Tagung in Wismar mit der Sozialministerin: Hilfe für die Schwächsten …

Manuela Schwesig: Kostenloser Bildungsweg ist eine Chance, der Armut zu entfliehen …

In Wismar fand am 21.März 2009 im Zeughaus eine Tagung zur Thematik „Hilfe für die Schwächsten – Was kann eine sozialraumorientierte Familienpolitik leisten?“ statt.

Der Veranstalter, das Landesbüro M-V der Friedrich-Ebert-Stiftung, stellte dazu in einem Vorwort zu dieser Veranstaltung fest:

„Viel ist in Mecklenburg-Vorpommern über den `Geburtenknick` nach 1990 geredet worden und wie man es schaffen könnte, die Zahl der Geburten wieder zu erhöhen.

Doch da in Mecklenburg-Vorpommern rund ein Drittel der Kinder in `Hartz IV`-Familien leben, stellen sich viel wichtigere Fragen:

– Wie können wir es verhindern, dass Armut zu einer Falle wird, aus der es kein Herauskommen gibt?

– Wie schaffen wir es, auch den Schwächsten gute Startchancen für ihr Leben zu geben?

Hierbei geht es um Gerechtigkeit, aber auch um die Zukunft unseres Landes …“

Inzwischen forderte auch MV-Justizministerin Uta-Maria Kuder angesichts der prekären Lage vieler Heranwachsender bereits einen Kinderrechtsbeauftragten.

Vor dem Hintergrund dieser Fakten referierten und diskutierten Ulrike Meyer-Timpe, Autorin und ZEIT-Redakteurin aus Hamburg, Manuela Schwesig, Sozialministerin des Landes M-V, Thomas Beyer, Senator und erster stellvertretender Bürgermeister der Hansestadt Wismar, und Stephan Bliemel, Mitglied des Landesvorstandes der SPD auf der Tagung.

Gute Worte, bald gute Taten ?!

Aber, wie so oft auf derartigen Veranstaltungen, die Reden waren positiv und jede Anwesende und jeder Anwesende hätte zu den meisten Ausführungen nur den Kopf nicken können. Ja, Kinder brauchen Zuwendung, bessere Bildung und Bildungschancen, mehr Freizeitangebote und Betreuung. Das alles kostet Geld, von dem es in diesem Land – siehe plötzliche Milliardenhilfen für mehr oder minder marode Unternehmen als Folge der globalen, selbst verschuldeten Finanz- bzw. Wirtschaftskrise – eigentlich genügend gibt.

Doch: Wo ist Manuela Schwesig, die engagierte ehemalige Kommunalpolitikerin aus Schwerin und seit Oktober 2008 Sozialministerin des Landes. „Kindergärten besuchen, bei Sozialeinrichtungen gute Miene machen und große Reden schwingen – das allein reicht nicht.“, meinen einige Zeitgenossen. „Nun wartet erst mal ab. Die wird schon `frischen Wind` in die verstaubte Schweriner Landesverwaltung bringen. Bestimmt wird das Soziale wieder mehr im Vordergrund stehen !“, argumentieren nicht nur ihre Parteifreunde.

Wie sieht die bisherige sechsmonatige Amtszeit der politischen Hoffnungsträgerin aber nun wirklich aus? Einerseits wurde das Landesblindengeld gekürzt, die Novelle zum Kita-Gesetz noch nicht eingebracht, wirklich schlüssige Konzepte gegen drohenden Ärztemangel noch nicht vorgelegt. Andererseits kam es zu finanziellen Entlastungen für Eltern im Hinblick auf die Kinderbetreuung (960 Euro Minderaufwand für das letzte Kindergartenjahr), Wettbewerbe zu mehr Familienfreundlichkeit wurden initiiert, es kam zur Stärkung des Kinderschutzes (Stichwort „Medizinische Vorsorgeuntersuchungen“) und ein Familien-Konvent wird vorbereitet. Alles gute Ideen, denen wohl jeder zustimmen wird.

Jedoch: Werden diese angedachten Maßnahmen nachhaltig sein? Können Sie den Praxistest bestehen, für mehr Kinder-Reichtum im doppelten Sinne sorgen? Zweifel sind diesbezüglich angebracht.

1998 startetete Rot-Grün mit dem Anspruch, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Inzwischen weiß man, dass gerade unter den Regierungen Schröder-Fischer die sozialen Ungerechtigkeiten zunahmen.
In Deutschland, und es ist da trauriger Spitzenreiter unter den hoch entwickelten Wirtschaftsnationen auf der Welt, gilt leider: Wer aus armen bzw. nicht gut betuchten Verhältnissen kommt, schafft es nur selten, diesen „Makel“ zu beseitigen.

Oftmals gilt die Devise „Wer arm ist, bleibt arm!“. Kinder leiden unter der zunehmenden Armut hierzulande .besonders. Zwar muß (fast) niemand verhungern, aber einige – und nicht zu wenige – hungern.

Hartz IV galt als „Zauberwort“, als „gute Maßnahme“, um schwer vermittelbare Arbeitnehmer, gering Qualifizierte und sonstige Erwerbslose in eine sinnvolle Beschäftigung zu vermitteln. Gut gedacht, schlecht gemacht.

