Zwischen Kooperation und Konfrontation

Die Zusammenarbeit der Parteien nach Kriegsende im „demokratischen Block“ und im FDGB in Mecklenburg

Am 22.Oktober 1945 wurden den Landesverwaltungen und Provinzialregierungen der sowjetischen Besatzungszone durch Befehl Nr.10 der SMA das Recht übertragen, für den jeweiligen Wirkungskreis Gesetze und Verordnungen (mit Gesetzeskraft) zu erlassen. Das galt auch rückwirkend für alle bereits erlassenen Verordnungen.

Bis zur Landtagswahl im Oktober 1946 unterstand die Landesverwaltung keiner parlamentarischen Kontrolle, obwohl mit den gewaltigen Strukturveränderungen im wirtschaftlichen Bereich (Bodenreform) und politischen Bereich („Säuberung“ des öffentlichen Dienstes) entscheidende gesellschaftliche Veränderungen durchgesetzt wurden.

Dennoch betrachtete sich der am 17.August 1945 konstituierende „Landesblock der antifaschistisch-demokratischen Parteien“ in Mecklenburg-Vorpommern „als ein Ersatzparlament, solange noch kein parlamentarisches Regime vorhanden ist“.

Vorrangige Ziele des „demokratischen Blockes“ sollten es sein
1. die Landespolitik (Landesverwaltung) zu beraten,
2.  „seinen Vorstellungen gegenüber der Regierung und sonstigen Landesorganen und Organisationen Geltung zu verschaffen“.

Die dortige Zusammenarbeit zwischen KPD, SPD und CDU entwickelte sich allerdings schnell zur Farce, da die Mehrheitsverhältnisse im „demokratischen Block“ eine Ausrichtung auf die kommunistischen Interessen ermöglichten und selbst eine relative Mehrheit (Einstimmigkeitsbeschluss) in allen entscheidenden Fragen unterliegen musste.

Die KPD sicherte sich frühzeitig eine strategische Mehrheit, die mit Aufnahme des im Vorstand kommunistisch dominierten FDGB (1) im September 1945 in den „demokratischen Block“ (zwar nur mit beratender Funktion, aber als Druckmittel bei der Meinungsbildung im „Block“) verstärkt wurde. Im August und September 1945 diente der „demokratische Block“ als Instrument der KPD und sowjetischen Militäradministration (SMA) zur Durchsetzung ihrer Vorstellungen bei der Durchführung der Bodenreform – gegen die dortigen Vorbehalte der Sozialdemokraten und Christdemokraten.

Der „Freie Deutsche Gewerkschaftsbund“ wurde am 14. bis 15.August 1945 in Schwerin gegründet. Dabei konstituierte sich ein vorläufiger Landesausschuss, dem sowohl Kommunisten (Paul Sztopp, Karl Glahmann, Bernhard Härtel, Hans Mahnke, Otto Kaiser, Georg Solisch) als auch Sozialdemokraten (Hans Pollok, Paul Harder, Bruno Pahl, Karl Moritz, Martin Müller) und Christdemokraten (Marta Mech, Johannes Knorr) angehörten.

Die Arbeit innerhalb des FDGB litt von Anfang an unter dem Einfluss der Kommunisten, die den FDGB allein nach ihren politischen und personellen Vorstellungen aufbauen wollten. So gab es vor allem Schwierigkeiten zwischen der KPD einerseits und der SPD bzw. CDU andererseits. Gerade Sozial- und Christdemokraten vertraten den Standpunkt, dass der FDGB politisch neutral sein müsste.

