Arbeit am Wochenende

Gelingende Work-Life-Balance trotz Freizeitarbeit

Dr. Oliver Weigelt erklärt, warum uns Unerledigtes auch nach der Arbeit nicht loslässt. (Foto: Universität Rostock / Julia Tetzke).

Termindruck, ständige Erreichbarkeit, Multitasking. Immer mehr Menschen leiden unter dem Druck der modernen, zunehmend von Technologie geprägten, Arbeitswelt. Viele können am Feierabend nicht abschalten, ihnen fällt es immer schwerer, Job und Freizeit zu trennen. Doch wann beeinträchtigt beispielsweise Arbeit am Wochenende die Work-Life-Balance?

„Arbeit in der Freizeit kann unter bestimmten Umständen förderlich für die Erholung sein“,  hat ein Psychologenteam in einer dreimonatigen Tagebuchstudie herausgefunden. „Erholung und Arbeit am Wochenende schließen sich keinesfalls aus und können mit einer gelungenen Work-Life-Balance vereinbar sein“ erklärt Dr. Oliver Weigelt vom Lehrstuhl Organisations- und Personalpsychologe von der Universität Rostock. Der 37-jährige gebürtige Vogtländer, der an der Technischen Universität Chemnitz Psychologie studierte und an der Fernuni Hagen seine Doktorarbeit zum Thema Mitarbeiterbindung schrieb, ist Hauptautor der Studie.

„Ähnlich wie Muskeln sich nach dem Training erholen müssen, braucht auch der Mensch in der modernen Arbeitswelt hin und wieder eine Pause“, verweist der Forscher auf grundlegende Erkenntnisse aus der Erholungsforschung. Man lässt Unerledigtes nur sehr ungern liegen und hat heutzutage mehr denn je Gelegenheit, auch von zu Hause aus weiter daran zu arbeiten. Im Zuge der Digitalisierung ist es inzwischen in vielen Berufen zweitrangig, wo unerledigte Arbeiten ausgeführt würden, zu Hause oder im Unternehmen. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld, indem sich sowohl Nachteile als auch Vorteile für Berufstätige ergeben können. Deshalb untersuchten die Psychologen, wie sich die Beschäftigung mit unerledigten Aufgaben am Wochenende auf die Erholung von der Arbeit auswirkt.

Das Ergebnis: „Je mehr unerledigte Aufgaben sich am Freitag aufgetürmt haben, umso schlechter können Arbeitnehmer am Wochenende abschalten und Erholung tanken, weil sie in Gedanken noch bei der Arbeit sind. Gleichzeitig führen unerledigte Aufgaben auch zu mehr Arbeit in der Freizeit“, sagt Oliver Weigelt. Das Psychologenteam ließ 83 Berufstätige zwischen 21 und 65 Jahren aus unterschiedlichen Branchen über drei Monate hinweg jeden Freitag und Montag Tagebuch führen. Die Befragten notierten ihre unerledigten Aufgaben am Ende der Arbeitswoche. Montags sollten sie angeben, ob sie im Verlauf des Wochenendes in ihrer Freizeit gearbeitet haben und wie sie sich erholen konnten. Diejenigen, die gearbeitet hatten, berichteten außerdem ihre Gründe für die Arbeit und inwieweit sie durch die Arbeit in der Freizeit vorangekommen seien, also zum Beispiel unerledigte Aufgaben abschließen konnten. Das Forscherteam erfasste zusätzlich vier Aspekte des Erholungserlebens: Abschalten von der Arbeit, Entspannung, erlebte Autonomie und Bewältigungserfahrungen.

Fortschritt bei der Arbeit an unerledigten Aufgaben ist entscheidend. „Wenn Arbeit in der Freizeit zur Zufriedenheit führt, können sich die Betroffenen am Rest ihres Wochenendes besser entspannen“, sagt Weigelt.

Aus der psychologischen Forschung ist bekannt, dass Menschen einmal begonnene Arbeitsaufgaben nur ungern unerledigt lassen und sogar persönliche Nachteile in Kauf nehmen, um die Aufgaben abschließen zu können. Tatsächlich zeigte sich auch in dieser Studie, dass ein Teil der Berufstätigen am Wochenende arbeitete, um Arbeitsaufgaben abzuschließen oder sich auf die kommende Arbeitswoche vorzubereiten.  „Auf den ersten Blick ist Arbeit in der Freizeit damit eigentlich nicht zu empfehlen. Wenn man aber berücksichtigt, dass Freizeitarbeit auch Chancen bietet, Unerledigtes abzuschließen und dadurch die innere Ruhe am Wochenende wiederzugewinnen, dann ergibt sich ein weitaus positiveres Bild“, sagt Weigelt. Er wolle allerdings kein Plädoyer dafür halten, dass die Menschen am Wochenende arbeiten sollten. „Unerledigtes erschwert das gedankliche Abschalten von der Arbeit in der Freizeit und regt zum Weiterarbeiten an“, betont Oliver Weigelt. „Gelingt es in der Freizeit aber, mit den unerledigten Aufgaben voranzukommen, kann man die verbleibende Freizeit umso mehr genießen.“

Die Ergebnisse der Studie wurden in einer Sonderausgabe des „International Journal of Environmental Research and Public Health” zum Thema Stress und Gesundheit veröffentlicht.

Pressemitteilung, Universität Rostock, Wolfgang Thiel