„Wir wollen dafür sorgen, dass Not und Elend nicht mehr vorhanden sind.“

Die Durchsetzung der parlamentarischen Demokratie in Mecklenburg zwischen 1918 und 1920

Foto: M.M.

Nach der Novemberrevolution 1918 hatten sich in der mecklenburgischen Sozialdemokratie die Befürworter der Parlamentsidee durchgesetzt. Dazu gehörten Wilhelm Schröder und Paul Schröder aus Rostock, Carl Moltmann aus Schwerin sowie Hans Krüger und Karl Bartosch aus Neustrelitz.

Doch nun hieß es für die mecklenburgischen Sozialdemokraten, auch bei den Wahlen zum verfassungsgebenden Landtag zu bestehen und ihre Regierungsfähigkeit zu beweisen. Aus den Wahlen zur deutschen Nationalversammlung im Januar 1919 war ein Aufwärtstrend für die Sozialdemokraten klar erkennbar.

Zwar konnte die SPD mit 38,1 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit nicht erreichen – nicht zuletzt bedingt durch die linke Konkurrenz der USPD – aber das sehr gute Wahlergebnis führte zu einem Regierungsbündnis aus SPD und linksliberaler DDP. Aus dem Wahlkreis Mecklenburg-Lübeck wurden mit Franz Starosson, Johannes Stelling und Hans Krüger drei Sozialdemokraten in die deutsche Nationalversammlung entsandt.

Unmittelbar nach der Revolution 1918 konnten auch die Wahlen zu einem verfassungsgebenden mecklenburgischen Landtag vorbereitet werden. Bereits am 19.11. 1918 kam es zur entsprechenden Veröffentlichung eines Wahlerlasses in Mecklenburg-Strelitz. Die Einteilung des Landes Mecklenburg-Strelitz erfolgte in drei Wahlkreise. Bei den Wahlen zum Landtag in Mecklenburg-Strelitz am 15.12.1918 dominierten die Sozialdemokraten mit errungenen 21 Sitzen, allerdings dicht gefolgt von den Liberalen der DDP mit 18 Sitzen. Die kurzzeitige Regierung wurde vom „Landeshauptmann“ Hans Krüger (SPD) geführt. Dieser Regierung gehörten neben Sozialdemokraten auch Mitglieder der DDP und DVP sowie Parteilose an.

Die erste parlamentarische Entscheidung der neuen Regierung war der Beschluß über die staatliche Souveränität des Landes. Mecklenburg-Strelitz wurde in den Rang eines Freistaates gehoben, die Gesetzgebung eng an die Reichsgewalt gekoppelt. Bei den Wahlen zum ersten ordentlichen Landtag in Mecklenburg-Strelitz drei Monate später – am 30.03.1919 – erlitten die Sozialdemokraten einen kleinen Rückschlag. Sie erhielten nur 18 Sitze im Landtag, was einen Verlust von drei Sitzen im Vergleich zu den Wahlen 1918 (verfassungsgebender Landtag) bedeutete.

Im Wahlkampf gab es zudem eine deutliche Polarisierung unter den politischen Kräften. Das bürgerliche Lager (Deutsche-Demokratische Partei / Deutsche Volkspartei / Deutschnationale Volkspartei) trat geeint gegen die SPD an. Dennoch blieben die bürgerlichen Kräfte mit 17 erkämpften Sitzen unter den eigenen Erwartungen. So spaltete sich das bürgerliche Lager bereits im ersten Landtag wieder auf. Die Leitung des Staatsministeriums hatte auch im ersten ordentlichen Landtag wieder Hans Krüger (SPD) inne. Doch bereits im Oktober 1919 trat er aufgrund seiner Verpflichtungen im Reichstag zurück.

Neuer Vorsitzender des Staatsministeriums in Mecklenburg-Strelitz wurde Dr.phil. Dr.jur. Kurt Freiherr von Reibnitz, ebenfalls wie Krüger ein Sozialdemokrat. Bis Mitte 1920 regierte von Reibnitz, bevor im selben Monat Neuwahlen durchgeführt werden mussten. Bedingt durch die größere Fläche und die deutlich höhere Bevölkerungszahl konnte die Wahl zum verfassungsgebenden Landtag von Mecklenburg-Schwerin erst am 26.01.1919 durchgeführt werden. Das Land Mecklenburg-Schwerin wurde in sechs Wahlkreise aufgeteilt.

