Gesundheit und Altern

Rostocker Forscher definieren Gesundheit und Altern neu

Dr. Ludger Jansen, Doktorand Petter Sandstad und Professor Georg Fuellen (v.l.) verständigen sich über das Forschungsprojekt (Copyright: Universität Rostock / Julia Tetzke)

Kann die moderne Wissenschaft von Philosophie profitieren? „Auf jeden Fall“, unterstreicht Privatdozent Dr. Ludger Jansen vom Institut für Philosophie der Universität Rostock. Denn das Nachdenken über die Grundlagen der Wissenschaft gehört seit jeher zur Aufgabe der Philosophen.

In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Projekt greift die Arbeitsgruppe von Dr. Jansen auf alte Ideen zurück: „Vor über 2400 Jahren hat der Philosoph Aristoteles Grundbegriffe für die Beschreibung der Welt entwickelt, die uns heute noch helfen, die moderne Wissenschaft und ihre Theorien besser zu verstehen“, erläutert Jansen.

Ihm geht es dabei um die Frage, wie der Verweis auf etwas Abstraktes wie den Menschen im Allgemeinen zur Erklärung von konkreten Einzeldingen, wie der Gesundheit des Einzelnen, beitragen kann. In regelmäßigen interdisziplinären Fachgesprächen diskutiert die Arbeitsgruppe von Dr. Jansen in Rostock unter anderem mit dem Bioinformatiker Professor Georg Fuellen über die Übertragbarkeit der antiken Erkenntnisse auf die heutige Wissenschaft.

Denn im Austausch mit anderen Fächern, so die Überzeugung der beteiligten Wissenschaftler, können philosophische Analysen zur Lösung aktueller naturwissenschaftlicher Probleme beitragen.

Gemeinsam mit Georg Fuellen, der das Institut für Biostatistik und Informatik in Medizin und Alternsforschung der Unimedizin Rostock leitet, hat Dr. Jansen einen Rahmen für eine vereinheitlichte Definition von Gesundheit und Altern entwickelt, der auch die experimentelle Messung dieser biologischen Phänomene berücksichtigt.

Ein klarer Fall, in dem die Philosophie der Biowissenschaft helfen kann. Denn trotz zunehmender Forschungsanstrengungen bestehe noch kein Konsens über die Definition von Altern oder Gesundheit. Um die zugrundeliegenden Prozesse zu verstehen und die Entwicklung gezielter Maßnahmen zur Steigerung der Gesundheit zu fördern, müsse aber dringend eine allgemein akzeptable und wissenschaftlich brauchbare Definition von Gesundheit und Altern gefunden werden.

Dann könnten Gesundheitsmerkmale fundierter gemessen werden, so dass sich daraus, so die Hoffnung, gezieltere Vorschläge für Ernährung und Bewegung ableiten lassen.

In dem Rostocker Forschungs-Projekt geht es um die grundsätzliche Frage: Was ist Altern? Altersforscher reden gern davon, dass sie den Menschen eine lange „Gesundheits-Spanne“ verschaffen wollen. „Aber wie kann man das definieren?“, fragt Dr. Jansen. „Wir haben versucht, die Begriffe Gesundheit, Biologisches Alter und Biomarker der Alterung zu klären.“ Dabei gab es etliche Herausforderungen zu meistern.

Vieles verändert sich im Körper graduell – aber ab wann gilt ein solcher Messwert als ungesund? „Wir müssen eine Grenze ziehen“, sagt Dr. Jansen, „aber wie vermeidet man, dass diese willkürlich ist?“ Die Rostocker Forscher plädieren dafür, sich dabei an Durchschnittswerten zu orientieren. „Auch wenn die Ermittlung und Interpretation dieser Werte keine leichte Aufgabe ist, werden so willkürliche Grenzen vermieden“, betonen Jansen und Fuellen unisono.

Zudem gebe es im menschlichen Körper sehr viele Facetten, die zum Gesundsein beitragen und durch Altern beeinträchtigt werden können. Deshalb definieren Jansen und Fuellen Altern als Aggregat aller Prozesse in einem Individuum, die sein Wohlbefinden verringern. Die Arbeit der Rostocker Forscher soll es erlauben, verschiedene Messverfahren für Gesundheit und die daraus gewonnenen Daten zusammenzubringen.

„Im Bereich der Gesundheits- und Alternsforschung fehlt ein Instrument zur Datenintegration, etwa durch die Nutzung ontologisch unterstützter Wissensrepräsentation“, unterstreicht Professor Fuellen. Und er bestätigt: „Philosophen können beim klaren Denken und beim exakten Benennen von Phänomenen und Zusammenhängen sehr hilfreich sein.“

Eine zweite Herausforderung ist, dass die vielen Facetten der Gesundheit nicht für alle Betroffenen gleich wichtig sind. Ludger Jansen illustriert dies an Beispielen aus dem Leben. „Man kann sich vorstellen, dass für einen Pianisten andere Dinge wichtig sind als für einen Tischler“, sagt Jansen. Auch für diese subjektiven Wertunterschiede soll der vereinheitlichte Blick auf das Altern offen sein, um häufige Begriffsverwirrungen aufzulösen. Denn dann könnte man berücksichtigen, welche Vorstellungen von einem guten Alter die Menschen denn haben, deren Leben verbessert werden soll.

Eine dritte Herausforderung ist, dass die biomedizinische Forschung nicht nur an Menschen stattfindet, sondern auch an diversen Modellorganismen, beispielsweise an Mäusen oder Fadenwürmern. Die Definitionen von Gesundheit und Altern sollten daher auch auf unterschiedliche biologische Arten anwendbar sein. Erst dann könne die ganze Fülle der experimentellen Daten zusammengeführt und Merkmale des Gesundheitszustandes optimal verknüpft werden, um das künftige Wohlbefinden besser vorherzusagen, als man es aufgrund des chronologischen Alters könnte.

Pressemitteilung der Universität Rostock / Text: Wolfgang Thiel