Japan vor den USA – Welttitelkämpfe endeten mit großer Überraschung

Rückblick auf die Frauen-Fußball-WM 2011 in Deutschland

Was für eine verrückte Frauen-Fußball-WM. Alle drei bisherigen Weltmeisterinnen konnten sich qualifizieren – und nur die Vereinigten Staaten, die Weltmeisterinnen von 1991 und 1999, überstanden das Viertelfinale. Norwegen, der Champion von 1995, schied bereits in der Vorrunde aus. Und das geplante deutsche Sommermärchen 2011 fand gegen Japan ein jähes Ende. Dafür imponierten Teams, die vorher auf der erweiterten Favoritinnen-Liste standen, denen man aber real einen Einzug ins Halbfinale nicht zwingend zugetraut hatte. Die Französinnen boten technisch hervorragenden Fußball, die Schwedinnen beeindruckten mit einer erfrischenden Spielweise, die Japanerinnen brillierten mit ihrer Taktik und die Amerikanerinnen erwiesen sich als großartige Kämpferinnen mit Herz und Siegeswillen.

Spielerinnen, wie US-Goalie Hope Solo, die Französin  Laura Georges, – Gaëtane Thiney,  Élodie Thomis, die Schwedinnen Lotta Schelin oder Lisa Dahlkvist oder die Japanerinnen Homare Sawa und Yuki Nagasato setzten die Akzente in ihren Teams, die verdient zu den besten vier Mannschaften des WM-Turnieres 2011 gehören.

Auch die deutsche Auswahl, ein sehr guter Mix aus Jugend und Erfahrung, enttäuschte nicht wirklich. Der Druck, auch der hausgemachte, erwies sich jedoch als erdrückend, irgendwie lief es während des ganzen Turnieres – mal abgesehen von Halbzeit zwei gegen Frankreich – nicht optimal für die Frauen um Lira Bajramaj & Co. .

Zweimal hintereinander Weltmeisterinnen zu werden, das ist aber eine Leistung, die das große Leistungsniveau des deutschen Frauen-Fußballes dokumentiert. Das wird bleiben, ebenso wie ein sympathisch und natürlich auftretendes deutsches Team – auch neben dem Fußballrasen. Dass aber Olympia 2012 verpasst wurde, ist immens bitter …

Zuckersüß ist jedoch die Welt der US-Girls und der Japanerinnen, die im Finale standen und sich einen unvergessliche Partie lieferten, die Japan glücklich im Elfmeterschießen gewann.

Und wie beurteilt eine Frauen-Fußball-Expertin diese Welttitelkämpfe? Nachgefragt bei Marita Scharf, Vorsitzende Frauen- und Mädchenausschuss beim Landesfußballverband M-V

„Tolles Spiel – tolle Werbung für den Welt-Frauen-Fußballsport!“

Frage: Japan ist neuer Weltmeister, die im Finale USA bezwangen. Was zeichnet den neuen Titelträger aus Ihrer Sicht aus?

Marita Scharf: Ein klasse Endspiel mit einer überlegen geführten Partie der Amerikanerinnen. Aber trotz der körperlichen Überlegenheit und der zig Torchancen, hat es das USA-Team nicht geschafft in der regulären Spielzeit das Spiel zu entscheiden. Die Japanerinnen haben taktisch diszipliniert dagegen gehalten und auf ihre Chance gewartet. In der zweiten Halbzeit konnten wir dann auch das sie auszeichnende schnelle Kurzpassspiel sehen. Ich habe auf einen Sieg der Japanerinnen gewettet und gewonnen! (lacht)

Erst im Viertelfinale gegen Deutschland habe ich Japan das erste Mal bei der WM gesehen und war von der Spielanlage, dem Laufpensum, der Willensstärke schwer begeistert. DAS ist moderner Fußball. Und mit Homare Sawa hatten sie eine tolle Spielerpersönlichkeit in ihren Reihen. Tolles Spiel – tolle Werbung für den Frauenfußball.

Frage: Alle Hoffnung, alle Erwartungen, alle Träume zerstoben für das deutsche Team allerdings schon im Viertelfinale. Wie lautet Ihre persönliche „Analyse“ zu den sportlichen Ergebnissen zum DFB-Team?

Marita Scharf: Vorweg, natürlich bin ich vom vorzeitigen Aus im Viertelfinale total enttäuscht. Die WM im eigenen Land und dann so etwas. Auch kann ich es nicht mehr hören/lesen, die Erwartungshaltung, der Druck waren zu groß. Das DFB-Team war einfach schlecht und hier sollten sich alle hinterfragen und genau analysieren. Beginnend bei der Trainerin, dem Betreuerstab, der Mannschaft! Eine einzige gute Halbzeit (Frankreichspiel) im WM-Turnier reicht einfach nicht aus.