Die Journalistin Ulrike Meyer-Timpe bewies mit ihrem Buch „Unsere armen Kinder. Wie Deutschland seine Zukunft verspielt.“, welches sie aktuell in Wismar vorstellte, dass Kinder in Deutschland keine wirkliche Lobby haben und dass es in Deutschland um „die Zukunftsinvestition“ Kind schlecht bestellt ist. Gute Argumente, gute Recherchen, gute Beschreibung.

So weit, so gut. Nur: Arme Kinder kommen auch aus armen Familien. Die Gründe hierfür mögen objektiv, subjektiv sein, aber das beste Förderprogramm für Kinder ist zweifellos, dass beide Elternteile, sofern sie es möchten, eine sinnvolle Tätigkeit, eine entsprechend gut bezahlte zudem, auf dem Arbeitsmarkt erhalten.

Dass die Mütter und Väter dem Staat nicht um „Almosen“ anflehen müssen, dass sie mehr „Netto vom Brutto“ haben, dass ihre Arbeit anständig bezahlt wird und dass der Staat sein Geld nicht in irgendwelche Verwaltungsapparate pumpt, irgendwelche Großunternehmen fördert und irgendwelche fragwürdigen Projekte dies- und jenseits deutscher Grenzen unterstützt.

Dass endlich aufgehört wird, Teile von Bevölkerungsgruppen zu unterstützen – nach den Devisen „Alte gegen Junge“, „Unternehmer gegen Arbeitnehmer“, „Arbeitnehmer gegen Arbeitslose“, „Arbeitslose gegen Ausländer“, usw., usw..

Wer setzt sich wirklich für Migranten ein? Wer für die Opfer nationalsozialistischer und kommunistischer Diktatur?  Wer für heutige Rentner, die aufgrund ihrer Oppositionshaltung in der „DDR“ und den dort für sie verbauten Lebenswegen nur eine karge Rente erhalten?  Wer setzt sich außerdem für gesundheitlich Beeinträchtigte ein, die Opfer von vorsätzlichen und fahrlässigen medizinischen Behandlungen wurden? Wer engagiert sich für junge allein stehende Mütter oder Väter, deren Lebenspartner, beispielsweise,  verstorben ist?

Ja, gemeinnützige und soziale Einrichtungen, oftmals mit Pseudo-Ehrenamtlern, gibt es in Deutschland „wie Sand am Meer“. Vielfach Selbstzweck für die dort Tätigen, darf man auf Hilfe und Unterstützung von diesen kaum hoffen.

Kinder sind in Deutschland oftmals arm, weil – wie angesprichen – ihre Eltern arm sind. Ein Job, zwei Jobs reichen heute in „Germanien“ nicht, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen und nicht zuletzt für eine gesellschaftliche Teilhabe. Es gibt genügend Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die darauf angewiesen sind, mehrere Jobs auszuüben.

Ist der ursprüngliche Sozialstaatsgedanke „Echte Hilfe für die wirklich Hilfesuchenden“ am Ende?!

Es bleibt nur die Hoffnung auf junge, „unverbrauchte“ Politikerinnen und Politiker a la Manuela Schwesig, Uta-Maria Kuder, Ilse Aigner oder Ursula von der Leyen – ohne den politischen Stallgeruch, gemocht wegen ihrer Authentizität und Kompetenz und ihrer Bodenständigkeit. Allerdings liegt hier die Annahme zugrunde, dass Worte und Taten wirklich eine Einheit bilden werden.

Kinder sind nun einmal unsere Zukunft…

Eine deutliche Klarstellung auf die negative gesellschaftliche Entwicklung – gerade hinsichtlich der Zunahme von Kinder-Armut – in Deutschland, beinhaltete die Rede von Sozialministerin Manuela Schwesig nun in Wismar. Es gab dazu ergänzende Äußerungen von Wismars Senator Thomas Beyer …

So erhielt die Autorin Ulrike Meyer-Timpe, die auch auf die unzureichende Frühförderung von Kindern aus sozial schwachen Familien hinwies, viel Zustimmung bei der Sozialministerin: „Ich finde die Hinweise, die Sie aus Ihrem Buch wiedergegeben haben, wichtig.

Auch ihre Kritik an der Politik ist richtig. Da möchte ich nicht, da ich selbst in Verantwortung stehe, irgendetwas `schön reden`. Ich stimme ihnen, Frau Meyer-Timpe, zu – und da unterscheide ich mich von der Bundesfamilienministerin – dass wir Familien und junge Paare – die gerne Kinder wollen, aber aus Existenzängsten und aufgrund eines unterschwelligen familienunfreundlichen Klimas im Land, sich bisher nicht für die Erfüllung des Kinderwunsches entschieden haben – ermutigen, Kinder in die `Welt zu setzen`.

