„Die Jungs sind eine klasse Einheit geworden…“

Danny Anclais über den Herren-Handballsport in Schwerin und darüber hinaus

Der Januar 2017 ist ein besonderer Handball-Monat, nicht nur, aber gerade im Herren-Handball.

Die 25.Weltmeisterschaften der Herren stehen seit dem 11.Januar und noch bis zum 29.Januar auf dem Programm, wobei das deutsche Team als amtierender Europameister 2016 und Olympia-Dritter 2016 gute Medaillen-Chancen besitzt.

Von den Anfängen…

Die ersten Hallen-Handball-WM fanden vor fast 80 Jahren, vom 5.Februar 1938 bis 6.Februar 1938 in Berlin statt. Damals handelte es sich um ein Vierer-Turnier mit den Mannschaften aus Deutschland, Österreich, Schweden und Dänemark. Nur sechs Spiele waren seinerzeit notwendig, um den Weltmeister zu ermitteln. Die deutsche Auswahl setzte sich dabei nach Siegen gegen Dänemark (11:3), Österreich (5:4) und Schweden (7:2) durch. 53 Tore wurden insgesamt geworfen und der Hamburger Hans Theilig war zusammen mit dem Schweden Yngve Lamberg mit jeweils sechs Treffern Torschützen-König.

…in die Gegenwart

Bei den letzten WM, den 24., vom 15.Januar 2015 bis 1.Februar 2015 in Katar spielten in der Endrunde 24 Teams um den Titel, Medaillen und gute Plätze. 4805 Tore wurden geworfen, wobei Dragan Gajic aus Slowenien mit 71 Treffern zum besten „Goalgetter“ avancierte. Letztendlich wurde Frankreich vor der katarischen Welt-Auswahl, Polen und Spanien zum fünften Mal Titelträger. Eine Hallen-Handball-WM hat inzwischen gigantische, extrem professionale und marketingtechnisch exorbitante Ausmasse angenommen.

Nun im Januar 2017 wird es sicherlich einen Fünfkampf von Frankreich, Dänemark, Deutschland, Spanien und Kroatien um die WM-Krone geben. Aber vielleicht kommt ja manches ganz anders, als die Experten vermuten?!

Die M-V-Teams der Herren in den Ligen eins bis vier

„Ohne WM-Ambitionen“ sind in den regionalen Ligen die Mecklenburger Stiere Schwerin in der dritten Liga sowie der Stralsunder HV, der HSV Insel Usedom, der Bad Doberaner SV 1990 und der SV Fortuna 50 Neubrandenburg in der Ostsee-Spree-Liga bereits im Januar 2017 gefordert. Der HC Empor Rostock bereitet sich auf die kommenden Spiele, ab Februar 2017, in der zweiten Bundesliga vor.

Wie beurteilt nun Danny Anclais, Trainer bei den Mecklenburger Stieren Schwerin, das aktuelle Handball-Geschehen?!

Danny Anclais kennt die Herren-Handball-Szenerie in M-V ja sehr gut, spielte unter anderem beim Stralsunder HV (1999-2007), beim SV Post Schwerin (2009-2012), trainierte 2012/13 die Jugend des HC Empor Rostock, war dann Trainer beim Stralsunder HV (2013-2016) und ist seit der Saison 2016/17 Trainer der Mecklenburger Stiere Schwerin.

Danny Anclais über die Entwicklung bzw. die Ziele der Mecklenburger Stiere Schwerin, Versäumnisse im regionalen Herren-Handball in M-V, seine Stationen Stralsund bzw. Rostock, die Nachwuchs-Situation bei den Stieren und natürlich die Handball-WM der Herren in Frankreich

„Die Jungs sind eine klasse Einheit geworden…“

Frage: Die Hälfte der Saison 2016/17 in der dritten Liga im Herren-Handball ist vorbei. Die Mecklenburger Stiere Schwerin belegen dabei Rang sieben in der Tabelle. Wie lautet da Ihr Zwischen-Resümee?

Danny Anclais: Die Ziele vor der Saison waren, sich sportlich zu stabilisieren und dementsprechend einen Platz in der oberen Hälfte zu erreichen, sowie in der Stadt Schwerin wieder eine Euphorie für den Handball zu entfachen.

Sportlich liegen wir mit Platz 7 damit im Soll. Man muss jedoch konstatieren, dass es gut und gerne auch einige Punkte mehr hätten sein können. In unserem Wohnzimmer (der Sport- und Kongresshalle – red. Anm.) haben wir alle Spiele gewonnen und auswärts hat meine Mannschaft viele gute Spiele abgeliefert, sich aber leider zu selten für die gute Leistung belohnt. So wurden die Partien bei den beiden Spitzen-Mannschaften Henstedt und Hamburg mit einem bzw. zwei Toren knapp verloren.

