Deutsche Turnerinnen und Turner mit zweimal WM-Silber

Tokio 2011 war eine wichtige Standortbestimmung für London 2012

Die 43. Turn-Weltmeisterschaften in Tokio sind schon wieder Historie. Zehn Monate vor Olympia waren sie eine ungemein wichtige Standortbestimmung. Dominierend waren vor allem die „Großen Vier“ des Welt-Turnsportes, China (4 x G), die USA (4 x G), Russland (2 x G) und Japan (2 x G).
In diese Phalanx konnten nur Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer eindringen. So sicherte sich der Südkoreaner Yang Hak-Seon Gold beim Sprung und der Ungar Krisztian Berki erkämpfte den WM-Titel am Seitpferd.

Bei den Damen setzten vor allem die amerikanischen und russischen Turnerinnen die Akzente. Jordyn Wieber und Viktoria Komowa waren die Turn-Königinnen in Tokio. Bei den Herren waren vor allem China und Japan am besten. Das chinesische Team wurde wieder einmal die Nummer eins. Kohei Uchimura konnte zum dritten Mal über den Mehrkampf-Einzel-Titel jubeln.

Für die deutschen Turnerinnen und Turner reiften in Tokio längst nicht alle Blütenträume. Silber durch Philipp Boy im Mehrkampf und – ganz besonders wertvoll – Silber auch im Sprung dank Oksana Chusowitina – eine Turnerin, die Maßstäbe setzt. Seit 2006 turnt sie für Deutschland, war vordem für die UdSSR, GUS und Usbekistan aktiv. Und gehörte immer zur Weltspitze: 18 Medaillen errang sie bei Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und Olympischen Spielen, darunter sechsmal Gold. Dazu kommen noch Erfolge und Podestplätze bei weiteren internationalen Wettkämpfen. Oksana, Jahrgang 1975, ein echtes Phänomen!

Ansonsten erkämpften Turnerinnen und Turner aus 13 Ländern WM-Medaillen in Tokio. Und besonders schön sind dabei immer die Überraschungserfolge. So gab es für Thi Ha Thanh Phan aus Vietnam Bronze im Sprung hinter der Amerikanerin Mc Kayla Maroney und Oksana Chusowitina. Ein großartiger Erfolg für das kleine Land.

Nachgefragt! Kati Brenner, Geschäftsführerin des Landesturnverbandes, zu den WM 2011 in Tokio …

„Die deutschen Turnerinnen und Turner spielen in der Weltspitze eine sehr gute Rolle …“

Frage: Frau Brenner, die Turn-Weltmeisterschaften 2011 sind Historie. Wie lautet Ihr Resümee zu den Entscheidungen bei den Damen und Herren – mit „internationalem Blick“?

Kati Brenner: In erster Linie überwiegt die Freude, dass die Turnerinnen nach zwei verpassten Olympiateilnahmen nun wieder mit der Mannschaft in London an den Start gehen. Bei der Herren hat man gesehen, dass die weltbesten Mannschaften noch enger in ihren Leistungsniveaus bei einander stehen. Überraschend für mich war der Einzug einzelner Athleten aus nicht so bekannten Turn-Nationen wie Vietnam oder Südkorea. Traurig war die Bilanz der Verletzungen in der Qualifikation. Hier ist die FIG, der internationale Turn-Verband, gefordert, Regeln für noch mehr Sicherheit voranzubringen.

Frage: Nun gab es zweimal Silber für den DTB. Eine Bilanz, die nicht  wirklich gut ist, so schön die beiden Silber-Erfolge auch sind – oder?

Kati Brenner: Die beiden erreichten Medaillen sind schon sehr hoch zu bewerten. Eine Wiederholung der Mehrkampfleistung, wie sie Philipp Boy nach Rotterdam 2010 nun in Tokio 2011 zeigte, haben bisher nicht viele Turner geschafft. Es unterstreicht, dass er sich in der Weltspitze etabliert hat.