Frage: Wo lagen die Stärken und Schwächen in der deutschen Mannschaft?

Marita Scharf: Es fällt mir tatsächlich schwer die Stärken der DFB-Elf hier bei der WM zu benennen. Die allgemeine Stärke von früher, die Physis, fehlte aus meiner Sicht, auch entsprechende Spielerpersönlichkeiten, wie sie hier jede Mannschaft hatte, waren auch nicht erkennbar – womit auch gleichzeitig die Schwächen benannt sind.

Frage: Trainerin Silvia Neid, die an sieben EM- und 2 WM-Titeln als Trainerin oder Spielerin beteiligt war, erlebte nun ausgerechnet bei der Heim-WM eine sehr bittere Stunde. Was zeichnet für Sie persönlich dennoch eine Silvia Neid aus?

Marita Scharf: Ich kenne Frau Neid nicht persönlich, habe sie zwei-/dreimal in Veranstaltungen des DFB erlebt. Ihre Erfolge in der Vergangenheit stehen auf der Habenseite – aber das zählt dann recht wenig, wenn aktuell einiges schief gelaufen ist. Ich fand sie leider nicht so souverän mit einigen Entscheidungen. Und natürlich muss man dann mit Kritik auch entsprechend umgehen können.

Frage: Wie ist Ihre Meinung zu den anderen WM-Teams? Welche Teams und welche Spielerinnen beeindruckten Sie persönlich? Wer waren für Sie die „Heldinnen“ der WM?

Marita Scharf: Japan, Frankreich und Australien haben mich überrascht. Das Kurzpassspiel der Japanerinnen hat mich sehr beeindruckt. Schade fand ich das Ausscheiden von Brasilien. Enttäuscht hat mich Norwegen.

Die stärkste Spielerin für mich in spielerischer Hinsicht ist Marta aus Brasilien. Als Persönlichkeit tut sie sich selbst den geringsten Gefallen mit ihrem Auftreten. Richtig begeistert bin ich außerdem von Abby Wambach aus den USA, Sandrine Soubeyrand, Loisa Necib aus Frankreich sowie Homare Sawa aus Japan und auch Lotta Schelin aus Schweden.

Frage: Wie ist Ihre Meinung zum WM-Niveau insgesamt, zur Organisation und zur WM-Atmosphäre?

Marita Scharf: Für die Entwicklung, die Wahrnehmung des Frauenfußballs im eigenen Land war die WM sehr wichtig. Der Frauenfußball wurde wahrgenommen, auch von Leuten, die sich vorher nie dafür interessiert haben. Die Zuschauerzahlen und Einschaltquoten untersetzen diese Einschätzung.

Der Frauenfußball wird im Gespräch bleiben. Positiv wie leider auch negativ. Positiv des tollen und bis zum Schluss spannenden Turniers, des technisch starken Fußballs. Negativ nicht nur wegen eklatanter Schiedsrichterfehlentscheidungen, dem Dopingfall, dem frühen Aus von Deutschland. Unglücklich fand ich im Vorfeld den Slogan „3. Plätze sind was für Männer“ – damit haben wir uns keinen Gefallen getan.

Frage: Wie beurteilen Sie die Zukunft der DFB-Frauen-Auswahl? Das nächste große internationale Turnier dürfte ja erst die EM 2013 sein …

Marita Scharf: Die Olympiateilnahme  wurde „verspielt“. Das ist bitter als zweimaliger Weltmeister. Eine Umstrukturierung im DFB Team ist notwendig. Eine gute Mischung aus Erfahrenen und jungen aufstrebenden Spielerinnen ist wichtig. Auch ein Umdenken ist erforderlich,  die DFB-Verantwortlichen werden mitbekommen haben, dass sich auch in anderen Ländern der Frauenfußball entwickelt hat.

Frage: „Ein Wort“ zu den Schiedsrichterinnen bei der WM. Mit Bibiana Steinhaus wurde ja zumindest eine Unparteiische aus Deutschland „finalfähig“ …

Marita Scharf: Die Schiedsrichterinnen waren im Gespräch. Zumeist negativ – leider! Ich denke da nur an das Handspiel … An den nicht gerechtfertigten Eckstoß für die Schwedinnen, welcher zum 2:1 im Spiel um Platz 3 führte.
Bibiana Steinhaus mit ihrem Team hat das Finale insgesamt gut geleitet.

