„Festival der Demokratie“ in Wismar

Ein Kommentar …

DemokratieEin „Festival der Demokratie“ gab es am 9.Mai auf dem historischen Marktplatz in Wismar, und alle waren gekommen: Bündnis`90/Die Grünen, SPD, CDU, FDP, Linkspartei, weitere gemeinnützige Vereine und Verbände. Und, da man sich in der Welt-Kultur-Erbe- und Hanse-Stadt Wismar befand, gab es das stadtspezifische Motto „neugierig-tolerant-weltoffen“ dazu.
Der Landtag M-V beteiligte sich ebenfalls am demokratischen Festival in Wismar und hatte natürlich ein eigenes Motto „Landtag vor Ort“.

Es galt, „Flagge zu zeigen“ in Sachen Demokratie, „Gegen Rechts“ und für verständnisvollen Umgang miteinander.
Viele Honoratioren aus Kommunal- und Landespolitik waren natürlich auch uzm Festival erschienen, denn endlich wollte frau/man die Segnungen der eigenen Politik mit dem gemeinen Wahlvolk ausdiskutieren und sich möglichst belobigen lassen.
Es gab Musik, Imbiss und viele Flyer.

DemokratieWer wollte, konnte sich ganz demokratisch informieren und musste nicht einmal nach Demokratie hungern – der Bratwurststand war gleich daneben.
Dass aktuelle Würdenträger in Politik, Verwaltung und Verbänden mit ihren Entscheidungen, ihrem Verhalten und ihren Attitüden nach 1990 selbst den Nährboden für linke (Gegen die ging es übrigens in Wismar nicht …) und rechte Extremisten bereitet haben, darauf kamen die selbst ernannten Kämpfer für Demokratie, soziale Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit erst gar nicht.

Dass man zudem die Opfer und Nicht-Angepassten in der DDR-Diktatur immer noch als „Widerständler zweiter Klasse“ betrachtet, dass die Kämpfer gegen  das SED- und Blockflöten-Regime in der DDR oftmals mit karger Opferrente (wenn überhaupt) abgespeist werden, dass DDR-Oppositionelle, die aus Bürger-, Umwelt- oder Friedensbewegungen stammen oder als Einzelkämpfer gegen das DDR-Regime aufbegehrten, oftmals eine geschundene Gesundheit aufweisen, die eine reguläre Tätigkeit  auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigt, ist den heutigen heimischen Spitzen-Politikerinnen und –Politikern ziemlich „schnuppe“.

DemokratieEs wäre demokratischer Anstand gewesen, wenn ein demokratischer Parteien-Vertreter zum heutigen 10.Todestag des herausragenden Jürgen Fuchs, der in der DDR unerbittlich verfolgt und gequält wurde, ein Wort für diesen großartigen Menschen gefunden hätte – nichts, man feierte sich selbst.

Ist mal wieder ein Jahrestag, wie 17.Juni, Mauerfall, Tag der Einheit, wird allerdings an die Verfolgten, an die Aufrechten in der zweiten deutschen Diktaturin Sonntagsreden lautstark gedacht, ansonsten „Fehlanzeige“.

DemokratieHeute wollen Personen, der Demokratie zum Siege verhelfen, die erst vielleicht noch Adolf Nazi und später dann den Kommunisten Walter Ulbricht, Erich Honecker bzw. Blockflöten Gerald Götting (Ost-CDU) oder Kurt Wünsche (LDPD) zujubelten. Die in der DDR studierten, promovierten, sogar habilitierten, die eventuell ins „Nicht-Sozialistische Weltsystem“ reisen konnten, sich eben anpassten und  in der DDR „kommode“ einrichteten.

Die letztendlich – nach dem Mauerfall – die Leiter weiter nach oben fielen. Sitze in kommunalen Parlamenten, im Landtag oder Bundestag ergatterten – zu üppigsten Diäten ihr schönes DDR-Leben im vereinten Deutschland luxuriöser gestalteten.
Die jungen und alten Kämpen aus SED, Blockparteien, FDJ, Stasi oder der „Kirche im Sozialismus“ sind ohnehin wieder „oben auf“.
Wenn jetzt führende deutschen Protestanten angesichts des Ergebnisses des Volksentscheides in Berlin lamentieren, dass sich dort eine Mehrheit für obligatorischen Ethik-Unterricht, jedoch gegen obligatorischen Religions-Unterricht aussprach, so liegt es ganz einfach am pharisäerhaften Verhalten vieler oberer Kirchen-Vertreter.

Diese stellen die evangelische Kirche noch heute als Hort des Widerstandes gegen Nationalsozialismus und Kommunismus dar. Die Realität ist eine andere. Wie die aussieht konnte Prof. Dr. Dr. Gerhard Besier, der bereits an der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg lehrte, u.a. in seinem Buch „Der SED-Staat und die Kirche. Der Weg in die Anpassung.“eEindrucksvoll nachweisen.

