Gold ersegelte – vor den USA mit dreimal Gold und Kanada mit einmal Gold. Der Rostocker Bodo Borowski wurde im Flying Dutchman Vierter. Vierte wurden auch Peggy Hardwiger/Christina Pinnow in der 470er Klasse und Silber errang Dirk Pittelkow im Finn Dinghi.

Sowjetische Erfolge nonstop

Gerungen wurde in Moskau im „wahrsten Sinne des Wortes“ auch. Die UdSSR war mit 8 Siegen am erfolgreichsten, die USA hatte 3 Siege, jeweils im Freistilringen. Bei den ganz schweren Jungs war der US-Amerikaner Bruce Baumgartner der Beste.

Im Radsport war Lutz Heßlich der Schnellste im Sprint, die Schweizerin Barbara Ganz verwies die US-Amerikanerin Melinda Mayfield in der 3000 Meter-Einzelverfolgung auf Platz zwei. Damit machte sie es ihrem Landsmann Robert Dill-Bundi nach, der bei den Spielen 1980 in Moskau Gold über die 4000 Meter-Einzelverfolgung erradelt hatte. Hier war 1986 Wjatscheslaw Jekimow das Maß aller Dinge.

Im Modernen Fünfkampf ging dreimal Gold an die UdSSR und einmal Gold an Polen, im Tennis siegte Andrei Chesnokov (UdSSR) bei den Herren und Caroline Kuhlmann (USA) bei den Damen.

Im Volleyball ging Gold an die UdSSR vor den USA bei den Herren und bei den Damen siegte die UdSSR vor Peru – die DDR wurde mit Schwerin-Beteiligung Siebenter.

Das Wasserball-Turnier entschied die Sowjetunion vor den USA für sich und im Basketball waren die USA-Teams die Nummer eins. Die US-Girl bezwangen „Team U.S.S.R.“ mit 83:60. Das Turnier der Basketball-WM der Herren in Spanien, die auch von Ted Turners TBS präsentiert wurde, gehörte – ein besonderes Schmankerl – auch zum Programm der Goodwills 1986. Die US-Boys wurden mit 87:85 gegen die UdSSR nicht nur Weltmeister, sondern zugleich auch Goodwill Games-Sieger. Das Handball-Turnier in Moskau konnte die UdSSR vor den USA und der CSSR gewinnen.

Überhaupt war die Dominanz der UdSSR groß.

Nach Abschluß der Goodwill Games-Wettkämpfe in Moskau 1986 hatte die UdSSR 118 x Gold / 80 x Silber / 43 x Bronze vorzuweisen – es folgten mit Abstand die USA mit 42 x Gold / 49 x Silber / 51 x Bronze, die DDR mit 7 x Gold / 11 x Silber / 10 x Bronze, Rumänien mit 6 x Gold / 6 x Silber / 6 x Bronze, Bulgarien mit 4 x Gold / 7 x Silber / 20 x Bronze, Polen mit 2 x Gold / 3 x Silber / 6 x Bronze, Kanada mit 2 x Gold / 2 x Bronze, Japan mit 1 x Gold / 3 x Bronze, Australien mit 1 x Gold / 2 x Bronze und Großbritannien mit 1 x Gold / 1 x Bronze. Je einmal Gold gewannen Äthiopien und die Schweiz. Insgesamt errangen 32 Länder Medaillen in Moskau.

Ein Ziel wurde erreicht: Es entstandenneue Bekanntschaften, durchaus Freundschaften, zwischen Athletinnen und Athleten aus der UdSSR und den USA, nach den Boykottspielen 1980 und 1984 gab es endlich wieder ein sportliches Miteinander der damaligen Supermächte und 1988 nahmen die USA und deren Verbündete sowie die UdSSR und deren Verbündete in Seoul teil.

Nach Ende des Ost-West-Konfliktes 1989/91 gab es die Goodwill Games noch 1990 in Seattle, 1994 in Sankt Petersburg, 1998 in New York, 2000 in Lake Placid (Winterspiele) und 2001 zum letzten Mal in Brisbane. Diese Goodwills hatten ihr Ziel längst erreicht.

Marko Michels

Foto/Michels: Die leichtathletische Tartanbahn spielte 1986 auch eine Hauptrolle…