Positiv ist, dass wir es geschafft haben, uns taktisch weiterzuentwickeln und die Jungs eine klasse Einheit geworden sind. Es macht mir als Trainer sehr großen Spaß und natürlich gehe ich davon aus, dass wir diesen auch in der zweiten Saison-Hälfte haben werden.

Mit Zufelde und Przybylski sind zwei sehr wichtige Spieler früh in der Saison verletzungsbedingt ausgefallen, was meinem persönlichen sportlichen Ziel für diese Saison einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Mit diesen beiden Spielern hätten wir mit Sicherheit ein paar Punkte mehr auf der Haben-Seite, was die positive Entwicklung bestätigt.

Zum zweiten Ziel kann man nur sagen dass die Resonanz der Leute in Schwerin überragend ist. Wir werden sehr positiv wahrgenommen und dementsprechend sind die Zuschauerzahlen von Spiel zu Spiel gestiegen. Viele Sponsoren aus der ‚Post-Schwerin-Zeit’  konnten wir wieder mit ins Boot holen und sie von der positiven Entwicklung und der Nachhaltigkeit der Stiere überzeugen.

Aber sowohl bei den Zuschauern, als auch bei unseren Partnern hoffen wir natürlich, dass wir uns gemeinsam weiter steigern können. Die Grundvoraussetzung dafür ist natürlich eine gute Leistung der Mannschaft und dafür geben wir jeden Tag im Training Vollgas!

Frage: Wie lautet das Saison-Ziel nach der Hälfte der Spielzeit? Ist ein Aufstieg der Stiere 2017/18 aus sportlicher wie wirtschaftlicher Sicht nach Ihrer Meinung möglich bzw. sinnvoll?

Danny Anclais: Zuerst einmal möchte ich sagen, dass die Arbeit mit den Verantwortlichen sehr großen Spaß macht, da wir einen offenen und ehrlichen Umgang miteinander pflegen, was für mich eine Grundvoraussetzung ist und ich so vorher nicht kannte.

Wir haben mit Hendrik Rößler von der Elbe Haus GmbH einen positiv verrückten Hauptsponsor, der uns viel mehr gibt als monetäre Unterstützung. … Weiterhin mit Heiko Grunow einen Präsidenten, der für den Verein lebt und alles dafür tut, die Mecklenburger Stiere in eine gute Zukunft zu führen.

Wir haben wirtschaftlich vor der Saison einen großen Schritt nach vorn gemacht, der aber auch notwendig war, um die gesteckten Ziele zu erreichen. In enger Absprache mit Stephan Riediger und Dirk Schimmler haben wir eine Mannschaft zusammengestellt, die zusammen gut funktioniert und zu großen Teilen würde ich diese Verpflichtungen auch noch einmal genauso tätigen.

Das Ziel für diese Saison bleibt unverändert, es kann in der Rückrunde in alle Richtungen gehen. Die Liga ist von der Leistungsstärke sehr eng beisammen und zudem haben wir alle Mannschaften, die über uns stehen, zuhause zu bespielen und die Teams der unteren Hälfte auswärts. Das verspricht viele enge Spiele und eine punktgenaue Vorbereitung auf jeden einzelnen Gegner.

In der nächsten Saison wollen wir sportlich den nächsten Schritt gehen. Wir müssen uns weiter gut entwickeln. Wir wollen oben mitspielen und dann muss man am Ende schauen, was dabei heraus kommt.

Erfolg ist im Sport nur bedingt planbar, da es – wie in dieser Saison mit den verletzten Spielern als Beispiel – einige Unwägbarkeiten gibt. Wir werden in die nächste Saison mit einer Mannschaft agieren, die zu großen Teilen so dann auch in der zweiten Liga spielen kann. Um ein wenig weiter voraus zu greifen, ist der Aufstieg das erklärte Ziel. Jedoch nicht in der nächsten Saison.

Frage: Wie beurteilen Sie ansonsten die Situation im Herren-Handballsport in M-V, speziell beim Stralsunder HV und beim HC Empor Rostock?

Danny Anclais: Wir haben hier im Land mit Sicherheit einige Entwicklungen verschlafen. Ich sehe aber viele Vereine auf einem guten Weg. Neubrandenburg, als Beispiel, macht seit Jahren wirklich gute Arbeit im Jugendbereich. Was sich nicht wegdiskutieren lässt, ist, dass wir vor einigen Jahren mehrere Mannschaften in höherklassigen Ligen hatten. Schwerin und Stralsund zeitweise in der ersten Liga, Loitz in der dritten, was nun leider nicht mehr der Fall ist.

Unser bestes Schiedsrichterpaar pfeift maximal dritte Liga im Männerbereich. Das sind die Fakten, aber zeigt auch, dass wir großes Potential haben.

Was mich wirklich stört, ist, dass die Vereine nicht bereit sind, miteinander zu arbeiten, sondern sich gegenseitig im Jugendbereich die Spieler wegnehmen. Wir haben nicht die finanziellen Mittel im Vergleich zu anderen Bundesländern, da wäre Zusammenarbeit vielleicht der richtige Weg, speziell in der Jugend.