DemokratieAuch in Mecklenburg gab es die „Kanzel-Kommunisten“, wie die Pastoren Kleinschmidt in Schwerin oder Schwarze in Ludwigslust. Über den Letztgenannten weiß auch der aufrechte frühere Ludwigsluster Sozialdemokrat Dr.Karl Möller, der wegen seiner demokratischen Gesinnung und seines demokratischen Einsatzes 1950  zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt wurde und sechseinhalb Jahre u.a. in Bautzen inhaftiert wurde, in seinen Erinnerungen zu berichten: „ … Des Weiteren war Pastor Schwarze Mitglied der SPD. Er hielt in jenen Jahren (1945 ff.) Vorträge im Land zum Thema `Christentum und Sozialismus`. Als er später Landespastor war, passte er sich ganz der SED an. Dessen Sohn Peter, der auch zu unserer Gruppe gehörte, soll uns angezeigt haben … „

Das ist nur ein Beispiel von vielen.
Und über den IM „Sekretär“ ist ohnehin schon genug geschrieben worden !

Sich eindeutig zu den Fehlern in der DDR zu bekennen, das wäre auch ein guter Diskussionsbeitrag auf dem „Festival der Demokratie“ in Wismar gewesen. Aber das sollte und wollte frau/man nicht. Es sind ja bald Wahlen – da „darf“ nur das Positive herausgestellt werden.

Es wäre hervorragend gewesen, wenn Vertreter der Linkspartei, der SPD, der CDU, der FDP, beider Kirchen und der Gewerkschaften zu einem echten Forum geladen hätten, mit geistreichen Beiträgen geglänzt auch eigene (demokratische) Defizite eingestanden hätten. Das ist man auch den Opfern der zweiten deutschen Diktatur in den eigenen Reihen schuldig.

Nur diese  werden, wie schon erwähnt, nur zu besonderen Anlässen zitiert, wenn es der eigenen Partei/Organisation aktuell hilft –  der Geist dieser aufrechten Persönlichkeiten, wie Albert Schulz, Martin Müller, Karl Moritz, Hans Krukenmeyer, Arno Esch, Eduard Stratmann, Wolfgang Reichardt, Rudi Schwedler, Siegfried Witte, ist doch in den meisten (demokratischen ?) Parteien kaum mehr vorhanden. Es ist sogar anzuzweifeln, ob die gegenwärtigen Partei-Akteure mit den Namen der früheren Parteimitglieder überhaupt noch etwas anfangen können.

Echte Persönlichkeiten mit Charakter, Herz und Geist sind bei denen ohnehin eine radikale Minderheit. So muß man gegen „Rechte“ vorgehen, die ohnehin einige V-Leute im Parteiapparat beschäftigen, kann ein gutes Gewissen haben, läßt sich genehme Umfragen und Statistiken zur wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklung zukommen und tanzt demokratischen Ringelpitz. Die Opfer der zweiten deutschen Diktatur läßt man in Hartz IV verkommen – eine lupenreine demokratische Einstellung.

Da ist es schon kein Wunder mehr, wenn der hiesige Ministerprädident im Zusammenhang mit der DDR-Diktatur von einem „Schuß Willkür“ spricht. Inwieweit solche Leute als Demokraten ernst zu nehmen sind, ist von jeder und jedem bei den künftigen Wahlen, ob auf kommunaler, europäischer oder Bundes-Ebene zu beantworten !

Die Mehrheit der Bevölkerung erreicht man mit einem deformierten Demokratie-Verständnis und den einhergehenden  Floskeln, Festivals und der selbst befriedigenden „Aktionitis“ nicht mehr.

Dr. Marko Michels

1.Foto: Eine Giraffe auf dem „Festival der Demokratie“ in Wismar – ein Tier mit Symbol-Charakter: Man sieht über die wahren Probleme im Land hinweg … M.M.

2.Foto: Einsatz für Demokratie, wie beim heutigen Festival in Wismar,  ist immer wichtig, aber dazu gehört auch eine kritische Bestandsaufnahme ! M.M.

3.Foto: Auch Konzerte gehörten zum Rahmenprogramm des „Festivals der Demokratie“ in Wismar. M.M.

4.Foto: Vertreter der Landespolitik waren auch beim „Festival der Demokratie“ in Wismar, wie die Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider und der Vorsitzende der F.D.P.-Landtagsfraktion, Michael Roolf. M.M.

5.Foto: Der Einsatz für eine tolerante, weltoffene, neugierige und basisdemokratische Stadt ist nobel.Vielleicht gelingt  ja der jüngeren Generation, eine Demokratie zu verwirklichen, die diesen Namen auch verdient. M.M.