Der Präsident des Fechtverbandes M-V, Jürgen Becker, über den Fechtsport in Deutschland und auch in M-V
Nachdem im Oktober 2016 die Senioren-Fecht-WM in Stralsund stattfanden, gibt es nun, knapp sieben Monate später, wieder eine interessante Fecht-Meisterschaft in Mecklenburg-Vorpommern: die Deutschen A-Jugend-Meisterschaften (Altersklasse U 17) im Florett-Fechten am 6.Mai und 7.Mai in Schwerin.
Austragungsort ist die Palmberg-Arena, in der die Volleyball-Spielerinnen gerade ihre elfte Deutsche Meisterschaft perfekt machten.
Gastgeber der Titelkämpfe ist die Schweriner Fechtgesellschaft, die 100 Mitglieder zählt und eine der fechtsportlichen Hochburgen in M-V ist. Ansonsten ist Deutschland ohnehin auch ein Land der Fechterinnen und Fechter. So gibt es mehr als 500 Fecht-Vereine mit 14000 aktiven Fechterinnen und Fechtern. Darunter sind 3800 Fechter, die zum Junioren-Bereich gehören, und 5500 Fechter die zum Jugend-/Schüler-Bereich zählen.
Deutsche Fecht-Sportlerinnen und -Sportler konnten nicht zuletzt bei Olympischen Spielen große Erfolge feiern. So gab es aus deutscher Sicht bei Olympia zwischen 1896 und 2016 insgesamt 42 Medaillen, darunter 13 Olympiasiege. Zwar lief es vor bzw. in Rio bei den Olympischen Spielen 2016 nicht wie erhofft, aber mit Blickrichtung Tokyo 2020 werden die deutschen Fechterinnen und Fechter bestimmt neue Kräfte mobilisieren und bald wieder vorn mit dabei sein.
Fechten hat in Deutschland also Tradition und ist eine der erfolgreichsten olympischen Sportarten, die auch M-V und Schwerin begeistert
MV-Schlagzeilen fragte bei Jürgen Becker, Präsident des Fechtverbandes M-V, nach
J.Becker über die Deutschen A-Jugend-Meisterschaften 2017 in Schwerin, die Entwicklung des Fechtsportes in M-V, den Stellenwert des Fechtsportes in Deutschland, die kommenden WM und weitere Ambitionen
„Wird bald wieder bergauf gehen…“
Frage: In Schwerin finden die Deutschen A-Jugend-Meisterschaften im Florett-Fechten statt. Wie beurteilen Sie den Stellenwert des Fechtsportes in Deutschland allgemein und speziell in Mecklenburg-Vorpommern?
Jürgen Becker: Der Blick auf den Fechtsport in Deutschland ist durch die Ergebnisse im Vorfeld und dann bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio etwas getrübt. Aber mit der neuen leistungssportlichen Konzeption des Deutschen Fechter-Bundes wird es bald wieder bergauf gehen. Die Weltmeisterschaften in Leipzig vom 19.Juli bis 26.Juli könnten dabei weitere positive Impulse geben. Wir hoffen natürlich, dass es dort die eine oder andere Medaille für die deutsche Mannschaft geben wird.
In Mecklenburg-Vorpommern ist es so, dass wir uns in den letzten zwanzig Jahren sehr gut entwickelt haben. Die Mitgliederentwicklung verlief zudem gut, wenngleich diese noch sehr ausbaufähig ist. Wir haben gegenwärtig 274 aktive Fechtsportlerinnen bzw. -sportler in sechs Vereinen, wobei wir einst nur rund 50 aktive Fechterinnen bzw. Fechter in unseren Reihen vorweisen konnten. Unsere fechtsportlichen Vereine sind in Rostock (drei), in Schwerin sowie in Greifswald und durch die Senioren-Fecht-WM 2016 auch in Stralsund.
Frage: Wie ist Ihre Meinung zum Austragungsort Schwerin und zur Fechtgesellschaft Schwerin?
Jürgen Becker: Wir haben ja mittlerweile die siebenten Deutschen Meisterschaften im Fechtsport in Schwerin. Die Palmberg-Arena ist hierfür hervorragend geeignet. Da wir in diesem Jahr gemeinsame Deutsche A-Jugend-Meisterschaften für den weiblichen und männlichen Bereich austragen, ist der Zuspruch natürlich rege. Rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren bei den Titelkämpfen 2017 in Schwerin vor Ort. Damit stoßen wir – auch was die Kapazitäten der Palmberg-Arena betrifft – an unsere Grenzen. Wir legten in diesem Jahr 18 Bahnen aus. Das ist das Maximum, was in die Palmberg-Arena passt. Größer dürfen die Teilnehmerfelder also nicht werden.
