Die Nordic Yards Werften in Wismar und Warnemünde – zwischen Hoffnung und Skepsis

Interview mit Rüdiger Klein von der IG Metall

Impressionen von den Werft-Standorten und von der Demonstration Mitte März 2010 in Schwerin.„Segel setzen“ für die Zukunft. Das war Mitte März „Programm“ auf dem Alten Garten vor dem Schweriner Schloss, dem Sitz der Landesregierung. Rund 1200 Werftarbeiterinnen und Werftarbeiter der beiden Nordic Yards-Werften in Wismar und in Rostock-Warnemünde machten bei einer Kundgebung für den Erhalt der Werften noch einmal eindringlich auf die prekäre Situation eines der traditionsreichsten und erfolgreichsten Wirtschaftszweiges in Mecklenburg aufmerksam und forderten eine Verlängerung der Dauer der Auffanggesellschaften bis Ende Juli.

Impressionen von den Werft-Standorten und von der Demonstration Mitte März 2010 in Schwerin.Rüdiger Klein von der IG Metall forderte bei seiner Rede an die Adresse der Landesregierung, speziell an die ebenfalls anwesenden Politiker, darunter Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) und Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU) nicht nur einen verbalen, sondern auch realen Schulterschluss. Ein wichtiger Schritt sei daher für ihn die Verlängerung der Dauer der Auffanggesellschaft bis 31.Juli. Die ersten Gespräche am Runden Tisch am 9.März in der Staatskanzlei mit Vertretern der IG Metall, darunter den früheren Betriebsräten Harald Ruschel (Warnemünde) und Ines Scheel (Wismar), der Landesregierung, des entsprechenden Fachministeriums weitere Bewegung und des Eigners Witali Jussufow, brachten erste Fortschritte und Bewegung in die bislang verhärteten Positionen auf beiden Seiten.

Impressionen von den Werft-Standorten und von der Demonstration Mitte März 2010 in Schwerin.So schließ die Landesregierung eine Verlängerung der Dauer der Auffanggesellschaft nicht aus, zumal eine feste Schiffsbestellung im Wert von 100 Millionen Euro vorliegt. Es handelt sich hierbei um einen Eisbrecher für einen russischen Konzern. Zudem sind weitere Schiffsbestellungen in Aussicht.

Ein „Knackpunkt“ in dieser Hinsicht ist für die Landesregierung deren Finanzierung. Allerdings werden Bürgschaften des Landes nicht ausgeschlossen.
Rüdiger Klein von der IG Metall Rostock-Schwerin forderte deshalb, angesichts der exorbitanten Finanzhilfe für selbst verschuldet in Nöte geratene Geldinstitute, nun auch „das Herz und die Lunge der Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern“, die Werft-Industrie und deren Zulieferbetriebe, nicht zu vergessen.

Impressionen von den Werft-Standorten und von der Demonstration Mitte März 2010 in Schwerin.Am 24.März will die Landesregierung ihre Entscheidung hinsichtlich der Verlängerung der Dauer der Auffanggesellschaft bekanntgeben. „Bewegt sich die Landesregierung nicht, werden sich die Werftarbeiter, die Arbeiter der maritimen Zulieferbetriebe und deren gewerkschaftliche Interessenvertretung selbst noch deutlicher bewegen !“, kündigte Rüdiger Klein an. Mahnwachen, weitere Demonstrationen und Kundgebungen mit den betroffenen Arbeitnehmern werden dann vor dem Schloss und der Staatskanzlei in Schwerin an der Tagesordnung sein.

Nachgefragt beim Gewerkschaftssekretär Rüdiger Klein von der IG Metall Schwerin-Rostock

Frage: Noch immer bleibt die Verlängerung der Dauer der Auffanggesellschaft offen. Die Landesregierung will Ihre Entscheidung erst am 24.März mitteilen. Wie ist da Ihre Meinung ?

Impressionen von den Werft-Standorten und von der Demonstration Mitte März 2010 in Schwerin.Rüdiger Klein: Wir haben ja schon seit Wochen Gespräche mit allen Beteiligten an einem „Runden Tisch“ angeboten. Erst am 9.März gab es die ersten Gespräche in der Staatskanzlei. Viele Kolleginnen und Kollegen sind seit Monaten in einer persönlichen wie beruflichen Ausnahmesituation. Ständig werden sie – über die Medien, aber auch über die Politik – mit widersprüchlichen Meldungen zur Zukunft der Werften konfrontiert. Das geht an die Substanz und führt zur Hoffnungslosigkeit, wenn hier nicht schnell Abhilfe geschaffen wird. Fast 2700 Arbeitnehmer hatten die früheren Wadan-Werften in Rostock-Warnemünde und in Wismar, verbunden mit 260 maritimen Zulieferbetrieben mit ebenfalls zahlreichen Angestellten, die von der Auftragslage der Werften lebten. Wird den Werften Impressionen von den Werft-Standorten und von der Demonstration Mitte März 2010 in Schwerin.keine weitere Hilfe in Aussicht gestellt, drohen menschliche Katastrophen. Das ist keine Übertreibung, sondern Realität. Ich hoffe daher sehr, dass unser Landesvater, Ministerpräsident Erwin Sellering, und unser Wirtschaftsminister Jürgen Seidel den Werftarbeiterinnen und Wertarbeitern weiterhin helfen. Inzwischen gibt es eine ersten Auftrag für einen Schiffsneubau. Weitere Aufträge sind nach Auskunft des Eigners Witali Yussufow möglich. Jetzt eine Entscheidung gegen die Verlängerung zu treffen, wäre ökonomisch wie menschlich nicht nachzuvollziehen.

