Bündnisgrüne stellen Hartz IV selbstkritisch in Frage

„Es wird Zeit, dass wir bei Hartz IV selbstkritisch die Notbremse ziehen“, ist Chris Labouvie, Mitglied des Landesvorstandes BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Mecklenburg-Vorpommern, überzeugt. Am Wochenende trafen sich rund 200 Interessierte, um einen Tag lang im Berliner Ernst Reuter Haus mit Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft und Medien über die Umgestaltung der sozialen Sicherungssysteme zu diskutieren.

Eingeladen hatten dazu die Landesverbände BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Labouvie moderierte die Ergebnisse der 6 verschiedenen Foren, die sich mit der Einführung des Grundeinkommens aus europäischer, finanzieller, frauenpolitischer und sozialer Sicht befassten. Labouvie ist Befürworterin des Grundeinkommens, das ohne entsprechende entwürdigende und zeitraubende Kontrollen gezahlt werden soll. „Viele Bürgerinnen und Bürger würden dadurch ihre Würde wieder zurück erhalten und wären motiviert, ihr Leben aktiv selbst in die Hand zu nehmen“ meint Labouvie. Gegner sehen darin eine Art Stilllegungsprämie, die noch mehr Leute in die soziale Hängematte treiben würde. Labouvie hält dem entgegen, dass Arbeit ein menschliches Grundbedürfnis und mehr als Geld verdienen sei. Dr. Harald Terpe, bündnisgrüner Bundestagsabgeordneter aus Rostock, steht einem generellen Grundeinkommen skeptisch gegenüber. Er befürwortet ein Grundeinkommen für Jugendliche, um ihnen eine Ausbildung unabhängig von der sozialen Herkunft zu ermöglichen. Die Bündnisgrünen zeigten sich diskussionsfreudig und es wurde deutlich, dass die Konferenz ein echtes Herzensthema getroffen hat. Es wurde debattiert, ob es wichtiger sei ein Grundeinkommen zu zahlen oder vielmehr die gesellschaftliche Infrastruktur wie Bildung und die allgemeine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auszubauen bzw. ob das eine nicht das andere bedingen würde. Uneins war man sich auch darüber, ob alle Menschen mit der Freiheit eines Grundeinkommens umzugehen wissen. Die breite Mehrheit zeigte sich einem Grundeinkommen sehr aufgeschlossen gegenüber und will die Diskussion weiter führen. Finanzexperten zeigten mögliche Finanzierungswege über eine Mischfinanzierung aus Einkommens-, Mehrwert- und Ressourcensteuern auf. Hinzu käme noch ein hohes Einsparpotential durch den Wegfall der Verwaltungskosten, die derzeit beim Hartz IV-Modell anfallen.