Letzte Frage: Der Landesfußballverband M-V hat rund 52.000 Mitglieder, davon sind 3.900 Frauen/Mädchen. Frauen-Fußball-Hochburgen sind hierzulande Schwerin, Neubrandenburg und Rostock. Wird es dank der Frauen-WM 2011 hier einen weiteren Schub geben?

Marita Scharf: Es hat sich in den letzten zwei Jahren schon merklich was entwickelt, was nicht zuletzt auch auf die WM zurückzuführen ist. Mit dem Wettbewerb „Team 2011“ wurden Mädchenfußball-AG`s gegründet, fanden in allen Kreisfußballverbänden/Fußballverbänden des Landes der „Tag des Mädchenfußballs“ statt.

In diesem Jahr werden wir möglicherweise erstmals einen Spielbetrieb (nicht nur Turnierform) bei den D-Juniorinnen auf Landesebene haben. Für den Frauenbereich wünsche ich mir, das es Neubrandenburg, Rostock oder Schwerin gelingen möge in die Regionalliga aufzusteigen. Diese Vereine haben den besten „Unterbau“ also entsprechende Nachwuchsmannschaften. Ansonsten hoffe ich, dass auch ein Umdenken bei einigen Funktionären einsetzt, denn an den Frauen-und Mädchenfußball kann man nicht mehr vorbei! Das WM-Finale war beste Werbung!!!!

Dann maximale Erfolge für den Mädchen- und Frauen-Fußball hierzulande!

Marko Michels

Infos zur Frauen-Fußball-WM 2011

Finale: Japan – USA 2:2 n.V. / 3:1 n.E.
Spiel um Platz drei: Schweden – Frankreich 2:1 n.V.

– Beste Torjägerinnen: Homare Sawa (Japan) 5 Tore / Marta (Brasilien)  4 Tore / Lisa Dahlkvist (Schweden) / Abby Wambach (USA) je 3 Tore
– Beste Spielerinnen des Turniers: Homare Sawa (Japan) – Goldener Ball, Abby WAmbach (USA) – Silberner Ball, Hope Solo (USA) – Bronzener Ball
– Beste Torhüterin: Hope Solo (USA)
– Jüngste Spielerin: Christelle (Äquatorial-Guinea) – 16 Jahre
– Älteste Spielerin: Jenny Bindon (Neuseeland) – 38 Jahre
– Beste Schiedsrichterin: Bibiana Steinhaus (Deutschland) – leitete das Endspiel am 17.Juli
– Tore: 82 / 2,56 Tore pro Spiel
– Zuschauer: 845711
– Gelbe Karten: 62
– Rote Karten: 3
– FIFA-Fair-Play-Award: Japan
– FIFA-Preis für die beste Nachwuchsspielerin: Caitlin Foord (Australien)

Finals der bisherigen offiziellen WM-Turniere der Frauen

1991 in China – USA vs. Norwegen 2:1 / 3.Schweden, 4.Deutschland
1995 in Schweden – Norwegen vs. Deutschland 2:0 / 3.USA,  4.China
1999 in den USA – USA vs. China 5:4 n.E. / 3.Brasilien, 4.Norwegen
2003 in den USA – Deutschland vs. Schweden 2:1 nach Golden Goal / 3.USA, 4.Kanada
2007 in China – Deutschland vs. Brasilien 2:0 / 3.USA, 4.Norwegen
2011 in Deutschland – USA vs. Japan 2:2 n.V., 3:1 n.E. / 3.Schweden, 4.Frankreich

Finals/Ergebnisse bisheriger inoffizieller Weltturniere für Frauen

1970 in Italien – Dänemark vs. Italien 2:0
1971 in Mexiko – Mexiko vs. Dänemark 0:3
1981 in Taiwan – 1.Deutschland (SSG Bergisch-Gladbach) 2.Neuseeland 3.Taiwan
1984 in Taiwan – 1.Deutschland (SSG Bergisch-Gladbach) 2.Taiwan 3.Neuseeland
1987 in Taiwan – 1.Taiwan 2.USA 3.Deutschland (SSG Bergisch-Gladbach)
1988 in China (FIFA-Test-WM) – Norwegen vs. Schweden 1:0

Olympische Turniere / Finals

1996 in Atlanta: USA vs. China 2:1 / 3.Norwegen, 4.Brasilien
2000 in Sydney: Norwegen vs. USA 3:2 n.V. / 3.Deutschland, 4.Brasilien
2004 in Athen: USA vs. Brasilien 2:1 n.V. / 3.Deutschland, 4.Schweden
2008 in Peking: USA vs. Brasilien 1:0 n.V. / 3.Deutschland, 4.Japa