Frage: Sie sprachen persönliche Schicksale an …

Impressionen von den Werft-Standorten und von der Demonstration Mitte März 2010 in Schwerin.Rüdiger Klein: Ja, da gibt es einige, sehr bewegende. Den allein erziehenden Vater, dessen Frau starb, und nun um seine Existenz und die seiner Kinder kämpfen muß. Da gibt es die allein erziehenden Mütter, die bisher hart in der Werften schufteten, sich eine Lebensgrundlage schufen und nun mit ansehen müssen, wie alles, was sie bisher erreichten, keine Zukunft hat. Es gibt viele reifere Arbeitnehmer, hervorragend qualifiziert, die mit viel Engagement und Herzblut auf den Werften in Warnemünde oder in Wismar arbeiteten und denen nun, mit Ende 50 oder Anfang 60, gesagt wird: „Tut uns leid, Du wirst nicht mehr gebraucht.“. Diese fleißigen Werftarbeiter werden abgeschoben, ohne dass sie eine Perspektive haben. Auch die Angestellten der Zulieferbetriebe möchte ich nicht vergessen, auch deren Schicksale sind berührend. Viele junge Werftarbeiter haben sich – in der Hofnung auf einen guten und sicheren Arbeitsplatz – ein kleines Haus gebaut, viele in Eigen-Regie, Impressionen von den Werft-Standorten und von der Demonstration Mitte März 2010 in Schwerin.haben Kredite aufgenommen, Familien gegründet – und nun heißt es plötzlich: „Es ist Schluß ?!“. Wo bleibt nun die praktische Umsetzung des Geredes vom „Familien- oder Kinderland M-V“. Die Kinder, deren Mütter oder Väter auf den Werften schufteten, sind doch die ersten Betroffenen. Am Ende stehen die Eltern mit Schulden da. Sie haben an die Versprechen der Politik und der Eigentümer geglaubt. Vertrauen in das gesprochene Wort, wenn das nicht mehr gilt, was dann ?!
„MV tut gut!“, so heißt der offizielle Werbe-Slogan. Gilt das nur für die Touristen, die unser attraktives Bundesland besuchen wollen, oder auch für die Menschen, die dort dauerhaft leben wollen …

Frage:
Wie beurteilen Sie die Hilfen, die bisher geleistet wurden ?

Impressionen von den Werft-Standorten und von der Demonstration Mitte März 2010 in Schwerin.Rüdiger Klein: Ich freue mich, dass sich die Landesregierung von M-V bislang hinter die Werftstandorte in Rostock-Warnemünde und in Wismar stellte. Doch sie muß dieses weiter tun, das heißt für mich, dass eine Verlängerung der Auffanggesellschaften angestrebt wird. Ohne Wenn und Aber. Jeder Monat zählt. Auch wenn nicht alle bisherigen Werftarbeiterinnen und Werftarbeiter in Wismar und in Rostock-Warnemünde arbeiten können, so bleibt ihnen zumindest mehr Zeit, um sich neuen Möglichkeiten zuzuwenden, sich beruflich neu zu orientieren. Diese leistungsbereiten Arbeitnehmer jetzt in die Arbeitslosigkeit zu entsenden, kann und darf keine Alternative sein.

Frage: Gibt es aber schon weitere Hilfsangebote ?

20Impressionen von den Werft-Standorten und von der Demonstration Mitte März 2010 in Schwerin.Rüdiger Klein: Die IG Metall stand ohne Einschränkung von Anfang an auf der Seite der Werftarbeiterinnen und Werftarbeiter. Sie hat sich stets – und das ist kein Eigen-Lob – aufopferungsvoll für die Werftstandorte in Warnemünde und in Wismar eingesetzt und wird dies weiter tun. Auch der gemeinnützige Verein „dau wat e.V.“ ist für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Werften und der maritimen Zulieferbetriebe ein wichtiger Ansprechpartner. Dessen Mitarbeiter zeigen sich gegenüber den Zielen der Werftarbeiterinnen und Werftarbeiter solidarisch. Dort gibt es auch Möglichkeiten, sich in Bewerbungsfragen helfen zu lassen, PC-Schulungsangebote anzunehmen oder persönliche Gespräche zu führen.
Was mich persönlich bewegt, ist jedoch die Tatsache, dass die Bevölkerung an den Standorten ebenfalls hinter den Werftarbeiterinnen und Werftarbeitern steht.
Impressionen von den Werft-Standorten und von der Demonstration Mitte März 2010 in Schwerin.
Frage: Wird es weitere Aktionen, wie die Demonstration am 9.März in Schwerin, geben ?

Impressionen von den Werft-Standorten und von der Demonstration Mitte März 2010 in Schwerin.Rüdiger Klein:
Wir werden nicht untätig bis zum 24.März dasitzen. Sollte es keine positiven Entscheidungen der Landesregierung – hinsichtlich Verlängerung der Dauer der Auffanggesellschaften oder möglicher Bürgschaften – geben und das unsichere Schicksal der Werftarbeiterinnen und Werftarbeiter sowie deren Familien billigend in Kauf genommen werden, so werden auch weiterhin „Segel“ vor dem Schweriner Schloss und der Staatskanzlei „gesetzt“. Dann weht unseren Landespolitikern bald ein noch rauerer Wind entgegen, denn die Werftarbeiterinnen und Werftarbeiter werden mit viel Engagement um ihre Existenz und die der Werften einstehen und kämpfen. Das sind sie sich und dem Wirtschaftsstandort Mecklenburg-Vorpommern ganz einfach schuldig !

Viel Erfolg für den Erhalt der beiden Werft-Standorte !

Fotos: Impressionen von den Werft-Standorten und von der Demonstration Mitte März 2010 in Schwerin. Michels