Lieferboykott der Milcherzeuger: Nachvollziehbar, aber ungeeignet

Angesichts stark gefallener, derzeit nicht Kosten deckender Erzeugerpreise zeigt der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Dr. Till Backhaus zunächst Verständnis für den vom Bund Deutscher Milchviehhalter BDM initiierten, am Dienstag auch in Mecklenburg-Vorpommern gestarteten Lieferboykott.

Zugleich hält er das Instrument für ungeeignet: „Milch ist ein hochwertiges Lebensmittel, dessen Erzeugung nicht nur buchstäblich den Schweiß des Landwirts kostet, und dies 365 Tage im Jahr, sondern auch das Produkt einer gewaltigen physischen Leistung unserer Milchkühe. Es nicht seinem Zweck zuzuführen, halte ich nicht für richtig“, teilt der Minister offensichtlich zugleich die Auffassung der Mehrheit der Milcherzeuger im Land. Nur etwa ein Viertel der Milch produzierenden Betriebe hat sich bisher hierzulande dem Aufruf des BDM angeschlossen.

Die wirtschaftliche Situation in der Milcherzeugung sei wie in anderen Veredlungsbranchen auch sehr angespannt, so der Minister. Hauptursache seien die drastisch gestiegenen Futter- und auch Energiekosten. Die Marktpreise hätten im Herbst mit dem Preishoch zeitweilig für Entspannung in der Milcherzeugung gesorgt. Inzwischen sind die Auszahlungspreise seit Jahresanfang wieder deutlich gesunken, bei gleichzeitig weiter steigenden Kosten. „Deshalb habe ich volles Verständnis für die Forderung nach höheren Milchauszahlungspreisen“, betont Minister Backhaus.

Nahrungsmittelproduktion dürfe allerdings nicht zum Spielball politischer Interessen werden, dessen müssten sich alle bewusst werden. „Erzeuger können nur dann langfristig wertvolle Rohstoffe für die Lebensmittelproduktion produzieren, wenn sie dafür angemessen entlohnt werden. Verbraucher dagegen fragen natürlich nach preiswerten Nahrungsmitteln. Sie müssen sich aber auch bewusst sein, dass die gewünschte Erzeugung wertvoller Agrarerzeugnisse aus heimischer Produktion ihren Preis haben muss“, so Dr. Backhaus.

Offensichtlich sei, dass der Markt allein es derzeit nicht richten kann, Milch in Europa und auch in Mecklenburg-Vorpommern kostendeckend zu produzieren. „Aber dorthin zu gelangen, und zwar möglichst schnell – hieran führt kein Weg vorbei!“, machte der Minister deutlich.

Er erteilt den Vorstellungen von Bundesminister Horst Seehofer eine klare Abfuhr, die Abschaffung der Milchquoten bis 2015 auf Grund der aktuellen Preissituation in Europa in Frage zu stellen. Zugleich hält er den Vorschlag aus den Niederlanden für unzureichend, dies allein den Kräften des Marktes zu überlassen, in dem man die Milchquoten noch stärker als bisher geplant erhöht. „Das von der Europäischen Kommission selbst für erforderlich gehaltene „soft landing“ wird angesichts nicht Kosten deckender Preise nötiger denn je, und hier erwarte ich endlich konstruktive Vorschläge aus Brüssel“, so Dr. Backhaus heute.

Illusorisch und ein Stückweit naiv sei allerdings auch die Vorstellung, das Problem nur mit Appellen an die Konzernetagen des Lebensmitteleinzelhandels zu lösen. „Selbstverständlich dürfen und müssen wir erwarten, dass man auch dort seine besondere Verantwortung erkennt und das Handeln danach ausrichtet. „So gibt es im Umweltbereich viele Beispiele, wo sich Unternehmen freiwillig zu höheren Standards bekennen“, macht der Minister einen Vorschlag in Richtung Selbstverpflichtung. „Warum nicht auch hier ein klares Bekenntnis, grundsätzlich nicht unter Einstandspreis zu verkaufen?“

Dass Milch und Milchprodukte oder auch andere Lebensmittel hingegen  – auch vor dem Hintergrund der starken Marktmacht weniger Handelsriesen gegenüber einer Vielzahl an Erzeugern –  immer wieder als Machtinstrumente missbräuchlich verwendet würden, sei moralisch höchst verwerflich. „Nicht zuletzt hat jeder Verbraucher die Möglichkeit, bewusster einzukaufen, denn wie anderswo auch ist billig nicht gleich günstig“, verweist Minister Backhaus auf einen anderen Marktpartner mit großem Gewicht.

Wer auch künftig hochwertigste Lebensmittel für selbstverständlich halte, müsse akzeptieren, dass bestimmte Erzeugerpreise notwendig seien. „Es ist eben nicht nur eine Frage des Durchschnittseinkommens, das gerade hierzulande deutlich niedriger ist als anderswo in Deutschland, ob man sich auch zu Kosten deckenden Preisen noch Milch und Milchprodukte leisten kann. Es ist auch eine Frage, wie viel Wert wir guten und gesunden Lebensmitteln und unserer Ernährung insgesamt beimessen“, sagt der Minister mit Blick auf die soziale Komponente preiswerter Lebensmittel, die aber auch ihren Preis haben müssten.