Schwerin ist ansonsten ein wunderschöner Austragungsort, die reizvolle Altstadt, die moderne Arena, die Leute und die gute Stimmung. Das Engagement der Fechtgesellschaft Schwerin ist einfach beeindruckend. Es ist hier wirklich wunderbar.
Frage: Wie beurteilen Sie das Niveau der Wettkämpfe?
Jürgen Becker: Das Niveau ist schon ausgesprochen hoch. Es sind schon Top-Fechterinnen und -Fechter am Start, die auch international unterwegs sind, so unter anderem Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmer der Kadetten-Weltmeisterschaften. Hier wurde schon sehr guter Fechtsport geboten. Wer sich hier, bei den Deutschen A-Jugend-Meisterschaften durchsetzen kann bzw. konnte, der wird seinen fechtsportlichen Weg auch weiterhin erfolgreich meistern.
Letzte Frage: Welche besonderen Herausforderungen hat der Fechtverband M-V 2017 noch zu meistern?
Jürgen Becker: Die aktuelle Wettkampf-Saison, unter anderem mit den Senioren-WM in Stralsund, dem Petermännchen-Pokal in Schwerin, den verschiedenen Wettkämpfen im Rollstuhl-Fechten in M-V, die wir zudem unterstützen, oder jetzt den Deutschen U 17-Meisterschaften ebenfalls in Schwerin, endet ja im Juli. Und da sind wir, als kleiner Sportverband in M-V schon froh, dass wir alles so gut meistern konnten und mal ein paar Wochen „verschnaufen“ können. Aber die nächsten Herausforderungen warten schön. Für 2018 wollen wir noch einmal eine Meisterschaft für Schwerin beantragen und auch für 2019 haben wir besondere Ziele, aber das ist noch nicht spruchreif!
Vielen Dank und weiterhin bestes Engagement für den Fechtsport!
Exkurs: Olympische Fecht-Traditionen in M-V
Auch Mecklenburg-Vorpommern hat eine gewisse olympische Fecht-Tradition. Der gebürtige Rostocker Gerd May, Jahrgang 1953, war 1980 Mitglied des DDR-Säbel-Teams. Eckhard Mannischeff, Jahrgang 1943, gebürtiger Wismarer, kämpfte 1972 mit dem Degen für die DDR. Der Neustrelitzer Reinhard Münster war ebenfalls 1972 olympischer Fechter der dänischen Mannschaft. Bernd Uhlig, Jahrgang 1942, in Wiek auf Rügen geboren, war 1968 und 1972 auf der olympischen Planche mit dem Degen aktiv.
Gerd May belegte in Moskau`80 mit dem DDR-Team Platz sechs (Olympiasieger Sowjetunion vor Italien und Ungarn). Bernd Uhlig kam mit der DDR-Mannschaft 1968 auf Rang fünf (Olympiasieger Ungarn vor der Sowjetunion und Polen) und – zusammen mit Eckhard Mannischeff – 1972 inoffiziell auf Rang 10 (Olympiasieger Ungarn vor der Schweiz und der Sowjetunion). Dänemark schaffte mit Reinhard Münster auch eine inoffizielle Top-Ten-Platzierung 1972.
Der Florett-Fechter Hartmuth Behrens, in Dömitz-Rüterberg geboren, schaffte im Florett-Fechten bei den Spielen 1980 in Moskau auch gute Platzierungen, so Rang vier mit der DDR-Mannschaft und Rang neun im Einzel.
Ein Fechter hatte hingegen seine Heimat in der Nähe Schwerins, in Seehof. Franz Rompza, Jahrgang 1934, glänzte 1964 und 1968 bei Olympia im bundesdeutschen Degen-Team, das 1964 Rang sechs Olympiasieger Ungarn vor Italien und Frankreich) und 1968 Rang vier (Olympiasieger Ungarn vor der Sowjetunion und Polen) belegte.
Auch ein gebürtiger Tessiner war im olympischen Fechtsport aktiv. So war Horst Melzig, Jahrgang 1940, Mitglied der DDR-Degenfechtmannschaft bei den Olympischen Spielen 1972 in München.
Bei den Paralympischen Spielen 2012 in London erkämpfte Simone Briese-Baetke, die zwei Jahrzehnte auch im Müritz-Kreis lebte und trainierte, den Silber-Rang in der Disziplin Degen/Einzel.
Text/Foto: Marko Michels