Wenn Spaniens Startenor den Magdeburger Domplatz betritt José Carreras im Interview

Treten Sie ganz gern mal außerhalb der großen Metropolen auf?
In der Tat. Es ist wunderbar, in Berlin, Hamburg, Frankfurt oder München zu arbeiten und aufzutreten. Aber in anderen Städten haben die Menschen selten die Gelegenheit, hochklassige Konzerte zu sehen. Dabei lieben sie dort klassische Musik genauso wie in den großen Städten.

Wie oft im Jahr treten Sie auf?

Im vergangenen Jahr waren es 55 Konzerte.

Das ist eine Menge…

Das stimmt. Vor allem wenn man bedenkt, dass ich überall in der Welt unterwegs war. In Asien genauso wie in Europa und Amerika.

Wie halten Sie Stimme und Körper fit?

Ich versuche, mich richtig zu ernähren und ausreichend zu schlafen. Ich erledige viel zu Fuß und gehe gern schwimmen, wenn es Gelegenheit gibt. Ich bemühe mich einfach, gesund zu leben.

Sie erwähnten die richtige Ernährung. Meinen Sie damit auch die österreichische Küche ihrer Frau?

(lacht) Ich liebe Wiener Schnitzel.

Auch Kaiserschmarn?

Schmeckt gut, ist aber zu kalorienreich. Vor allem genieße ich die gesunde mediterrane Küche, also eine Menge Pasta- und Reisgerichte, Gemüse, Weißfisch und viel Früchte.

Mein Lieblingsgericht aus Spanien heißt „Gambas a la plancha“…

(lacht) Das verstehe ich gut. Dazu einen Salat und etwas Brot. Mehr braucht man nicht.

Gibt es für Sie eine Lieblingsoper oder -arie?

Das ist schwierig zu sagen. Es gibt so viele wunderschöne Rollen für Tenöre. Aber wenn ich eine herauspicken sollte, dann ist Don José in „Carmen“.

Im vergangenen Jahr starb ihr Freund Luciano Pavarotti. Welche bleibenden Erinnerungen haben Sie an ihn?

Ich hatte eine wundervolle, herzliche Beziehung zu Luciano. Sowohl auf professioneller, künstlerischer Ebene, aber auch als Mensch und Freund. Es war immer eine Freude, sich mit ihm über Gott und die Welt zu unterhalten. Wir konnten aber auch wie kleine Jungs herumblödeln und uns schlapp lachen. Er hatte eine Lebensphilosophie, die sehr bereichernd war.

Vermissen Sie die Konzerte der Drei Tenöre?

Natürlich. Das war etwas Besonderes für jeden von uns, abgesehen von der professionellen Seite des Ganzen. Wir hatten immer jede Menge Spaß, sowohl auf der Bühne, als auch hinter den Kulissen. Diese Konzerte waren einzigartig und haben zudem ein Publikum begeistert, das sonst vielleicht mit Klassik nicht so viel am Hut hat.

Sehen Sie eine nächste Generation von Opernsängern auf demselben Level?

Absolut. Es gibt viele hervorragende Sänger und außerordentliche Talente. Und wir brauchen sie, denn was wäre die Oper ohne gute Sänger.

Sie haben mal zusammen mit Scorpions-Sänger Klaus Meine „Winds of Change“ gesungen. Was bedeutet Ihnen der Song?

Dasselbe, was er wohl allen von uns bedeutet: Die öffnung der Grenzen des Ostblocks, nicht nur in physischer, sondern vor allem auch in mentaler Weise. Der Song kam genau im richtigen Moment heraus und eroberte die ganze Welt, weil er eine Hymne für Freiheit und Demokratie ist.

Sie reisen seit vielen Jahren um die Welt. Was hat sich am dramatischsten verändert?

Bestimmte Dinge haben sich zum Positiven entwickelt, andere zum Negativen. Die Welt ist seit dem 11. September 2001 eine andere. Sicherheit geht über alles, das merkt man als ständiger Flugpassagier in besonderem Maße. Wir müssen heute unglücklicherweise mit dem internationalen Terrorismus leben und versuchen, uns an mehr Kontrolle des Staates zu gewöhnen. Politisch hat sich dennoch vieles zum Guten entwickelt, auch wenn es noch einige Staaten ohne Demokratie und Freiheit gibt. Aber vor 40 Jahren hatten wir selbst in Spanien noch eine Militärdiktatur.

Befassen Sie sich auch mit Themen wie Klimawandel?