Die Wahlen zum verfassungsgebenden Landtag von Mecklenburg-Schwerin verliefen für die Sozialdemokraten ebenfalls sehr erfolgreich. So erhielt die SPD 32 Sitze und distanzierte die Liberalen der DDP mit 17 Sitzen, die DNVP mit 10 Sitzen, die DVP mit 2 Sitzen, den konservativen Dorfbund mit 2 Sitzen und den Wirtschaftsbund mit einem Sitz deutlich. Nach den Wahlen bildeten die Sozialdemokraten eine Koalition mit der DDP: Der Liberale Hugo Wendorff wurde zum Vorsitzenden des Staatsministeriums gewählt; der Sozialdemokrat Julius Asch erhielt das Amt des Vorsitzenden des Landtages.

Trotz Regierungsrücktritts im Juli 1919 und einiger Querelen mit dem kleineren Koalitionspartner bildeten SPD und DDP auch nach dem Juli 1919 eine Koalition. Obwohl die SPD die klar stärkste Partei in Mecklenburg-Schwerin darstellte, erhielten die Liberalen erneut den obersten Regierungsposten. Damit sollte wohl auch ein Signal gesetzt werden in Richtung bürgerliche Schichten/Wirtschaftsverbände, nicht „in Panik“ über eine partiell sozialdemokratische Regierung zu verfallen.

Am 17.03.1920 wurde die Verfassung verabschiedet, wonach auch Mecklenburg-Schwerin ein Freistaat wurde. Die Grundrechte waren in der Verfassung von Mecklenburg-Schwerin stärker verankert als in jener von Mecklenburg-Strelitz. Doch für beide Verfassungen in Schwerin und in Strelitz galt, dass die demokratisch-republikanische Staatsform klar bejaht wurde und die in Mecklenburg erstmals festgelegte Gewaltenteilung zwischen Regierung, Gesetzgebung bzw. Gericht sowohl ständische als auch kommunistische Gedanken über den Staat ebenso deutlich zurückwies. Besonderen Anteil an der Ausarbeitung der Verfassungen hatten sowohl Sozialdemokraten wie Liberale.

So umriss Hermann Lüdemann die hehren Vorstellungen der SPD damals: „Wir wollen unser Mecklenburg und unser Heimatland zu einer Stätte ausbauen, in dem sich alle wohl fühlen. Wir wollen, soweit es menschlich möglich ist, dafür sorgen, dass Not und Elend nicht mehr vorhanden sind.“ (H.Lüdemann im Februar 1919)

Hochgesteckte Ziele, wie die Sozialisierung wichtiger Bereiche der Großindustrie, die Mitbestimmung breiter Bevölkerungskreise bei grundlegenden Entscheidungen in der Landesentwicklung und der Kommunalverwaltung, die Verankerung der bürgerlichen Grundrechte oder der soziale Ausgleich in der Gesellschaft, fanden dank des sozialdemokratischen Engagements auch Berücksichtigung im Verfassungstext. Bedeutendes Interesse hatten die Sozialdemokraten auch daran, das Recht des Zugangs zur politischen Verantwortung als ein Grundrecht zu verankern – und damit die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu sichern.

Wilhelm Kröger, ein SPD-Landtagsabgeordneter aus Schwerin, bemerkte dazu: „Sie werden verstehen, wenn ganz besonders die Arbeiterschaft, die Arbeiter Mecklenburgs an diesem Verfassungsentwurf oder an dem jetzt entstandenen Zustand ein gewaltiges Interesse hat.“ (W.Kröger im Februar 1919)

Mit der Durchsetzung des Parlamentarismus und der Erarbeitung einer neuen Verfassung erhofften sich die Sozialdemokraten auch die Verwirklichung ihres gesellschaftspolitischen Zieles, über Reformen die soziale Demokratie durchzusetzen.

M.Michels