Energieversorger versuchen Gas- und Strompreis-„Rebellen“ zu verunsichern

Immer wieder versuchen einige Energieversorger auch hierzulande Kunden, die sich gegen erhöhte Preise zur Wehr setzen, mit nicht zutreffenden Argumenten zur Rücknahme ihrer Einsprüche zu bewegen.

So sollen angeblich mit der BGH-Entscheidung vom 13.06.2007 alle streitigen Fragen zur Unbilligkeit der Gaspreise erledigt und die Rechtslage nun eindeutig geklärt sein. Die Verbraucherschützer sehen die BGH-Entscheidung dagegen sehr viel differenzierter. Der BGH hat in seinem Urteil lediglich über eine Preiserhöhung gegenüber einem so genannten Tarifkunden entschieden. Bei derartigen Vertragsverhältnissen steht den Versorgern tatsächlich ein gesetzlich geregeltes Preisbestimmungsrecht zu. Da aber fast alle Heizgaskunden innerhalb eines Sondervertrages versorgt werden, gibt das Urteil des VIII. Zivilsenats für diese Kunden nichts her.

Der BGH, so wird behauptet, habe bestätigt, dass Erdgasversorger im Wettbewerb mit anderen Heizenergieträgern stünden und somit Marktpreise verlangt würden. Der BGH hat jedoch hierzu keine eigenen Tatsachenfeststellungen getroffen, sondern sich lediglich der Auffassung der Vorinstanz angeschlossen. Eine Bewertung, ob Wettbewerb auf dem Energiemarkt besteht, erfordert regelmäßig eine Tatsachenfeststellung zur konkreten Situation. Der BGH bezog sich hierzu  auf eine von der Revision nicht angefochtene Feststellung des Landgerichts, wonach die Beklagte einem Substitutionswettbewerb mit anderen Energieträgern ausgesetzt ist. Das Landgericht hatte aber auch Argumente gegen die Ausweichmöglichkeiten der Gasverbraucher auf andere Energieträger angeführt, insbesondere die hohen Umstellungskosten bei den Heizungsanlagen.

Die These des BGH vom Wettbewerb auf dem Wärmemarkt ist schon deshalb problematisch, weil sie der Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH, des OLG Düsseldorf sowie der ständigen Verwaltungspraxis des Bundeskartellamtes und der Landeskartellbehörden widerspricht. In einer Entscheidung des Kartellsenats des BGH vom 9. Juli 2002 heißt es unmissverständlich: „Ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie besteht nicht.“ Der VIII. Zivilsenat durfte deshalb diese Ansicht und die dafür angeführten Gründe nicht einfach mit Schweigen übergehen. Demnächst wird sich der Kartellsenat des BGH in einer Revisionssache gegen ein Urteil des OLG Dresden mit dieser so wichtigen Frage befassen. Der Senat wird sich dann mit den Kriterien einer Marktbeherrschung am Beispiel eines konkreten Versorgers auseinandersetzen müssen.

Immer wieder argumentieren Stadtwerke mit der Auffassung, der BGH hätte am 13.06.2007 entschieden, die Weitergabe gestiegener Bezugskosten an die Kunden entspräche der Billigkeit im Sinne von § 315 BGB. Der BGH hat aber im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Weitergabe der Bezugskostensteigerung festgestellt, dass eine darauf gestützte Preiserhöhung gegenüber dem Kunden dann unbillig sein kann, wenn und insoweit der Anstieg durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen hätte ausgeglichen werden können.

Auch das Energiewirtschaftsgesetz  verpflichtet zu einer „möglichst preiswerten Versorgung“. Die Rücksichts- und Treuepflichten des BGB erfordern ebenso, dass der Versorger nur unvermeidbare Steigerungen der Einkaufspreise über die Verkaufspreise auf die Verbraucher abwälzen darf. Dies ist Maßstab bei der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und nicht etwa eine Gewinnmaximierung. Der Versorger ist hiernach auch nicht berechtigt, zu beliebigen Preisen einzukaufen, sondern muss alles tun, um bei Preisverhandlungen mit seinen Vorlieferanten die o.g. Grundsätze einzuhalten und kann sich nicht allein auf deren Preise  berufen. All das haben Stadtwerke aber bisher nicht dargetan.

Die aktuelle Preisgestaltung der Versorger unseres Bundeslandes zeigt, dass Preisunterschiede bis zu 41 % bestehen und auch im bundesweiten Vergleich gehören diese nicht unbedingt zu den günstigsten.

Es wird weiterhin versucht, den Anschein zu erwecken, mit Gutachten von Wirtschaftsprüfern  oder TÜV-Zertifikaten den Nachweis der Billigkeit nach § 315 BGB erbracht zu haben. Der Versorger kann den geschuldeten Billigkeitsnachweis nicht durch Vorlage von Gutachten oder Zertifikaten führen, die alleine der Versorger ausgesucht, beauftragt, bezahlt und informiert hat. Nicht ohne Grund enthalten alle Testate von Wirtschaftsprüfern den Hinweis, dass sie nur auf den Informationen des Auftraggebers beruhen. Zum einen können solche Testate einen nachvollziehbaren und prüfbaren Vortrag des Versorgers selbst nicht ersetzen – so mehrere Gerichtsentscheidungen, inklusive des Bundesgerichtshofs. Zum anderen können und dürfen Wirtschaftsprüfer dem alleine zur Entscheidung berufenen Gericht die Wahrheitsfindung nicht abnehmen. Sie können dem Gericht nur als Sachverständige zuarbeiten. Hierzu müssen sie aber von dem Gericht (und nicht vom Versorger) beauftragt sein.

Die der Verbraucherzentrale bisher bekannt gewordenen Testate oder TÜV-Zertifikate beinhalten gerade in Hinsicht auf etwaige Kostenreduzierungen aus anderen Unternehmensbereichen keine Angaben, so dass diese Anforderung des BGH-Urteils nicht erfüllt wird.

Verbraucher, die sich gegen enorme Preissteigerungen bei der Nachtstromversorgung wehren, erhalten von Ihrem Versorger die Kündigung. Es wird mitgeteilt, dass § 315 BGB nicht greift, da man ja zu einem anderen Versorger wechseln könne und im Übrigen habe man den Widerspruch als Kündigung des Vertrages gewertet. Der Kunde wird dann in die erheblich teurere Grundversorgung gestuft. Zum Ersten stimmt diese Behauptung, zu einem anderen Versorger wechseln zu können, nicht. Bedingt durch die hohen Netznutzungsentgelte liefert bundesweit kein Versorger Nachtstrom durch fremde Stromverteilungsnetze. Die Kündigung des Vertrages ist dagegen willkürlich und kann als Rechtsmissbrauch gewertet werden. Das Bundeskartellamt steht vor diesem Hintergrund auf dem Standpunkt, die Durchsetzung einer nach § 315 BGB streitigen Entgeltforderung sei  einem marktbeherrschenden Energieversorger in aller Regel nur aufgrund seiner faktischen Monopolstellung in seinem Versorgungsgebiet möglich. Bei funktionierendem Wettbewerb hätte ein solcher Marktbeherrscher vielmehr zu befürchten, dass seine Kunden Ausweichmöglichkeiten zu anderen Versorgern hätten und auch davon Gebrauch machten.

Die Verbraucherzentrale erwartet von den Versorgern, die Verbraucher nicht weiter zu verunsichern und die angekündigten weiteren Entscheidungen des BGH in der Sache abzuwarten.

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