Baldige Wahl-Zeit in M-V und darüber hinaus

SPD im Nordosten werden schwere Verluste prognostiziert…


Es ist wieder Wahl-Zeit, so finden 2016 die siebenten Wahlen zum Landtag in M-V nach der politischen Wende 1989/90 am 4.September sowie auch die Wahlen zu einer neuen Oberbürgermeisterin bzw. zu einem neuen Oberbürgermeister in Schwerin am gleichen Tag statt (Termin für eine eventuelle OB-Stichwahl in Schwerin: 18.September).

Neueste Umfragen vor den Wahlen

Des Weiteren gibt es die Wahlen zu den Landtagen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am 13.März sowie die Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin am 18.September.

Gegenwärtig regieren in den genannten Bundesländern folgende Koalitionen: in M-V SPD/CDU mit Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), in Baden-Württemberg Bündnis`90/Die Grünen/SPD mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis`90/Die Grünen), in Rheinland-Pfalz SPD/Bündnis`90/Die Grünen mit Ministerptäsidentin Malu Dreyer (SPD), in Sachsen-Anhalt CDU/SPD mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und in Berlin SPD/CDU mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD).

Nach den neuesten Umfragen könnte es insbesondere in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz Machtwechsel geben. So könnte in Baden-Württemberg die CDU mit 34 Prozent rechnen und rangiert damit vor Bündnis`90/Die Grünen mit 28 Prozent, der SPD mit 15 Prozent, der Alternative für Deutschland mit 11 Prozent, der FDP mit 6 Prozent und den Linken mit 3 Prozent (Umfrage der „Forschungsgruppe Wahlen“ vom 21.1.16). Weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün würde es zu einer Mehrheit reichen. Wahrscheinlich wäre dann eine Große Koalition zwischen CDU und SPD…

In Rheinland-Pfalz kommt aktuell die CDU auf 37 Prozent (mit Spitzenkandidatin Julia Klöckner), die SPD erreicht 31 Prozent, Bündnis`90/Die Grünen 9 Prozent, die AfD 8 Prozent, die FDP 5 Prozent und die Linken 5 Prozent (Umfrage von „infratest dimap“ am 14.1.16). Auch hier würde es weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün zu einer Mehrheit reichen. Auch hier wäre eine Große Koalition unter Führung der CDU wahrscheinlich.

In Sachsen-Anhalt wird es wohl auch nach der Wahl im März – nach Stand der gegenwärtigen „Dinge“ – eine Fortsetzung der Großen Koalition aus CDU/SPD geben. Die CDU schafft laut Umfrage der „Forschungsgruppe Wahlen“ vom 14.1.16 rund 33 Prozent, gefolgt von SPD und Linken mit jeweils 19 Prozent, der AfD mit 15 Prozent, Bündnis`90/Die Grünen mit 5 Prozent und der FDP mit 3 Prozent.

In Berlin führt laut Umfrage von „Forsa“ vom 21.12.15 die SPD mit 29 Prozent vor der CDU mit 23 Prozent, Bündnis`90/Die Grünen mit 17 Prozent, den Linken mit 14 Prozent, der AfD mit 5 Prozent, der FDP mit 4 Prozent und den Piraten mit 3 Prozent. Auch hier könnte die Große Koalition aus SPD und CDU eine Fortsetzung erfahren.

Spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen im Nordosten

Ähnliches wäre ebenfalls in Mecklenburg-Vorpommern weiterhin möglich. Nach der aktuellen Umfrage des Rostocker Marktforschungsinstitutes „Dukath“ im Auftrag der „Ostseezeitung“ (21.1.16) muß die SPD im Nordosten extreme Verluste hinnehmen, bleibt aber mit 28,4 Prozent knapp stärkste Partei vor der CDU mit 27,2 Prozent, den Linken mit 20,1 Prozent, Bündnis`90/Die Grünen mit 9,5 Prozent, der FDP mit 8 Prozent und der AfD mit 5,5 Prozent. Die NPD erreicht nur 1,3 Prozent.

Auch bei der Oberbürgermeister-Wahl in Schwerin könnte es spannend werden… Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt bekundeten folgende Kandidatinnen und Kandidaten Ihr Interesse an der OB-Wahl: Rico Badenschier (SPD), Simone Borchard (CDU), Amtsinhaberin Angelika Gramkow (Die Linke), Anita Gröger (Aktion Stadt und Kultuschutz), Silvio Horn (Unabhängige Bürger) und Martin Molter (Die Partei).

Es wird also im März 2016 und im September 2016 politisch spannend, obwohl schon der frühere SPIEGEL-Mitbegründer Rudolf Augstein meinte: „Wenn es um Geld und Macht geht, waren sich SPD und CDU stets einig!“. Und auch Kurt Tucholsky hat seine Ansicht zu politischen Wahlen: „Wenn Wahlen etwas änderten, wären sie längst verboten!“.

