Sportliche Wettkämpfe für Sportler mit Handicap in der Landeshauptstadt

Der Countdown für das traditionelle Norddeutsche Sportfest im Handicapsport läuft

Für den Landesverband VBRS MV (Verband für Behinderten- und Rehasport in Mecklenburg-Vorpommern) waren gerade die letzten 10 Jahre überaus erfolgreich. Hatte der VBRS M-V vor zehn Jahren ca. 3.500 Sportlerinnen und Sportler in 40 Mitgliedsvereinen, die in 11 Sportarten aktiv waren, so waren es Ende 2010 ca. 7.800 in 91 Vereinen und 24 Sportarten, davon 15 paralympisch bzw. deaflympisch (Deaflympics = Gehörlosen-Weltspiele Anm.d.Red.).

Ein weiteres herausragendes Beispiel für die sehr positive und rasante Entwicklung des Sportes für Athletinnen und Athleten mit Handicap, sind deren zahlreiche Teilnahmen an nationalen wie internationalen Meisterschaften …
Nun, am 2. April 2011, findet das traditionelle Norddeutsche Sportfest für Athletinnen und Athleten mit Handicap statt. Dabei sind Teams unter anderem aus Schwerin, Rostock, Greifswald, Neubrandenburg, Wismar und vielen anderen Städten der Region.

Während es in der Schweriner Sport- und Kongreßhalle Anfang April spannende Wettkämpfe geben wird, sorgte ein Greifswalder Bogenschütze hingegen schon bei den Paralympics 1992 in Barcelona für goldene Momente mit dem deutschen Team – Karl-Christian Bahls …
Gut 18 Jahre später … Was macht Karl-Christian Bahls heute?! Wie beurteilt er die Entwicklung des Sportes für Athleten mit Handicaps? Ist er sportlich noch aktiv?

Nachgefragt bei Karl-Christian Bahls

“Viele angenehme Erinnerungen an Barcelona ’92!“

Frage: Herr Bahls, vor gut 18 Jahren, mit dem ersten gesamtdeutschen Team bei Paralympics überhaupt, sorgten Sie mit dafür, dass die deutsche Bogenschützen-Mannschaft Gold erkämpfte. Wie war das damals? Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Barcelona 1992?

Karl-Christian Bahls: Eine kurze Antwort ist auf diese Frage natürlich schwierig, es gibt so viele angenehme Erinnerungen, auch neben dem eigentlichen Erfolg.

Insbesondere die Stimmung vor Ort war einmalig! Was mich beeindruckte, war diese ehrliche, offen vorgetragene natürliche Begeisterung der einfachen Menschen dort, die ich nie vergessen werde: diese Hilfsbereitschaft und das Miterleben, Mitfiebern während der Wettkampfdramatik durch unsere einheimischen Betreuerinnen, die sich schon Jahre zuvor als Schülerinnen auf dieses Ereignis gefreut und vorbereitet hatten.

Sportler, die auch andere Paralympics erlebten – 1996 in Atlanta waren die Sportstätten der Olympioniken sogar schon teilweise wieder abgebaut – sprachen von der Einmaligkeit der Atmosphäre von Barcelona, nur annähernd erreicht von Sydney 2000, das wohl aber noch mehr durch die geografische Lage und die Architektur punktete.

Das Flair dieser stolzen Katalanischen Stadt am Mittelmeer, die ich das erste mal bei Nacht, gemeinsam mit meinem Mannschaftskameraden Udo aus dem Rheinland erkundete – auch bei einem Bier unter dem üppigen Grün der „Rambla Cataluna“ in der Nähe des „Christopher Colon – Denkmals“ am alten Hafen, das bleibt unvergesslich!

Wir wurden dabei zu mitternächtlicher Stunde von einfachen Leuten an einen Riesengrill an einer Straßenecke, abseits der großen Ramblas eingeladen, ihrer Lebensfreude mit ihnen zu feiern, die beeindruckende Gastfreundschaft dieser Stadt hautnah mitzuerleben …
– Dann der Rückweg zum Olympischen Dorf – mit dem Rollstuhl über die noch nicht eröffnete bzw. zeitweise gesperrte Stadtautobahn – die aber von den Einheimischen auch in der Nacht noch intensiv getestet wurde.

Ebenso unvergesslich bleibt natürlich der sportliche Wettkampf: In dieser absoluten Konzentrationssportart und für uns vollkommen ungewohnt, in der Finalrunde etwa ein halbes Dutzend Kamera-Teams in etwa 3 Meter Abstand. Etwas innere Ruhe fühlte ich erst wieder, als beim Pfeilauszug die Kraft des Bogens spürbar wurde.

