Vorgänge um Stralsunder Einbäume aus 2002 aufgeklärt

Expertengruppe legt Abschlussbericht vor

Die Unabhängige Expertengruppe zur Prüfung der Vorgänge um die Stralsunder Einbäume in den Jahren 2002 bis 2004 hat ihren Abschlussbericht vorgelegt.

Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Henry Tesch, hat darüber heute das Kabinett informiert und betont: „Aufklären, aufräumen und aufbauen – in diesen drei Etappen setzen wir uns mit diesem „Fall“ auseinander – schließlich geht es um den Umgang mit wertvollem Kulturgut unseres Landes.

HTDer vorliegende Abschlussbericht der Expertengruppe, bei der ich mich für das zügige Vorgehen bedanken möchte, versetzt uns in die Lage, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und dafür Sorge zu tragen, dass künftig Verluste dieser Art ausgeschlossen werden.“

Aufklären:

Die Expertengruppe, der Hartmut Bosch, Staatssekretär a. D. (Vorsitz), und Roland Kollwitz, Präsident des Landgerichts a. D., angehören, nahm am 06.04.2009 ihre Arbeit auf. Nach Sichtung der Verwaltungsvorgänge, Vor-Ort-Terminen, Gesprächen mit Beteiligten und fachlicher Beratung kam sie zu folgenden Ergebnissen:

Im Frühjahr 2002 wurden bei Baumaßnahmen in Stralsund Holzteile gefunden, die drei Einbäumen aus der Zeit von 5000 bzw. 4000 v.Chr. zugerechnet werden können.

Die Funde wurden vom damaligen Amt für Bodendenkmalpflege in der Weise geborgen, dass sie mit anhaftendem Erdreich auf 36 Stahlpaletten gefüllt, mit Folien umwickelt und in die Nassholzkonservierungsanlage nach Schwerin in die Stellingstraße transportiert werden konnten.

Da hier die Kapazitäten zur Konservierung der Funde nicht ausreichten, betrieb der damalige Leiter des Amtes Bemühungen um eine Kapazitätserweiterung, die wegen des baulichen Zustandes, der Kosten und der unterschiedlichen Vorstellungen zum Standort nicht erfolgt ist.

Die Funde wurden durch Besprühen mit Wasser feucht gehalten. Dies war nur als Notmaßnahme für wenige Wochen vertretbar, nicht aber für die gesamte Zeit der Umsetzung von Maßnahmen zur Erweiterung der Nassholzkonservierungsanlage.

Die Funde nahmen schon im Sommer 2002 durch Austrocknung Schaden. Dieser Prozess war im Frühjahr 2004 so weit fortgeschritten, dass der teilweise Deckeneinsturz über den Funden nicht schadensursächlich war. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Befeuchtung eingestellt.

Vom Landesamt für Bodendenkmalpflege hätten mögliche Alternativen zur Konservierung der Funde ergriffen werden müssen. Die Verantwortung hierfür trifft in erster Linie die damalige Leitung des Landesamtes.

Das Bildungsministerium kam in den Jahren 2002 bis 2004 seiner Fachaufsicht nicht nach, obwohl dafür Anlass bestanden hatte.

Die Funde wurden 2002 fachgerecht geborgen und wissenschaftlich dokumentiert, also entstand aus wissenschaftlicher Sicht kein Schaden. Schaden entstand allerdings für die Rekonstruktion. Zwar war von vornherein die Wiederherstellung von Einbäumen in ihren ursprünglichen Ausmaßen nicht möglich, doch hätte für museale Zwecke die Fundsituation dargestellt werden können. Dies erscheint jetzt ausgeschlossen.

Aufräumen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Fehler beim Umgang mit diesen wertvollen Kulturgütern gemacht wurden, die auf einen Mangel an Problembewusstsein, aber auch auf Schwächen in Strukturen und bei der Kontrolle hinweisen. Diese Fehler der Vergangenheit werden abgestellt.

Die ministerielle Fachaufsicht betreffend kündigte Tesch personelle Veränderungen und Umstrukturierungen in der dafür zuständigen Kulturabteilung an. So wird die Stellvertretende Abteilungsleitung neu besetzt. Dem Stellvertretenden Abteilungsleiter wird die Rechts- und Fachaufsicht für das Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege direkt zugeordnet. Weitere Berichtpflichten an die Hausspitze werden eingeführt. Damit werden klare Zuständigkeiten definiert und zukünftig ausgeübt.

Bei der zuständigen Staatsanwaltschaft ist Anzeige erstattet worden. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Schwerin laufen die Ermittlungen dazu noch.

Aufbauen

„Das Standortentwicklungskonzept ist u. a. ein Konzept zur archäologischen Sicherung“, so Minister Tesch.

Es sieht sowohl Depots als auch Werkstätten und Ausstellungsmöglichkeiten am Standort Stellingstraße vor und wird damit zu einem optimal vernetzten und repräsentativen Campus.

Das Standortentwicklungskonzept (SEK) ist vom Bildungsministerium, Landesamt für Kultur und Denkmalpflege und dem Betreib für Bau und Liegenschaften seit 2006 entwickelt worden.

Das Konzept ist in erster Linie von dem Prinzip getragen, die bisherige, an vielen Stellen durch Provisorien gekennzeichnete Situation grundsätzlich zu überwinden. (An 15 verschiedenen Standorten lagern über 500 000 archäologische Fundstücke.)

Zum SEK laufen derzeit die Haushaltsverhandlungen, um einen Einstieg für die Umsetzung beginnen zu können.

In diesem langjährigen, etappenweisen Prozess geht es um ein Volumen von rund 30 Millionen Euro.

Außerdem folgt Minister Tesch den Empfehlungen der Expertenkommission und kündigt einen Aktionsplan für Funde mit besonderem wissenschaftlichen Wert an,

der neben der Bergung von wichtigen Denkmälern ebenso die notwendige Erstkonservierung festlegt, um anschließend über das weitere Verfahren zu entscheiden.

Für die Entscheidung über das weitere Verfahren ist zu klären, ob die Kapazitäten des eigenen Landes ausreichen oder ob Dritte einbezogen werden können, um dem Denkmalschutz gerecht zu werden.

Zu prüfen ist ebenfalls, zu welchem Zweck Fundstücke aufbewahrt werden, um ggf. für ein Interesse an musealer Aufarbeitung ebenfalls Dritte mit einzubeziehen.

Für alle Schritte werden Dokumentationspflichten eingefordert.