Zwischen Paris und London – der Gewichthebersport

Nachgefragt bei einem früheren Weltklasse-Heber aus M-V

Die Weltmeisterschaften im Gewichtheben fanden bis Mitte November 2011 in  Paris statt. Dominierend waren vor allem die Heberinnen und Heber aus China und Russland. Für die deutschen Teilnehmer reiften zwar nicht alle Blütenträume, aber einige Athleten setzten durchaus äußerst positive Akzente. Dazu gehört auch Robby Behm, dessen Vater Andreas 38 internationale Medaillen gewann.

Wie bewertet nun der Stralsunder Erfolgsheber Andreas Behm die Leistungen der deutschen Athleten, auch die seines Sohnes, in Paris? Nachgefragt…

„Matthias Steiner traue ich auf jeden Fall eine olympische Medaille zu …“

Frage: Herr Behm, gerade fanden die WM im Gewichtheben statt. Wie beurteilen Sie das internationale Kräfteverhältnis im Gewichtheben ein Jahr vor Olympia 2012?

Andreas Behm: Die Weltmeisterschaften 2011 hatten das erwartet hohe Niveau. Es ging ja letztendlich nicht nur um WM-Titel und WM-Medaillen, sondern auch um die Olympia-Plätze im kommenden Jahr. China war zwar dominierend, aber längst nicht mehr so, wie noch in den Vorjahren. Auch bei ihnen, sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen, strauchelten einige Medaillenanwärter.

Gerade im Herren-Bereich wurde in Paris deutlich: In den unteren Gewichtsklassen sind traditionell die Athleten aus Asien, aus China sowie aus Nordkorea, Südkorea oder Aserbaidschan sehr erfolgreich. In den höheren Gewichtsklassen sind zwar die Iraner auch eine Macht, aber die Heber aus Russland, Kasachstan, Weißrussland und der Ukraine konnten bei den WM 2011 außerdem auftrumpfen.

China ging bei den Herren in den Gewichtsklassen über 77 kg (Zweikampf) sogar komplett leer aus, das war schon einmal anders. Ansonsten hat auch im Gewichtheben ein Jahr vor Olympia die Leistungsdichte zugenommen. Die Medaillen im Reißen, im Stoßen und im Zweikampf gingen an 24 Länder. Das Edelmetall nur im Zweikampf verteilte sich auf 14 Länder. Es zeigt, wie populär das Gewichtheben weltweit ist.

Frage: Wie ist Ihre Meinung zur Situation im deutschen Gewichtheber-Team? Sind Sie mit der Leistung von Robby insgesamt zufrieden?

Andreas Behm: Man kann froh sein, dass nach den verletzungsbedingten Ausfällen von Matthias Steiner und Jürgen Spieß drei olympische Startplatze gesichert wurden. Da gab es schon ganz andere Befürchtungen. Bei den Frauen konnten zwei olympische Startplätze erkämpft werden. Es wird allerdings bei Olympia 2012 für die deutschen Gewichtheberinnen und Gewichtheber sehr schwer, die Weltspitze in den einzelnen Gewichtsklassen ist doch ein ganzes Stück entfernt.

Eine Julia Rohde, immerhin schon Vize-Europameisterin, konnte leider keine Top Ten-Platzierung erreichen. Das zeigt, wie stark insbesondere Asien in den unteren Gewichtsklassen ist.

Was Robby betrifft: Er hatte zwar im letzten Jahr auch eine Operation, aber ich hatte ihm von der Leistung her doch ein wenig mehr zugetraut. Die Olympia-Norm für ihn liegt ja bei 381 kg. Davon ist er mit seiner Bestleistung von 370 kg gar nicht so weit entfernt. Aber dennoch wird für Robby die Olympia-Teilnahme ein schwieriges Unterfangen.
Für die drei Startplätze kommen ja Matthias Steiner, Almir Velgic und Jürgen Spieß infrage. Auch ein Tom Schwarzbach ist zu beachten. Es wird für Robby noch ein harter Weg zum erhofften internationalen Erfolg.

Frage: Mit Blickrichtung London 2012 … Was erhoffen Sie sich von den deutschen Gewichtheberinnen und Gewichthebern bei Olympia?

Andreas Behm: Die Olympischen Spiele haben bekanntlich ihre eigenen Gesetze. Natürlich können die Top-Nationen noch neue starke, unbekannte Leute nominieren und so für Überraschungen sorgen. Gerade die Iraner können in den oberen Gewichtsklassen immer wieder erfolgreiche Athleten präsentieren. Und letztendlich kann es immer wieder passieren, dass auch klasse Leute Nerven zeigen und scheitern. Olympia ist nun einmal nur alle vier Jahre.

Für die deutschen Athletinnen und Athleten wird es bei Olympia aber ganz, ganz schwer. Bei der Vergabe dürften sie – bis auf Matthias Steiner – keine große Chance haben. Für Matthias wird es allerdings ebenfalls nicht leicht. Der Iraner Behdad Salimikordasiabi schaffte in Paris 464 kg. Das ist schon eine Marke. Sicherlich, auch das muss bei Olympia erst einmal wiederholt werden. Matthias traue ich aber auf jeden Fall eine Olympia-Medaille zu.

Letzte Frage: Was sind die nächsten Herausforderungen für die Stralsunder Gewichtheber?

Andreas Behm: Für uns beim TSV 1860 Stralsund geht es darum, uns in der zweiten Bundesliga zu halten. Robby hebt nun allerdings beim AC Chemnitz in der 1. Bundesliga. Er ist in der Sportfördergruppe der Bundeswehr in Bruchsal. Seit einem Jahr trainiert er im Bundesleistungszentrum Leimen unter der Leitung von Frank Mantek.

Allein schon aus logistischen Gründen musste er sich eine neue Bundesligamannschaft suchen, wobei der AC Chemnitz, der auch Mattias Steiner unter Vertrag hat, diese Möglichkeit geradezu anbot. Die Förderung und Betreuung ist in diesem Verein optimal.

Dann weiterhin alles Gute!

M. Michels