Unser Finale gegen die Italiener, die schon jubelten, weil sie übersehen hatten, dass unser letzter Schütze, der Hermann aus dem Emsland, noch einen Pfeil zu schießen hatte. Als koreanische Bogenschützen – unser Gegner im Viertelfinale – hätten wir uns mit der Medaille zu Hause auf ein eigenes Haus und eine Leibrente freuen dürfen…

Große Erlebnisse waren die leider seltenen Besuche bei Wettkämpfen anderer Sportarten, zu denen wir manchmal nur auf abenteuerliche Weise kamen. Das Rollstuhlbasketballspiel Niederlande gegen die USA war nicht nur sportlich eine Delikatesse, sondern auch mit Blick auf die Begeisterung auf den Zuschauerrängen unnachahmlich! Rund 14.500 Zuschauer fasste die Halle und draußen hofften noch weitere 10.000 auf eine Chance zum Einlass!

Frage: Was machen Sie eigentlich zurzeit? Sind Sie noch sportlich aktiv?

Karl-Christian Bahls: Seit mehr als 15 Jahren habe ich eine interessante Tätigkeit bei einer Firma, die sich darum kümmert, dass die EDV-Anlagen im Greifswalder Klinikum auch meistens so laufen, wie sich das die Mediziner so wünschen.

Zur Jahrtausendwende haben wir nach mehreren Anläufen in der Bundesliga des DBSV, dem Deutschen-Bogen-Sport-Verband, der übrigens aus dem DDR-Verband, gegründet 1959 hervorging, den Bronze-Rang erkämpfen können.

Dieser Erfolg mit einer kleinen Dorfmannschaft, dem „VSG Weitenhagen“, aus der ambitionierten, südlich Greifswald gelegenen gleichnamigen Randgemeinde, wo ich seit 1984 Bogenschießen betreibe, gehört zu meine schönsten nacholympischen Sporterlebnissen. Die anderen, durchweg nicht behinderten Bogensportler dort, haben mir dabei in vielen Dingen hilfreich zur Seite gestanden.

Sportlich versuche ich, etwas meine Kondition zu halten: Etwa in Form eines abendlichen „Spazierfahren mit dem Rollstuhl durch die Landschaft“, was aber wohl auch häufiger geschehen könnte. Rücksichten auf die „Alten Knochen“ erlauben Bogenschießen nur noch bei Sommer – Sonne und einem kühlen Glas „Blondes“ in der Nähe …

Frage: Wie bewerten Sie die Entwicklung des paralympischen Sportes in Deutschland, speziell in M-V? Bekommt aus Ihrer Sicht der Sport für Athletinnen und Athleten mit Handicaps, die Unterstützung die dieser verdient?

Karl-Christian Bahls: Ende vergangenen Jahres (27. November 2010) feierte der Behindertensport in Rostock sein zwanzigjähriges Bestehen. Vor der Wende lag übrigens das Zentrum für den Rollstuhlsport „der drei Nordbezirke“ in den Händen einiger fleißiger Physiotherapeutinnen in Jürgenstorf bei Stavenhagen.

Seit vielen Jahren bemüht sich nun ein Team um Dr. Monika Knauer und dem Landesverbandspräsidenten Jürgen Becher um eine zielgerichtete, aber auch in die Breite gehende Arbeit mit den Behindertensportlern hier an der Küste. Es wird für die Weiter-Entwicklung einiges getan, so manches geht dabei zurück auf das hohe individuelle Engagement einzelner Personen, wie der Trainer, Betreuer oder Freunde vor Ort. Es wäre wohl Sache des Verbandes, gute Rahmenbedingungen und Motivationen für die Athleten zu schaffen. Sportler im Hochleistungsbereich werden ohne eine ausgeprägte Trainingsbereitschaft und den absoluten Siegeswillen aber auch nicht zu „backen“ sein.

Hier in Greifswald gibt es ein gutes Umfeld beispielsweise beim Schwimmen, in der wohl gelungenen Kombination Verband – Rehaklinik –Berufsbildungswerk und Schwimmhalle (die leider längere Zeit wegen Mängeln in der Dachkonstruktion gesperrt war), sowie einer kompetenten Trainerin, was Hoffnungen in diesem Bereich weckt. Wie es generell mit der finanziellen und personellen Ausstattung aussieht, kann ich nicht so beurteilen. Nach meinen Erfahrungen ist dort auch jede Hilfe, ob privater Natur oder aus der Wirtschaft kommend, immer gern gesehen, diese wird teilweise sogar dringend gebraucht.

Frage: Was streben Sie 2011 beruflich, persönlich und sportlich an?

Karl-Christian Bahls: Sportlich gesehen gibt es neben den Fitnessaktivitäten eigentlich vor allem auch den Wunsch, diesen oder jenen Wettkampf einmal wieder original und damit sportliches Flair direkt zu erleben.

Persönlich wäre ich durchaus zufrieden, wenn dabei kein „Zipperlein“ ungebeten in die Quere kommt und den „Spaß am Erleben“ von Natur und Hobby unwillkommen eintrübt. Beruflich geht es mir wie wohl vielen, vor allem hier im strukturschwachen Nordosten, dass man auch zukünftig beruflich gebraucht wird, dass der Job auch weiterhin meistens Spaß macht, und ich in einem netten Team arbeiten darf. Das Gefühl gebraucht und in seinem Tun auch geachtet zu werden, ist dabei Wunsch und Motivation zugleich.

Dann weiterhin persönlich, beruflich und sportlich alles Gute!

Marko Michels