Wirtschaftsforum „20 Jahre Aufbau Ost“

Seidel: Viel erreicht, noch mehr erreichbar

Mecklenburg-Vorpommern hat sich seit der Wiedervereinigung insgesamt positiv entwickelt. „Das ist in erster Linie Ergebnis großer Anstrengungen und Leistungen der Mecklenburger und Vorpommern“, sagte Wirtschaftsminister Jürgen Seidel am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion des Unternehmerverbandes Norddeutschland in Schwerin. „Wir haben in den 20 Jahren viel erreicht, dürfen uns aber nicht zurücklehnen. Finanz- und Wirtschaftskrise und der demografische Wandel haben die Herausforderungen nicht kleiner werden lassen.“

Nach 20 Jahren ergibt die Zwischenbilanz der wirtschaftlichen Vereinigung Deutschlands ein gemischtes Bild. Insbesondere das Wohlstandsniveau der Bevölkerung in den neuen Bundesländern hat sich gegenüber der DDR-Zeit deutlich erhöht. Das verfügbare Einkommen ist deutlich gestiegen. Auch die Wohnsituation und die Ausstattung mit langlebigen Gebrauchsgütern haben sich wesentlich verbessert. Die vielfach gut ausgebaute Infrastruktur sowie die Fortschritte im Umweltschutz sind weitere offensichtliche Erfolge.

Die Unterschiede im Bruttoinlandsprodukt je Einwohner sind zwei Dekaden nach der Wende im Osten recht gering: Mecklenburg-Vorpommern liegt mit 21.439 Euro je Einwohner  um 5 Prozent hinter dem ostdeutschen Spitzenreiter Sachsen. „Wenn man dieselbe Betrachtung im Westen anstellt, liegt Schleswig-Holstein als ärmstes Westbundesland 29 Prozent hinter dem reichsten Bundesland Hessen“, sagte Seidel. Auch wenn das BIP pro Kopf im Osten noch um ca. 10.000 Euro geringer ausfällt als im Westen, unter dem Strich haben alle fünf ostdeutschen Flächenstaaten in den vergangenen Jahren zu den Nachbarn im Westen aufgeholt.

„Nach wie vor gibt es aber auch deutliche Strukturunterschiede“, sagte Seidel. „Die Betriebe sind durchschnittlich kleiner als im Westen und die Industriedichte ist immer noch deutlich geringer.“ Es gibt in den neuen Ländern kaum große, expansionsfähige Mittelständler und kaum Konzernzentralen, die mit ihrer überdurchschnittlichen Wertschöpfung zum BIP beitragen. Auch die Exportquote ist vergleichsweise niedrig. „Der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung im Land hat sich von zwischenzeitlich nur 8 auf 13 Prozent erhöht, das genügt aber noch nicht“, sagte Seidel. „Die Verbreiterung der industriellen Basis, mehr industrielle Wertschöpfung, die Schaffung wissensbasierter Arbeitsplätze, die Förderung der gewerblichen Wirtschaft und die Vernetzung von Zukunftsfeldern bleiben die wichtigen Aufgabenfelder der Wirtschaftspolitik.“

Es ging im Osten in den vergangenen 20 Jahren schneller voran als nach bisherigen Berechnungen anzunehmen war. Setzt sich dieser Trend fort, könnte Ostdeutschland als Ganzes nach wirtschaftswissenschaftlichen Feststellungen in etwa 12 bis 15 Jahren den Anschluss an schwächere Bundesländer im Westen wie z. B. Schleswig-Holstein und Niedersachsen erreichen.