Wirtschaftsminister Jürgen Seidel über die Zukunft der maritimen Industrie in M-V

Folgen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise sind noch nicht bewältigt …

Die weltweite Wirtschafts- und Finanz-Krise erreichte Mecklenburg-Vorpommern zwar mit Verspätung, aber bereits im Frühjahr wurde sie spürbar. Zwar gab es – laut offizieller Statistik der Bundesagentur für Arbeit – auf dem Arbeitsmarkt noch nicht den prognostizierten deutlichen Anstieg der Erwerbslosenzahlen, aber im Herbst – nach Ende der Hochsaison im Tourismus – dürfte auch hier mit erheblich mehr Arbeitslosen gerechnet werden.

Die Wadan-Werften in Wismar und in Rostock-Warnemünde sind jedoch nach erfolgreicher Suche nach einem Investor wieder optimistisch. Das heute eröffnete Schwedenfest in der Weltkulturerbe- und Hanse-Stadt Wismar steht zumindest deshalb auch im Zeichen der Hoffnung.

MV-Schlagzeilen fragte beim Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Jürgen Seidel, hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung in M-V und der Zukunft der Wadan-Werften nach

„Die maritime Industrie bleibt ein industrieller Kern des Landes …“

WerftFrage: Es scheint für die Wadan-Werften in Wismar und in Warnemünde  wieder Hoffnung zu geben.
Wie schätzen Sie die Aussichten auf eine Rettung der beiden Werften zum gegenwärtigen Stand der Verhandlungen ein ?

JSJürgen Seidel: Wir haben jetzt einen Investor, ein plausibles Konzept und die politische Unterstützung höchster russischer Regierungskreise. Ich habe in den vergangenen Tagen und Wochen immer vor Euphorie gewarnt. Aber es galt, eine Abwägung zu treffen: Zwischen der Situation, dass die Werften stillstehen oder mit einem Investor die Chance auf einen Neustart zu eröffnen, auch dann wenn nur schrittweise Arbeitsplätze entstehen.

Frage: Wird in Wismar und in Warnemünde – personell wie produktionstechnisch – alles so sein  wie vor der Insolvenz ? Oder: Werden sich beide Standorte mit  deutlichen personellen Einschnitten rechnen müssen ?

Jürgen Seidel: Nein, diese Erwartung darf man nicht wecken und bedienen. Die vertraglichen Bedingungen sind bekannt, der neue Eigner hat sich verpflichtet 1.200 Arbeitsplätze zu gewährleisten. Es können aber auch mehr werden, aber die Voraussetzung sind durchfinanzierte Schiffbauaufträge. Daran muss er sich messen lassen

WerftFrage: Die maritime Wirtschaft hat in Wismar und in Warnemünde eine  große Tradition. In zwei Jahren feiert der Seehafen Wismar sein  800jähriges Bestehen. Die Werft hatte hier 63 Jahre eine gute Heimat. Dennoch: Es gibt Überkapazitäten im weltweiten Schiffbau. In vielen Ländern, auch in Deutschland, fließen exorbitante Fördersummen in den Erhalt alter Industrien.
Muß an der Küste der strukturelle Wandel tatkräftiger angegangen werden ?

JSJürgen Seidel: Die Wirtschaftstruktur an der Küste hat sich schon in den vergangenen Jahren verbreitert, das produzierende Gewerbe entwickelt sich positiv, wir legen einen besonderen Schwerpunkt auf die Entwicklung der Verbundforschung und die Schaffung wissensbasierter Arbeitsplätze. Es bleibt aber auch klar: die maritime Industrie – und das ist viel mehr als Schiffbau – bleibt ein industrieller Kern des Landes.

Frage: Das verarbeitende Gewerbe setzte laut Statistischem Bundesamt  im Juni 2009 preisbereinigt 17,7 Prozent weniger um als noch vor Jahresfrist.
Dennoch gehen Wirtschaftsexperten, auch die gibt es noch in diesen  Zeiten, vom Erreichen der wirtschaftlichen Talsohle in Deutschland  aus. Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Entwicklung in M-V ? Die wirtschaftliche Talsohle erreichte den Arbeitsmarkt ja noch nicht so gravierend, glaubt man den offiziellen Zahlen …

WerftJürgen Seidel: Erste Indikatoren deuten daraufhin, dass es in manchen Branchen – als Beispiel sei die: Holzwirtschaft in Wismar genannt – schon wieder aufwärts geht. Aber auch hier warne ich davor, die Krise schon als bewältigt anzusehen. Auf dem Arbeitsmarkt stehen wir in Mecklenburg-Vorpommern erst im Herbst vor einer schwierigen Situation.

Die Fragen stellte: M.Michels.

F.:  1.,3.,5. – Die maritime Industrie, die Wadan-Werft in Wismar, kann nach erfolgreicher Investoren-Suche wieder hofen. mm / 2.,4. – Jürgen Seidel ist seit 2006 stellvertretender Ministerpräsident des Landes M-V und Wirtschaftsminister.