Auf jeden Fall. Wir sollten uns alle darum kümmern. Wenn ich meine zweijährige Enkeltochter ansehe, denke ich oft daran, dass wir die Verantwortung haben, den Kindern eine lebenswerte Welt zu hinterlassen. Wir müssen jede Chance nutzen, den Klimawandel aufzuhalten.

Lassen Sie uns über Barca reden…

(lacht) Jetzt haben Sie mich!

Gehen Sie immer noch regelmäßig ins Stadion?

Klar, wenn ich in Barcelona bin, so oft wie möglich. Schon als zehnjähriger Junge bin ich mit meinem Vater zum Fußball gegangen. Fan des katalanischen Traditionsvereins Barca zu sein, ist ein sehr starkes Gefühl für mich.

Gehen Sie richtig mit und feuern Ihre Mannschaft lautstark an?

Ja. Ich weiß ganz genau, ich darf nicht ins Stadion gehen, wenn ich zwei, drei Tage später ein Konzert habe. Ich könnte dann nicht singen, weil ich mich beim Fußball schon ziemlich verausgabt habe. Meine Emotionalität geht dann schnell mal mit mir durch.

Wetten Sie manchmal auf Fußballspiele?

Nein. Nur unter Freunden. Da geht es dann aber höchstens um einen Kaffee oder ein Glas Wein.

Anderes Thema: Können Sie beschreiben, was in Ihnen vorging, als Sie die bittere Leukämie-Diagnose erhielten?

Es war der schlimmste Moment in meinem Leben. Aber die ärzte sagten mir von Anfang an, dass es Chancen gibt, den Krebs zu besiegen. Sie sprachen von Erfolgsaussichten, Therapien und Medikamenten. Und ich dachte vom ersten Moment daran, dass ich kämpfen muss, selbst wenn meine Chance eins zu einer Million gestanden hätte. In meinem Fall war es sehr wichtig, dass ich aus der ganzen Welt Unterstützung und Genesungswünsche erhalten habe. Es war wundervoll, was mir die Menschen schrieben. Natürlich hat mir meine Familie in erster Linie Kraft gegeben. Aber der Zuspruch tausender unbekannter Menschen, die Anteil nahmen an meinem Schicksal, hat mich sicher auch motiviert.

Vor 20 Jahren gründeten Sie ihre Leukämie-Stiftung. Ihr Lebenswerk?

Es ist ein sehr wichtiges Anliegen in meinem Leben und kommt an dritter Stelle nach meiner Familie und meinem Beruf. Ich glaube daran, was wir tun und wie wir den Menschen helfen können. Die Resonanz auf die Arbeit der Stiftung ist großartig, besonders in Deutschland. Wir haben bis jetzt 13 große Spendengalas im deutschen Fernsehen gehabt, und jedes Mal hat mich die Spendenfreudigkeit der Deutschen aufs Neue überrascht und erfreut. Dieses Geld erlaubt uns, den Patienten in bewundernswerten Projekten gezielt zu helfen.

Sie besuchen sehr oft die Kliniken. Wie können Sie den Kindern Trost spenden?

Es hängt immer von der Situation und von der Verfassung des Kindes ab. Aber ich versuche immer, die Kinder zu bestärken zu kämpfen und sich nicht aufzugeben. Die Haltung, sich gegen den Krebs zu wehren, ist mit das Wichtigste.

Sie haben zwei Kinder aus erster Ehe. Was machen die?

Mein Sohn Albert arbeitet als Anwalt. Naja, niemand ist perfekt (lacht). Meine Tochter Julia begann eine Ausbildung im Hotel- und Tourismusmanagement. Ihnen geht es gut, sie sind glücklich. Wir haben eine sehr innige Beziehung.

Welchen Rat für ihr Leben geben Sie ihnen?

Oh. Ich wünschte mir, die richtigen Worte zu finden. Aber am Ende ist es das Wichtigste, nach bestimmten rigorosen Grundsätzen zu handeln, sich an eigenen Prinzipien zu orientieren.

Sie haben drei Wünsche frei…

Wenn wir über ideelle Dinge reden, dann natürlich Gesundheit, Frieden und soziale Gerechtigkeit für alle Menschen.

Wem haben Sie vor allem zu danken…

Das würde ein ganzes Buch füllen. Es beginnt mit meiner Familie, meinen Eltern, mit den Menschen, die mir am Beginn meiner Karriere geholfen haben, dann die Mediziner, die Menschen, die meine Stiftung unterstützen und natürlich auch das Publikum, das mich als Künstler schätzt.