Generell bin ich ein Freund davon, erst einmal vor der eigenen Haustür zu kehren. Die „Marke Stiere“ zieht bei den Leuten, vor allen Dingen bei den Jugendlichen. Ich sehe uns auf einem sehr guten Weg, nachdem der Verein mit der Insolvenz eine Menge Lehrgeld zahlen musste.  Wir sind gut strukturiert, haben eine funktionierende Geschäftsstelle, viele ehrenamtliche Helfer und einen tollen Fan-Club.

Ich würde mich natürlich freuen, wenn wir in der nächsten Saison in einer vollen Sport- und Kongresshalle ein oder zwei Derbys spielen können.

Bei Empor ist die Situation ganz einfach die Konsequenz der Arbeit und des persönlichen Umgangs in den letzten Jahren. Wenn Stralsund mit der Mannschaft nicht den Aufstieg schafft, wäre es schon überraschend. Auch, wenn es für mich nicht der richtige Weg ist.

Ich konnte mich sowohl in Rostock als auch in Stralsund nicht mit der Arbeit sowie den Zielen identifizieren und bin sehr froh, jetzt in Schwerin eine völlig andere Situation zu haben.  Wir haben einen langfristigen Plan, setzen uns realistische Ziele, pflegen einen offenen sowie ehrlichen Umgang und haben eine hohe wirtschaftliche Kompetenz in der Führung.

Frage: Nun beginnen ja die Handball-WM in Frankreich… Was trauen Sie dem deutschen Team zu? Wer sind Ihre WM-Favoriten?

Danny Anclais: Als amtierender Europameister sind wir natürlich im Kreis der Favoriten. Im Handball ist es jedoch so, dass fünf Prozent mehr Einsatz oft entscheidend sind. Die Vorrunde gilt es auf einem guten Platz abzuschließen, was auch gelingen sollte. Damit geht man im Achtel- und eventuell Viertelfinale den starken Gegnern aus dem Weg.

In den K.O.-Spielen ab dem Viertelfinale kann alles passieren. Die Weltspitze ist dicht zusammen, dann geht es um Frische und die schon angesprochenen fünf Prozent. Kurzum sehe ich Dänemark und Frankreich sportlich vor uns, aber mit deutschen Tugenden und dem Status als „Turnier-Mannschaft“ ist alles drin.

Letzte Frage: Wie ist es eigentlich um den Nachwuchs bei den Mecklenburger Stieren Schwerin bestellt?

Danny Anclais: Wir haben mehrere Säulen, auf die sich gut aufbauen lässt. Zuerst einmal können wir auf viele sehr engagierte Trainer zurück greifen, die einen wirklich guten Job machen. Mit dem Sportgymnasium Schwerin besitzen wir natürlich auch ein Riesenpfund.

Robert Runge mit seinem Ballsport Centrum leistet zudem wirklich super Arbeit, um uns eine breitere Basis zu schaffen, von der wir irgendwann in der Spitze profitieren werden.

Und wir konnten im Sommer mit Andreas Westram einen neuen Verantwortlichen für den Jugendbereich gewinnen, von dem der ganze Verein profitiert. Er hat es im ersten halben Jahr geschafft, den Bereich super zu strukturieren und war mit seinen Mannschaften sehr erfolgreich.

Aber wie schon gesagt, viele Trainer gestalten das Training wirklich klasse und so haben wir ab dem B-Jugend-Bereich bis zu den Mini-Stieren sehr viele talentierte und vor allen Dingen motivierte Spieler.

Mehrere Mannschaften, wie die B- und C-Jugend, spielen sehr erfolgreich in höheren Altersklassen und wir haben die Hoffnung, ab der Saison 2018/2019 wieder verstärkt Jugendliche, die wir selbst ausgebildet haben, in die erste Mannschaft integrieren zu können.

Diesen Weg wollen und werden wir konsequent fortsetzen, weil es der einzig richtige ist. Wir wollen Spieler, die sich mit dem Verein und der Stadt identifizieren. Das Ziel ist eindeutig formuliert: Mittelfristig der Verein in M-V mit der besten Jugendarbeit zu sein.

Dazu muss in der jeweiligen höchstmöglichen Spielklasse gespielt werden – und ich habe große Hoffnung und Vertrauen in die Trainer, dass uns das auch gelingt.

Dazu konnten wir einen Athletik-Trainer für den Jugendbereich gewinnen und die Trainingsinhalte sind nun zwischen Sportgymnasium und Verein besser aufeinander abgestimmt. Es wird ein langer und harter Weg, dieses Ziel zu erreichen, aber ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Trainer weiterhin alles dafür tun, wofür ich mich an dieser Stelle rechtherzlich bedanken möchte.

Vielen Dank, weiterhin bestes handballsportliches Engagement und maximale Erfolge mit den Mecklenburger Stieren Schwerin!

M.Michels