Und: Ich bin froh, dass ebenfalls die Familienpolitik nunmehr wieder in den Fokus rückt. Aber, ich sehe es genau so wie Sie, dass wir uns zunächst um die Kinder kümmern müssen, die da sind und denen helfen, die sich bereits für Kinder entschieden haben. Vor diesem Hintergrund steht eben die große Überschrift `Mehr Chancengleichheit für Kinder, mehr Teilhabe für  a l l e Kinder !`. Alle Kinder müssen die Möglichkeit zu umfassender Bildung haben, denn das ist die Aufstiegschance aus der Armut. Alle Kinder müssen außerdem Zugang zu Kultur und Sport haben, sich gesund ernähren können.

Ich bin der festen Überzeugung, dass sich für Kinder aus sozial schwachen Familien eine Aufstiegschance, die Chance die Armut hinter sich zu lassen, in einem kostenlosen Bildungsweg von der Kita über die Ganztagsschule mit guten Freizeitangeboten bis hin einschließlich zur Ausbildung oder zum Studium gewährleistet sein muß. Das ist meine Auffassung, die ich vertrete, und wo ich sagen kann: `Dahin muß die Reise gehen!`“.

Einen Schwerpunkt sollten unbedingt frühe Hilfen für die Familien bilden, um sie rechtzeitig für die Erziehung ihrer Kinder stark zu machen und nicht erst dann, wenn es zu spät ist. Deswegen bin ich der Autorin Ulrike Meyer-Timpe sehr dankbar, dass sie diesbezüglich – wenn entsprechende Hilfen ausbleiben –  negative Beispiele in ihrem Buch darstellte.

Es ist daher nicht hinnehmbar, dass noch immer Schüler ohne Abschluss die Schule verlassen – in unserem Land allein im Durchschnitt 10 Prozent jährlich. Viele davon werden auch nie einen Abschluss erlangen und damit sind sie auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt kaum vermittelbar. Hier muß man frühzeitiger gegensteuern. Für mich als Sozialministerin ist es oberstes Gebot, dass die Menschen Arbeit haben, von der sie gut leben können. Noch immer gibt es Arbeitsplätze in diesem Land, die so schlecht entlohnt sind, dass Eltern kaum ihre Kinder versorgen können.

Es ist für mich eine Katastrophe, dass wir – Stichwort Mindestlohn – hierzulande noch nicht weiter sind. Die Bekämpfung von Kinderarmut geht für mich einher mit der Schaffung von  mehr Chancengleichheit für Kinder. Kinder aus sozial schwachen Familien brauchen eine Chance, der Armut zu entkommen. Ein ganz schwerer Kampf war auch die Erhöhung des Hartz IV-Regelsatzes für Kinder.

Ich erinnere mich noch gut an meine erste Sozialministerkonferenz und ich kritisch einstieg: `Ich verstehe es ganz einfach nicht, dass in diesem Punkt nichts passiert.`Ich bin daher froh, dass im Rahmen des Konjunkturpaketes der Regelsatz für die Sechs- bis Dreizehnjährigen erhöht wird. Des Weiteren bin ich erleichtert, dass das Schulstarterpaket bis zum Abitur erweitert und der Kinderbonus durchgesetzt wurde. Es muß wirklich um jeden Euro gekämpft werden , denn Begehrlichkeiten im Bund wie im Land gibt es allerorten. Ich werde jedenfalls mit Leidenschaft und Power gegen die Kinder-Armut in diesem Land kämpfen. Es ist ein langwieriger Kampf, der den ganzen Einsatz erfordert. Aber ich werde diesen Kampf führen, denn Kinder sind nun einmal unsere Zukunft !“.

Senator Thomas Beyer: Kinder-Armut nicht akzeptabel !

Senator Thomas Beyer verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass gerade die Hansestadt Wismar eine ganze Reihe von Maßnahmen gegen die nicht akzeptable Kinder-Armut eingeleitet hat. So gibt es in Wismar das interdisziplinäre Frühfördersystem. Kinder auch aus sozial schwachen Familien haben die Chance, ihre Talente früh zu entdecken und eine entsprechende Betreuung zu erhalten. Hierbei habe Wismar sogar eine Vorreiter-Rolle in M-V.

Auch die Integration der Kinder in bestehende Kultureinrichtungen der Stadt sei als sehr gut einzuschätzen. Senator Beyer ergänzte, dass auch die Wismarer Sportvereine eine hervorragenden Anteil daran haben, dass Kinder in der Stadt hervorragende Freizeitmöglichkeiten haben bzw. sich selbst verwirklichen können.

Manuela Schwesig, die kampferprobte Schweriner SPD-Fraktionsvorsitzender „is back“ – nun als Sozialministerin. Wäre schön, wenn es ihr gelingt, „die soziale Welt in M-V“ zumindest ein wenig gerechter zu „machen“.

Nur eine Hoffnung?! Aber immerhin eine.

M.Michels

F.: mm (7), SM M-V (1)

> INFO: In der kommenden Woche erscheint beim städtischen Online-Magazin Schwerin-News (www.schwerin-news.de) ein Interview mit der Sozialministerin des Landes M-V, Manuela Schwesig, zur Thematik Kinder-Armut, Bildungs-Chancen für Kinder bzw. zu  ihrer politischen Agenda ! mm