Außerdem: Noch bleibt viel Zeit, um die Umfrage-Ergebnisse noch zu ändern. Man erinnere sich nur an die Wahlen zum Bundestag 2005, als der SPD gerade einmal 19 Prozent prognostiziert wurden, für die CDU/CSU lange eine absolute Mehrheit möglich schien und am Ende Angela Merkel nur knapp mit 35,2 Prozent vor Rot-Grün mit Kanzler Gerhard Schröder mit 34,2 Prozent lag…

Von den heutigen Wahlen zu den früheren

„Aufregend“ waren die Wahlen vor 70 Jahren aber wirklich – kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges…

Doch, welchen Charakter hatten die Wahlen unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg?!

Blickt man zurück, so erkennt man erst dann deutlich, was für ein wertvolles Gut echte Wahlen, die diese Bezeichnung verdienen, sein könnten – und dass eine wirklich aktive Wahrnehmung des Wahlrechtes sowohl Privileg als auch Pflicht sein sollte – ganz gleich, wo man sich politisch „verortet“.

Denn bei aller berechtigter Kritik an Amtsinhabern, Funktionsträgern oder Oppositions-Aktivisten gilt immer noch: Es erst einmal selbst besser zu machen!

Oberflächliches Kritisieren und Nörgeln ist stets einfacher und bequemer. Gegen etwas oder gegen jemanden zu sein, ist halt eine „deutsche Tugend“. Einem mehr oder weniger massiven Fehlverhalten der Amtsinhaber geht aber mangelnde demokratische Kontrolle durch gewählte Gremien und durch den „mündigen Bürger“ voraus.

Doch „Mündigkeit“ muss auch gewollt und gezeigt werden – von jedem und jeder Einzelnen.

Es gilt die „Indianer-Weisheit“: „Wer ein Unrecht nicht verhindert, ist nicht besser als derjenige, der es beging!“.

Also, die kommenden Wahlen 2016 wirklich ernst nehmen, wählen gehen und sich selbst aktiv einbringen!

Das war vor 70 Jahren wesentlich schwieriger …

Die Wahlen in M-V 1946

Am 19. Juni 1946 gab die „Sowjetische Militäradministration in Deutschland“ (SMAD) bekannt, dass sie „zur weiteren Demokratisierung Deutschlands den deutschen Verwaltungen der Provinzen und Länder in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands erlaubt, (Gemeinde-)Wahlen … durchzuführen“. Am 15. September 1946 wurden die Gemeindewahlen in Mecklenburg und Vorpommern durchgeführt; bereits am 20. Oktober 1946 folgte die Landtagswahl. 1947 bildeten einzelne (Neu-)Wahlen in einigen kleinen Städten, z.B. in Warin, den Abschluss des ersten Wahlzeitraumes in Mecklenburg und Vorpommern nach dem zweiten Weltkrieg.

Das Ergebnis dieser Landtagswahl war zwar ein (Teil-) Erfolg für die SED, die 49,5 Prozent der Stimmen erhielt, aber dennoch ein deutliches Fiasko für die „Einheitssozialisten“ und deren Verbündeten, die SMAD.

Gerade die sowjetische Besatzungsmacht hatte die SED vor diesen Landtagswahlen einseitig und massiv unterstützt und zumindest auf eine eindeutige absolute Mehrheit der kommunistisch dominierten SED gehofft.

Politische Entwicklung vor der Landtagswahl 1946

Eine Zäsur vor den ersten Landtagswahlen nach dem zweiten Weltkrieg bedeutete die Vereinigung von KPD und SPD im April 1946 in Mecklenburg und Vorpommern. Nachdem sich zahlreiche führende mecklenburgische Sozialdemokraten, unter ihnen der Rostocker Oberbürgermeister Albert Schulz oder der Schweriner Bürgermeister Albert Kruse, frühzeitig gegen eine Vereinigung mit den Kommunisten ausgesprochen hatten, forcierten die sowjetische Besatzungsmacht und die KPD ab Ende 1945/Anfang 1946 ihre „Einheitssbestrebungen“, wobei ihnen der ambivalent handelnde SPD-Landesvorsitzende Carl Moltmann sehr entgegenkam.
Verhaftungen und Disziplinierungen von Sozialdemokraten durch russische Sicherheitsbehörden sollten die mecklenburgischen Sozialdemokraten zum Einlenken in der „Vereinigungsfrage“ bewegen.

Doch nur wenige SPD-Mitglieder waren bereit, sich dem kommunistischen Druck zu beugen.

Zahlreiche sozialdemokratische Landräte und Funktionäre, darunter der SPD-Landesgeschäftsführer Hermann Lüdemann und dessen Nachfolger Willi Jesse, der Schönberger Landrat Erich Michel sowie dessen Amtskollegen Bernard Pfaffenzeller (Hagenow), Erich Mulert (parteilos, mit Unterstützung der SPD gewählt/Waren), Robert Brinkmann (Wismar) oder Willy Bieg (Greifswald), und viele andere mehr, wurden drangsaliert oder sogar inhaftiert.