Kohei Uchimura turnt derzeit in seiner eigenen Liga. Und das Oksana (Chusowitina) wieder einmal auf dem Punkt ihre zwei Sprünge zeigt, ist für mich absolut beeindruckend. Eine Vielzahl ihrer Gegnerinnen war noch nicht einmal geboren, als sie mit sechzehn Jahren ihre ersten WM-Medaillen gewann. – Dass nicht mehr Medaillen für Deutschland errungen werden konnten, lag vor allem an den Verletzungssorgen der Turner in diesem Jahr. In Vorbereitung auf London wünsche ich dem Turn-Team vor allem eine verletzungsfreie Zeit.

Frage: Bei den WM 2010 und den EM 2011 lief es deutlich besser für Fabian Hambüchen, Elisabeth Seitz & Co. … Spielten dieses Mal eventuell die Nerven nicht mit?

Kati Brenner: Vor allem die Turnerinnen haben Nerven bewiesen. Es ist im entscheidenden Wettkampf niemand vom „Zitterbalken“ gefallen. Elisabeth Seitz und auch Nadine Jarosch haben hervorragende Mehrkampfergebnisse gezeigt. Ich erwarte hier noch einen kräftigen Leistungszuwachs der jungen Frauen im nächsten Jahr.

Für Fabian Hambüchen war es nach fast einem Jahr der erste Wettkampf auf dem Welt-Parkett. Und er hat unterstrichen, dass er am Reck Weltklasse ist, und dass ein kleiner Hüpfer bei der Landung über Medaille oder Platz vier entscheidet, zeigt wie hochklassig am Königs-Gerät geturnt wurde.

Frage: Sehr stark präsentierten sich bei den Damen die Amerikanerin Jordyn Wieber und die Russin Viktoria Komowa. Bei den Herren war Kohei Uchimura das Maß der Turn-Dinge. Was zeichnet die Drei aus Ihrer Sicht aus?

Kati Brenner: Alle Drei zeigten an allen Geräten qualitativ sehr gute Übungen und dieses mit einem hohen bzw. sehr hohen Schwierigkeitswert (D-Note).

Frage: Wie beurteilen Sie das Kräfteverhältnis im Welt-Turnsport (Geräte-Turnen) ein Jahr vor Olympia?

Kati Brenner: Sowohl die Damen als auch unsere Herren spielen in der Weltspitze eine Rolle. Die WM zeigte, dass wieder viele Nationen mehr Wert auf den Mehrkampf legen. Bis auf China, das sich derzeit eher auf die Einzel-Disziplinen konzentriert. Auf jeden Fall werden die führenden Nationen bis London leistungsmäßig noch einmal drauflegen.

Frage: Vom Welt-Turnen zum Turnen in M-V … Welche Turn-Events wird es hier in den kommenden Wochen geben?

Kati Brenner: Noch vom Geschehen bei den WM motiviert, werden am 5. November alle Turnerinnen und Turner in Rostock um die Landesmeistertitel im Geräte-Turnen kämpfen. Am 10. Dezember findet in Rostock zum Jahresausklang die Landesturnschau statt, bei der alle Leistungsgruppen, Gymnastinnen und Turnerinnen zu sehen sind. Gleichzeitig beginnt die direkte Vorbereitung auf das dritte Landesturnfest vom 11. bis 13. Mai 2012 in Güstrow.

Dann weiterhin maximale Erfolge!

Statistisches / Turn-WM 2011

Medaillenspiegel der Frauen-Entscheidungen
Land-Gold-Silber-Bronze

1.USA: 3-0-2
2.Russland: 2-3-0
3.China: 1-2-3
4.Deutschland: 0-1-0
5.Vietnam: 0-0-1

Medaillenspiegel der Herren-Entscheidungen
Land-Gold-Silber-Bronze

1.China: 3-3-0
2.Japan: 2-1-4
3.USA: 1-0-1
4.Ungarn: 1-0-0
4.Südkorea: 1-0-0
6.Brasilien: 0-1-1
7.Frankreich: 0-1-0
7.Griechenland: 0-1-0
7.Deutschland: 0-1-0
7.Russland: 0-1-0
11.Israel: 0-0-1
11.Großbritannien: 0-0-1

Marko Michels