Mutter der Greifswalder Bachwoche gestorben

Annelise Pflugbeil ist tot

KMD Prof. Annelise Pflugbeil ist am Sonntag, dem 15.11.2015, in Greifswald gestorben. Sie wurde 97 Jahre alt. Die Greifswalder Bachwoche trauert um ihre Mitbegründerin, ihre lebenslange Mitgestalterin und Inspiratorin.

Der Künstlerische Leiter der Greifswalder Bachwoche, KMD Prof. Jochen A. Modeß, erklärt: „Ihr Tod ist ein schmerzlicher Verlust. Wir können nur mit großem Respekt und in tiefer Dankbarkeit auf das zurückblicken, was sie uns und der (Kirchen)Musik in Stadt und Land in den vielen Jahren ihres Lebens unermüdlich mit Rat und Tat geschenkt hat.“ Mit Annelise Pflugbeil verlieren wir eine Persönlichkeit, die das musikalische Leben Greifswalds und Mecklenburg-Vorpommerns in besonderer Weise geprägt hat.

Die Trauerfeier wird am Samstag, dem 28. November 2015, 17 Uhr, im Greifswalder Dom stattfinden.

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Annelise Pflugbeil, geb. Buss, gesch. Deutsch, wurde am 3. Mai 1918 in Stettin geboren. Nach dem Abitur studierte sie von 1935 bis 1943 bei dem Karl-Straube-Schüler KMD Theo Blaufuß in Stettin Klavier und Cembalo.

Blaufuß holte sie 1941 als Dozentin an das Stettiner „Seminar für Evangelische Kirchenmusik“. 1943 wirkte sie als Solistin bei einer ersten von Theo Blaufuß in Stettin organisierten Bachwoche mit.

1945 gelang es Annelise Deutsch unter großen persönlichen Opfern, einige Instrumente sowie Materialien und Unterlagen des Seminars auf die Flucht mitzunehmen.

Sie erhielt den Auftrag, die Organisation des Wiederaufbaus des Seminars in Greifswald zu leiten, das am 1.6. 1945 seine Tätigkeit aufnahm. Nach ihrer Heirat mit dem A-Kirchenmusiker Hans Pflugbeil, der von September 1946 an Domkantor und Direktor des Seminars war, setzte sie sich weiter unermüdlich für den Ausbau des Seminars ein, das von 1951 bis 1991 als „Kirchenmusikschule der Pommerschen Evangelischen Kirche“ arbeitete und 1992 als Institut für Kirchenmusik, heute „Institut für Kirchenmusik und Musikwissenschaft“, in die Philosophische Fakultät der Universität Greifswald integriert wurde.

Mit ihrer Person stand sie über alle historischen und personellen Umbrüche hinweg für die Kontinuität der Lehre an diesem Ort ein. Mehr als sechs Jahrzehnte lang, bis ins hohe Alter, hat sie hier Studenten in den Fächern Klavier, Cembalo, Formenlehre, Musiktheorie, Musikgeschichte und zeitweise auch in Gehörbildung und Methodik der Kinderchorleitung unterrichtet und nahm bis zuletzt intensiv Anteil am Leben und der Entwicklung des Instituts. In großer Dankbarkeit denken viele Generationen von Schülern an Annelise Pflugbeils Wirken zurück, zumal sie auch über lange Jahre die Funktion der Hausmutter des Instituts innehatte.

Als Cembalistin und Clavichordspielerin hat Annelise Pflugbeil internationale Anerkennung gewonnen und war, ebenfalls bis in hohe Alter, als Solistin und in kammermusikalischen Besetzungen für zahllose Konzerte im In- und Ausland gefragt.

1946 rief sie mit ihrem Mann Hans Pflugbeil die Greifswalder Bachwoche ins Leben, die sie lebenslang mit großem Einsatz und in vielfältiger Weise mitgestaltete und begleitete. Sie wirkte als tragende geistige Kraft der Bachwochen-Konzeption, als Organisatorin, als Solistin, als Instrumentalistin im Orchester, nicht zuletzt als weise Ratgeberin in Leitungsgremien und als warmherzige Gastgeberin für die große Schar der Musizierenden.

Insbesondere in den Zeiten schwerer innerer Belastungen aufgrund des ideologischen Druckes der DDR auf dieses große kirchliche Kulturereignis war Annelise Pflugbeil mit ihrer einzigartigen Mischung aus Freundlichkeit, Humor und menschlichem Einsatz ein unvergessliches Vorbild. Die von ihr 2009 mitbegründete „Gesellschaft zur Förderung der Greifswalder Bachwoche e.V.“ ernannte sie zu ihrem Ehrenmitglied.

In Anerkennung ihrer zahlreichen Verdienste ernannte sie die Pommersche Evangelische Kirche 1989 zur Kirchenmusikdirektorin, 2013 wurde ihr die Bugenhagenmedaille der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland verliehen. 1994 wurde sie zur Honorarprofessorin an der Universität Greifswald ernannt und 1999 erhielt sie den Kulturpreis des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Reinhard Lampe
Pressesprecher

GREIFSWALDER BACHWOCHE

Foto/Michels