Einige Sozialdemokraten mußten den Einsatz für ihre Partei sogar mit dem Leben bezahlen, so zum Beispiel Ende 1945 der Leiter der Abteilung Gesundheitswesen der Landesverwaltung Mecklenburg, Prof. Dr. Ernst Walter.

Auch Kommunisten, die diese „Vereinigung“ aus persönlicher, aufrechter Haltung ablehnten – beispielsweise der Schweriner Wolf Reichardt, 1945 Leiter des Amtes für Wirtschaftsplanung in Mecklenburg – verließen das Land oder wurden ebenfalls verhaftet.

Durch den massiven Einfluß der russischen Besatzungsmacht konnte die KPD-Landesleitung im April 1946 ihren „Vereinigungswillen“, der letztendlich zur Liquidierung der mecklenburgischen SPD und ihrer politischen Ideen führte, verwirklichen.

Gleichschaltung der anderen Parteien

Im Anschluss an diese „Vereinigung“ wurden die Christlich-Demokratische Union und die Liberal-Demokratische Partei gewaltsam „gleichgeschaltet“. Liberale, wie Paul Friedrich Scheffler, Mitglied des LDP-Landesvorstandes 1946/48, sowie Arno Esch, u.a. Hochschulreferent des LDP-Vorstandes in Mecklenburg, und Christdemokraten, wie Siegfried Witte, Mitbegründer der Rostocker CDU, Annemarie von Harlem, Mitglied des CDU-Landesvorstandes 1947, bzw. Hans Krukenmeyer, der charismatische zweite Landesvorsitzende der CDU in Mecklenburg, widersetzten sich den Schikanen der Kommunisten und der Besatzungsmacht. Sie wurden aus dem Land vertrieben oder sogar ermordet (Arno Esch).
Führungspositionen behielten in Mecklenburg und Vorpommern nach 1946 nur diejenigen, die bereit waren, sich dem SED-REgime unterzuordnen: in der SPD Carl Moltmann, in der CDU Reinhold Lobedanz und in der LDP Max Suhrbier.

Durch die Liquidierung der SPD und die beginnende (gewaltsame) Gleichschaltung von CDU und LDP waren bereits die ersten Wahlen nach dem Krieg 1946 in Mecklenburg und Vorpommern weder gleich und frei noch demokratisch.

Bedeutung dieser Wahlen

Die Wahlen 1946 – insbesondere jene zum Landtag – in Mecklenburg und Vorpommern bewiesen, dass der SED ein „überdurchschnittlicher“ Rückhalt in der Bevölkerung fehlte.
Viele potentielle SPD-Wähler hatten anscheinend ihre „Stimme“ entweder der LDP (12,5 Prozent) oder der CDU (34,1 Prozent) gegeben.

Mit einem so guten Resultat für die beiden „bürgerlichen“ Parteien hatten die Kommunisten und die sowjetische Besatzungsmacht nicht gerechnet.

Zwar konnte die kommunistisch ausgerichtete „Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe“ (VdgB) 3,9 Prozent der Stimmen für sich verbuchen – und damit der SED doch noch zur absoluten Mehrheit verhelfen, aber durch die Eigenständigkeit einiger VdgB-Mitglieder gestaltete sich die Zusammenarbeit SED-VdgB im Schweriner Landtag in der Folgezeit äußerst schwierig (was nicht zuletzt zur Gründung der im Volksmund so genannten „Bauern-SED“, der „Demokratischen Bauernpartei Deutschlands“ (DBD), 1948 führte).

Für SED und SMAD bedeutete das Resultat der Landtagswahl 1946, einen anderen Weg zur „(pseudo-)demokratischen Legitimierung der Einheitssozialisten“ zu finden: 1950 wurden die „Einheitslisten“ bei den Landtagswahlen eingeführt – ohne (demokratische) Alternative.

Die Wahlen 1950 und in der Folgezeit verkamen zu propagandistisch-diktatorischen Abstimmungen. Die „mündigen Wähler/Wählerinnen“ wurden zum „Stimm-Vieh“ degradiert.
Freie, gleiche und demokratische Wahlen hat es in der SBZ/DDR nie gegeben.

Erst 1990 – 45 Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges und rund 58 Jahre nach den letzten (partiell) demokratischen Wahlen 1932 – konnte auch in Mecklenburg und Vorpommern wieder „richtig“ gewählt werden.

Zweimal (1990/1994) war die CDU stärkste Partei im Schweriner Landtag; viermal (1998/2002/2006/2011) hatte die SPD bei Landtagswahlen nach der deutschen Einheit 1990 „die Nase vorn“!

Marko Michels