Turnsportliche Nachlese zu den Welttitelkämpfen 2010

Der Turnsport zwischen Rotterdam und M-V

Seit 107 Jahren werden Weltmeisterschaften im Geräte-Turnen ausgetragen. Während anfangs, 1903 (bis 1933) in Antwerpen, nur den Herren das „Ermitteln“ der Weltmeister vorbehalten war, folgten ab 1934 die Frauen. Auch diese sollten seitdem um ihr WM-Gold turnen können.

Dominierend zwischen 1903 und 2009 waren dabei die russischen/sowjetischen Turnerinnen und Turner mit 138 x Gold, gefolgt von China mit 60 x Gold, Rumänien mit 46 x Gold, der Tschechoslowakei/Tschechien mit 39 x Gold, Japan mit 33 x Gold, den USA mit 31 x Gold sowie den französischen und deutschen Sportlerinnen bzw. Sportlern mit jeweils 24 x Gold.

Bei den WM 2010 in Rotterdam sorgten gerade die deutschen Turner für echte Überraschungen. So gab es eine unerwartete Bronze-Medaille im Teamwettbewerb, wobei zeitweise sogar der Titel „drin“ war. Philipp Boy demonstrierte sein großartiges Können auch im Mehrkampf – der Vize-Weltmeistertitel war der verdiente Lohn. Dazu gab es Bronze am Reck durch Fabian Hambüchen. Also echte Begeisterung und Erfolgserlebnisse für das deutsche Turnen.

Ansonsten dominierten die chinesischen Turner bzw. die russischen Turnerinnen, wobei die Medaillen im Herren-Turnen an 14 Länder gingen. Bei den Damen verteilte sich das Edelmetall auf 7 Nationen. Aber nicht mehr allein die traditionellen Turn-Länder Russland, China, Japan oder Rumänien sind äußerst leistungsstark. Auch vermeintliche Turn-„Exoten“, wie Australien, Brasilen oder Olympia 2012-Gastgeber Großbritannien schafften Titel oder Podiumsplätze.

Davon konnte sich auch Kati Brenner, Geschäftsführerin des Landesturnverbandes MV (der in diesem Jahr 20 wird) vor Ort in Rotterdam überzeugen.

Kati Brenner über die Turn-WM 2010, die deutschen Medaillen-Erfolge und die turnsportliche Situation in M-V.

„Werde jede Gelegenheit nutzen, Partner in M-V zu finden, die das Leistungsturnen unterstützen wollen …“

Frage: Die Turn-WM 2010 in Rotterdam sind schon wieder Geschichte. Vor allem die Turnerinnen und Turner aus China, Russland, den USA oder Japan bestimmten das Niveau. Aus deutscher Sicht glänzten vor allem die Herren um Fabian Hambüchen und Philipp Boy.
Wie ist Ihre Meinung zum Leistungsniveau der Turn-WM 2010? Gab es Neuerungen bzw. andere sportliche Innovationen?

Kati Brenner: Die Neuerungen des Code de pointage wurden von einer Vielzahl der Aktiven mit interesanten Ideen umgesetzt. Vor allem bei den Männern am Sprung und Reck ist sichtbar geworen, dass die Leistungsspitze noch enger zusammengerückt ist.

Frage: Wie beurteilen Sie die Resultate der deutschen Turnerinnen und Turner?

Kati Brenner: Aus deutscher Sicht sind der Vize-Weltmeistertitel im Mehrkampf von Phillip Boy sowie die Team-Medailien als herausragendes Ergebis zu werten. Aber auch der zwölfte Platz von Elsabeth Seitz zeigt, dass bei den Frauen sehr gute Arbeit im Vorfeld geleistet wurde.

Frage: Welche WM-Erkenntnisse und WM-Lehren nehmen Sie für Ihre tägliche turnsportliche Tätigkeit aus Rotterdam mit nach MV?

Kati Brenner: Ich werde jede Gelegenheit nutzen, Partner in M-V zu finden, die das Leistungsturnen unterstützen wollen. Es bedarf sehr guter Rahmenbedingungen, um diese technisch anspruchsvolle Sportart Gerätturnen hier bei uns zu entwickeln. Ich wünsche mir, dass die begonnenen Anstrengungen im weiblichen Bereich in Rostock fortgesetzt werden und mittelfristig auch Erfolge zu verzeichnen sind.

Frage: Einige Worte zur Organisation der WM 2010 … Sie waren ja einige Tage vor Ort. Konnte man mit der Durchführung der Welttitelkämpfe in Rotterdam zufrieden sein?

Kati Brenner: Für mich war es nach Stuttgart die zweite WM, die ich live erlebt habe. Das Publikum war am ersten Finaltag nicht ganz so begeisterungsfähig wie in Deutschland. Am zweiten Tag war die Stimmung fantastisch, sicher auch weil Ebke Zonderland für die Niederlande an den Start ging. Die Organisation wurde von allen Teilnehmern gelobt.

Frage: Was war für Sie das schönste Erlebnis in Rotterdam?

Kati Brenner: Die gute Reck-Übung von Fabi live zu sehen. Es war ein verdienter 3. Platz. Bei der nächsten EM in Berlin steht er dann hoffentlich wieder vor Ebke (Ebke Zonderland/Niederlande wurde Vize-Weltmeister am Reck. – Red.Anm.) ganz oben.

Dann alles erdenklich Gute für Ihre turnsportliche Arbeit!

M. Michels

Statistisches zur WM 2010 in Rotterdam

Weltmeisterinnen
Mehrkampf: Mustafina (Russland) – 61,032 P.
Mannschaft: Russland – 175,397 P.
Boden: Mitchell (Australien) – 14,833 P.
Sprung: Sacramone (USA) – 15,200 P.
Stufenbarren: Tweddle (Großbritannien) – 15,733 P.
Schwebebalken: Porgras (Rumänien) – 15,366 P.

Medaillenspiegel/Turn-WM 2010 der Damen
Land-Gold-Silber-Bronze
1. Russland: 2-3-0
2. USA: 1-2-2
3. Australien / Großbritannien: je 1-0-0
5. China: 0-2-1
6. Brasilien: 0-0-1

Weltmeister
Mehrkampf: Uchimura (Japan) – 92,331 P.
Mannschaft: China – 274,997 P.
Boden: Kosmidis (Griechenland) – 15,700 P.
Seitpferd: Berki (Ungarn) – 15,833 P.
Ringe: Chen (China) – 15,900 P.
Sprung: Bouhail (Frankreich) – 16,449 P.
Barren: Feng (China) – 15,900 P.
Reck: Zhang (China) – 16,166 P.

Medaillenspiegel Turn-WM 2010 der Herren
Land-Gold-Silber-Bronze
1. China: 4-2-0
2. Japan: 1-1-1
3. Ungarn / Frankreich / Griechenland: je 1-0-0
6. Deutschland: 0-1-2
7. Großbritannien: 0-1-1
8. Russland / Niederlande: je 0-1-0
10. Großbritannien / Australien / Italien / Weißrussland / USA: je 0-0-1