Zunächst wollten die Kommunisten mit Georg Solisch den ersten Vorsitzenden des FDGB stellen. Nach dem Widerstand insbesondere der Sozialdemokraten gegen diesen KPD-Vorschlag einigten sich die Vertreter von KPD, SPD und CDU auf Hans Pollok (SPD) als ersten Vorsitzenden und Georg Solisch (KPD) als zweiten Vorsitzenden.
Nach sechsmonatiger Amtszeit sollte dann ein Wechsel an der Spitze des mecklenburgischen FDGB-Landesvorstandes erfolgen. Bei der ersten Landesdelegiertenkonferenz am 22. bis 23.September 1945 in Güstrow wurden Pollok und Solisch in ihren Funktionen bestätigt. Die KPD betrachtete das Auftreten der Sozialdemokraten im FDGB mit besonderem Argwohn, denn in den FDGB-Landesausschuss hatte der mecklenburgische SPD-Landesvorstand mit Hans Pollok, vor 1933 Gewerkschafter im Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs, Martin Müller, vor1933 Gewerkschafter im Rostocker Metallarbeiterverband, Bruno Pahl, vor 1933 Schweriner Gewerkschafter, Karl Moritz, von 1916 bis 1933 Gewerkschafter im Wismarer Metallarbeiterverband, und Paul Harder, zwischen 1924 und 1933 Gauleiter im Deutschen Landarbeiterverband in Rostock, fünf erklärte Gegner einer engen Zusammenarbeit zwischen KPD und SPD entsandt.

Pollok, Müller, Pahl, Moritz und Harder hatten zudem vor der NS-Diktatur 1933 die kommunistischen Strömungen im mecklenburgischen Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund entschieden bekämpft.

So stellte die Landesleitung der KPD Mecklenburg-Vorpommern auf einer Sitzung Ende September 1945 fest, dass es Probleme in der Zusammenarbeit mit den SPD-Vertretern im FDGB gibt, „bedingt durch das antikommunistische Auftreten der Rechten im FDGB mit ihren stärksten Vertretern: Müller, Pahl, Harder, Moritz und Pollok während der ersten Konferenz  des vorbereitenden Ausschusses der Gewerkschaften für das Land Mecklenburg-Vorpommern.“. (2)

Dabei galt Hans Pollok als Hauptwidersacher der Kommunisten im FDGB: „Der Vorsitzende des vorläufigen Vorstandes des FDGB für Mecklenburg, Pollok, steht unter dem Einfluss der Rechten. Dies kam krass zum Ausdruck nach der Veröffentlichung der Rede des (KPD-)Genossen Ulbricht zu den Gewerkschaften. Pollok protestierte gegen die Ausführungen Ulbrichts, in denen er (Ulbricht) Severing und andere nannte. Dabei entschlüpfte Pollok die Bemerkung: `Wir (die SPD) stehen nach wie vor zu Severing und wer führen wird, das werden die kommenden Wahlen zeigen`.“ (3)
Ende November 1945 wurde Hans Pollok von seiner Funktion „entbunden“. Im Jahr 1946 floh er nach Westdeutschland, da er mit einer Verhaftung durch die sowjetische Militäradministration rechnen mußte.
Die Kommunisten ließen damit erkennen, dass sie zu einer ehrlichen und aufrichtigen Zusammenarbeit mit den anderen Parteien auch im FDGB nicht bereit waren.

Dr. Marko Michels

 
F.: Karl Moritz, Wismarer Sozialdemokrat und Gewerkschafter, wurde wegen seiner demokratischen Gesinnung  1948 und in einem Arbeitslager am Eismeer, in der Nähe von Workuta, bis 1953 inhaftiert. Unter schlimmsten Bedingungen mußte dort Zwangsarbeit geleistet werden. / Stadtarchiv Wismar

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Anmerkungen:

(1) – Von den 14 Vorstandsmitgliedern des FDGB in Mecklenburg gehörten im September 1945 sieben der KPD an, vier der SPD, zwei der CDU. Ein Mitglied war parteilos. M.M.

(2) – Mecklenburgisches Landeshauptarchiv, BPA Schwerin, I/1a

(3) – Der Kommunist Walter Ulbricht hielt am 18.August 1945 vor dem FDGB-Ausschuss in Berlin eine Rede, in welcher er die „reformistische“ Politik der Sozialdemokraten im ADGB vor 1933 scharf angriff. Zudem verurteilte Ulbricht in derselben Rede die angeblich reaktionäre Politik des sozialdemokratischen Innenministers in Preußen Carl Severing vor 1933. / Zu Carl Severing: Severing war der letzte Innenminister in Preußen, der einer demokratisch preußischen Regierung vor der NS-Diktatur angehörte. Severing ging unerbittlich gegen die Feinde der Demokratie von links (KPD) und von rechts (NSDAP) vor.