Ein Verfahren und ein Rotorblatt aus geformtem Stahl

Wissenschaftler arbeiten an neuer Windflügelfertigung

Erstes Verbundforschungsprojekt für die Fachhochschule Stralsund – Forschungsförderung des Landes deutlich verstärkt

Rostocker und Stralsunder Wissenschaftler arbeiten zusammen mit der Ostseestaal GmbH an einer innovativen Technologie, die neuartigen Windturbinen zum Durchbruch verhelfen soll. Erstmals sollen in dem Verbund Grobbleche mit bis zu 20 Millimeter Materialstärke in einem Arbeitsschritt in ihre komplexe mehrdimensionale Form gebracht werden. Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus fördert das Gemeinschaftsprojekt in einem Gesamtvolumen von 5,6 Millionen Euro mit einem Zuschuss aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) in Höhe von 4,1 Millionen Euro.

„Das Stralsunder Unternehmen als traditioneller Zulieferer für die maritime Industrie ist ein Musterbeispiel für die offensive Neuorientierung und Erschließung zukunftsträchtiger Märkte“, stellte Wirtschaftsminister Jürgen Seidel heraus. Die Firma Ostseestaal setzt mit Unterstützung der Universität Rostock und der Fachhochschule Stralsund unter anderem auf erneuerbare Energien und schafft damit die Basis für eine starke Präsenz in einer der größten Wachstumsbranchen.

Die Herstellung eines Rotorblattes für eine Windkraftanlage ist bislang ein äußerst aufwändiger und kostenintensiver Prozess. Herkömmliche Rotorblätter mit einer Länge von 20 bis mehr als 50 Meter bestehen aus glasfaser- oder kohlenfaserverstärktem Kunststoff. Sie werden in einem mehrstufigen Verfahren in Halbschalen-Sandwichbauweise und Versteifungselementen im Inneren hergestellt. „Ziel des Verbundvorhabens ist die Entwicklung eines marktfähigen Verfahrens zur komplexen Verformung von Grobblechen. Der Umformprozess soll im halbwarmen bis warmen Temperaturbereich erfolgen“, erläuterte die Stralsunder Professorin Dr.-Ing. Petra Maier, die mit dem Verbundvorhaben das erste Projekt aus der seit 2007 neu ausgerichteten Forschungsförderung des Wirtschaftsministeriums an den Sund holte. Die Fachhochschule Stralsund erhält 865.000 Euro Zuschuss, die Universität Rostock 1,75 Millionen Euro und die Ostseestaal GmbH 1,5 Millionen Euro.

Mit der „Verbundschleife“ zum Erfolg

„Die mehrdimensionale Verformung von Grobblechen aus einem Stück und ohne kritische Schweißnähte für anspruchsvolle Anlagen wie Windkrafträder ist Neuland“, ergänzte Verbundpartner Prof. Patrick Kaeding von der Universität Rostock. „Das Verfahren wird zwar als Pilotprojekt für Windturbinen erforscht, enthält aber ein enormes Potenzial für fast alle Bereiche des Industriebaus“, so der Rostocker Schiff-bauingenieur. „Mit der zu entwickelnden Prozessstrecke wird es möglich sein, Produkte in einem Verfahrensschritt zu produzieren, die sowohl durch variable Materialstärken als auch mehrachsige, gegensinnige Krümmungen gekennzeichnet sein können“, erläuterte der Geschäftsführer der Ostseestaal GmbH, Günter Eilers. Ein gewichtiges Umweltargument sei darüber hinaus die mögliche Wiederverwendung der aus Stahl gefertigten Flügelhälften für Windkrafträder, die im Gegensatz zur den Kunststoffrotorblättern recycelbar sind. Innerhalb des Verbundprojektes werden zehn Wissenschaftler beschäftigt sein.

„Die entscheidende Innovationskraft liegt in dem Verbund“, betonte Jürgen Seidel. „Jeder Partner trägt mit seinem speziellen Know-how zum Erfolg des Projektes bei.“ Das einzigartige Verfahren werde praktisch in einer „Verbundschleife“ bis zur Marktreife gebracht. Die Universität Rostock entwickelt computergestützte Simulationsmodelle für den Prozessverlauf, die Ostseestaal GmbH produziert auf ihrem Versuchsstand in der Fertigungshalle die ersten Rotorblätter nach den Vorgaben der Wissenschaftler, diese wiederum prüfen während und nach der Verformung die Geometrie und Werkstoffeigenschaften. Der Abgleich aus den Analysedaten der modernen Stralsunder Labore sowie aus den Simulationsergebnissen aus Rostock dient dazu, die Verformungsprozesse laufend anzupassen und zu optimieren. Weitere Entwicklungsziele beinhalten neben der automatischen Vermessung der Bauteile ein Handlingsystem unter Berücksichtigung der Roboter-technologie sowie eine Nachbehandlungsstrecke. „Ohne die enge Kooperation der drei Partner könnte das Verbundvorhaben nicht in der Kürze der Zeit realisiert werden“, sagte Seidel, der einmal mehr an die Unternehmen des Landes appellierte, die vorhandenen Forschungs-strukturen des Landes besser zu nutzen.

Neue Märkte mit attraktiven Jobperspektiven erschließen

Von 1997 bis 2007 hat die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung jedes Jahr um 12 Prozent gesteigert und auch die Ausgaben für Personal sind um durchschnittlich jährlich sechs Prozent gestiegen. „Diese Entwicklung müssen wir weiterhin unterstützen und vorantreiben. Nur durch Forschung und Entwicklung können neue wettbewerbsfähige Produkte entstehen, die wiederum zu zukunftsorientierten, das heißt attraktiven und nachhaltigen Arbeitsplätzen führen, die unser Land braucht“, unterstrich Seidel. „Die Politik flankiert diesen Aufwärtstrend nachhaltig. Während in der letzten Förderperiode von 2000 bis 2006 die Nutzung des Know-hows aus den Hochschulen und außeruniversitären wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen mit 7,1 Millionen Euro gering ausfiel, ist die seit 2007 eingeführte Verbundforschungsförderung von den Unternehmen sehr gut angenommen worden. Das Volumen ist bereits in den ersten drei Jahren der neuen Förderperiode von 2007 bis 2013 deutlich angestiegen.“ Von den im Zeitraum von 2007 bis heute gebundenen Zuschüssen gehen im Rahmen von Verbundforschungsprojekten allein 26 Millionen Euro an die Hochschulen und wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen des Landes. Die Universität Rostock erhält mit 15,7 Millionen Euro den größten Zuschuss, gefolgt von der Hochschule Wismar mit 3,0 Millionen Euro, der Universität Greifswald mit 1,6 Millionen Euro und der Hochschule Stralsund mit 1,4 Millionen Euro.

Für die EU-Förderperiode von 2007 bis 2013 stehen insgesamt rund 155 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) für Forschung, Entwicklung und Innovation zur Verfügung. Von 2007 bis heute sind bereits Zuschüsse in Höhe von 70 Millionen Euro für 430 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben vergeben worden, davon 42,5 Millionen Euro an 140 Verbundforschungsprojekte. Schwerpunktfelder sind die Biotechnologie und Biomedizintechnik (38,1 %), die Informations- und Kommunikationstechnik (23,9 %) sowie der Maschinenbau und die Metallverarbeitung (19,4 %).