Zwischen Olympics 2012 und Paralympics 2012 – die Leichtathletik

Nachgefragt beim Leichtathletik-Verband MV


Die olympischen Leichtathletik-Wettkämpfe in London sind längst Geschichte. Wieder einmal wurde bewiesen, dass die Leichtathletik eine olympische Kernsportart ist: die prächtige Stimmung, die gezeigten Leistungen der Athletinnen bzw. Athleten und die vielen spektakulären Momente im Olympiastadion machen die Leichtathletik-Wettbewerbe in der britischen Hauptstadt unvergesslich.

41 Länder erkämpften olympische Leichtathletik-Medaillen, davon 23 Länder eine oder mehrere Goldmedaillen. Die USA waren mit 29 Medaillen und 9 x Gold am erfolgreichsten. Das deutsche Team durfte ebenfalls angesichts der Ausbeute von 1 x Gold, 4 x Silber, 3 x Bronze durchaus zufrieden sein. Gold für Diskuswerfer Robert Harting war dabei der Höhepunkt.

Nun rufen die Paralympics in London. Aus M-V startet Jana Schmidt für den 1.LAV Rostock, aber es gibt auch weitere Leichtathletinnen mit „MV-Hintergrund“ bei den 14.Paralympics, so Vanessa Low, die gebürtige Schwerinerin, Marianne Buggenhagen, die gebürtige Ueckermünderin oder Martina Willing, die gebürtige Pasewalkerin.

Wie lautet nun aber das olympische Resümee bzw. der paralympische Ausblick aus MV-Blickwinkel …

Nachgefragt bei Burkhard Ehlers, Medienwart des Leichtathletik-Verbandes Mecklenburg-Vorpommern

„Der Laie wird staunen, zu welchen großartigen Leistungen Sportler mit Handicaps fähig sind …“

Frage: Die olympischen Leichtathletik-Wettbewerbe 2012 sind schon wieder Historie. Wie lautet Ihr Resümee aus Mecklenburger, deutscher und internationaler Sicht?

Burkhard Ehlers: Während die deutschen Athleten in London die Blamage von Peking 2008 – dort gab es nur einmal Bronze durch Speerwerferin Christina Obergföll – mehr als wettmachten, sind für die vier Starter aus MV sicher nicht alle Träume in Erfüllung gegangen.

Dennoch ist der fünfte Platz von Martina Strutz im Stabhochsprung eine Klasse-Leistung. Die für den SC Neubrandenburg startende Schwerinerin überquerte bei schwierigen äußeren Bedingungen 4,55 Meter und schaffte die beste Olympia-Platzierung eines Leichtathleten aus M-V, seit Astrid Kumbernuss 2000 in Sydney Bronze gewann.

Überaus positiv verläuft die Entwicklung der Neubrandenburger Diskuswerferin Anna Rüh, die am Ende in London auf Rang zehn landete. Nachdem die U20-Weltmeisterin die Scheibe in der Qualifikation noch auf 62,98 Meter geworfen hatte, beendete sie das Finale mit 61,36 Meter. Aber allein die Olympia-Teilnahme stellte für den 19-jährigen Schützling von Trainer Dieter Kollark eine Riesenleistung dar. Die gebürtige Greifswalderin ist zweifellos die Aufsteigerin der Saison.

Kugelstoß-Routinier Ralf Bartels (34 Jahre) fehlten im olympischen Vorkampf 26 Zentimeter. Nachdem er trotz fehlender Qualifikationsweite nominiert worden war, reichte es nur zu glatt 20 Metern und Platz 16. Auf ein „Hätte“, „Wenn“ und „Aber“ wollte sich der 145-Kilo-Mann nicht einlassen: „Fakt ist, dass ich es nicht geschafft habe“, sagte er und kündigte an: „Ich mache auf jeden Fall bis zur WM 2013 in Moskau weiter.“

Als vierte Athletin des SC Neubrandenburg startete Siebenkämpferin Julia Mächtig in London. Ihr unerklärlicher Einbruch gibt nach wie vor Rätsel auf. Mit 5338 Punkten verfehlte die 26-Jährige ihre persönliche Jahresbestleistung um mehr als 1000 Zähler und landete auf dem 31. und vorletzten Platz aller gewerteten Starterinnen – ein schier unglaublicher Absturz, dessen Ursache auch die Mediziner beschäftigt.

Aus deutscher Sicht ist einmal mehr Robert Harting zu nennen. Der so wunderbar unangepasste Berliner holte innerhalb von 345 Tagen seinen dritten großen Titel (WM, EM und Olympia). Konstanz und Nervenstärke gehören ebenso zu seinen Markenzeichen wie die Gabe, Missstände verbal auf den Punkt zu bringen. Die Fähigkeiten des Ausnahmeathleten Harting schmälern aber nicht die Leistungen der anderen deutschen Medaillengewinner mit der „silbernen“ Siebenkämpferin Lilly Schwarzkopf an der Spitze.

Frage: Was waren für Sie persönlich die Highlights der olympischen Leichtathletik-Entscheidungen?

Burkhard Ehlers: Die Frage hat auch was mit dem internationalen Olympia-Resümee zu tun. Und da ragen für mich die Sprintleistungen im Frauen- und Männerbereich sowie die Dominanz der Äthiopier und Kenianer auf den Mittel- und Langstrecken heraus.

Ein Beispiel: Die 4×100-Meter-Staffel der US-Amerikanerinnen ist nicht nur schnell (und „schön“) gelaufen, sondern sie hat endlich auch einmal den Stab ins Ziel gebracht. Heraus kam ein Super-Weltrekord: Mit 40,82 Sekunden pulverisierten die US-Girls die alte Bestmarke einer DDR-Staffel mit der Rostockerin Silke Möller (41,37 Sekunden) aus dem Jahre 1985. Auch die Sprintstaffel der Jamaikaner lief mit 36,84 Sekunden Weltrekord – toll. Wobei ich mich zahllosen Spekulationen, ob diese Zeiten auf legale Weise zustande gekommen sind, nicht anschließen möchte.

Frage: Welche Erwartungen haben Sie im Hinblick auf die paralympischen Leichtathletik-Wettbewerbe?

Burkhard Ehlers: Der Laie wird wieder einmal staunen, zu welchen Leistungen behinderte Sportlerinnen und Sportler fähig sind. Natürlich drücke ich vor allem den deutschen Startern die Daumen, besonders der für den 1. LAV. Rostock startenden Jana Schmidt aus Waren/Müritz, die vor allem über 100 Meter zum Kreis der Medaillen-Anwärterinnen gehört.

Ich bewundere den Südafrikaner Oscar Pistorius (25 Jahre), obwohl sein Start bei den Nichtbehinderten nicht unumstritten ist. Der beidbeinig Unterschenkel-amputierte junge Mann hat in London das Halbfinale über 400 Meter erreicht – das ist unglaublich. Er hat definitiv wahnsinnig viel für die öffentliche Aufmerksamkeit getan, die den Paralympics jetzt zu Recht widerfährt.

Vielen Dank sowie weiterhin bestes und erfolgreiches Engagement für die Leichtathletik in MV!

Marko Michels