Universität Rostock diskutierte Thema am 24. September aus praktischer und wissenschaftlicher Sicht
Frauen im Extremismus – Ursachen, Probleme, Konsequenzen. Mit diesem Thema setzte sich am 24. September das Fachgebiet Religionswissenschaft/Interkulturelle Theologie der Universität Rostock in Kooperation mit der NGO International Observatory of Human Rights (IOHR) auf einer Tagung in Rostock auseinander. Dort traf die Wissenschaft mit der Praxis der präventiven Sozialarbeit zusammen.
„Wenn wir von Extremismus sprechen, dann müssen wir auch die vielfältigen Funktionen der Frauen ins Kalkül ziehen“, unterstreicht die Historikerin und Religionswissenschaftlerin der Universität Rostock, Dr. Nina Käsehage. Sie ist deutschlandweit bekannt als Spezialistin für Salafismus in der Bundesrepublik. Für ihre Forschung hat sich die junge Frau in die Szene begeben und setzte dabei sogar ihre eigene Sicherheit aufs Spiel.
„Es bringt mich um den Schlaf, wenn ich erlebe, wie junge Leute aus allen Bildungsschichten in einer Art Trichter durch die Szene laufen und von dort aus in den Dschihad geschickt werden“, sagt die engagierte Wissenschaftlerin. Die britische NGO International Observatory of Human Rights lud die Expertin zu einem Vortrag über Frauen im Jihad zu ihrer Veranstaltung ‚International Initiative of the Prevention and Countering of Radicalism and Extremism‘ am 30. April 2018 ins renommierte Londoner King´s College ein. Im Anschluss daran interviewte der TV-Sender IOHR-TV die Religionswissenschaftlerin zu ihrer europaweiten Forschung zu Frauen im jihadistischen Milieu.
In der Folge kommt es jetzt in Rostock zu einer gemeinsamen Veranstaltung über Frauen, die sich im jihadistischen oder rechtsextremen Milieu bewegen. „Die Radikalisierung von Frauen stellt im rechtsextremen sowie im jihadistischen Milieu ein sehr heterogenes Feld dar, dem wir uns sowohl von wissenschaftlicher als auch von praktischer Seite zuwenden möchten“, erklärt Nina Käsehage. „Frauen machten bislang nur einen kleinen Teil der jihadistischen Szene aus, aber ihre Zahl wächst“, sagt die Forscherin.
Sie warnt davor, die Bandbreite der Betätigungen von Frauen, die im Extremismus aktiv sind, zu unterschätzen. Es gebe selbstverständlich auch Frauen, die gewaltbereit seien. „Diese agieren nicht nur in familiären Strukturen, sondern sind zudem politisch aktiv“, unterstreicht die Wissenschaftlerin. „Wir werden auf der Veranstaltung anhand von Beispielen aufzeigen, dass Frauen im Extremismus inzwischen genauso aktiv auftreten können wie Männer.“
Extremismus gibt es nicht nur in der jihadistischen Szene, sondern auch im rechtsextremistischen Milleu. In der NPD stellen Frauen traditionell ebenfalls nur eine Minderheit der Mitglieder und einen Bruchteil der Funktionäre. In der Männerwelt des Rechtsextremismus galten sie lange Zeit als Randerscheinung oder sogar als Risiko, weil die Beziehung zu einer Frau häufig der Grund für junge Mitläufer war, sich wieder aus der Szene zu lösen.
Auch um dem entgegenzuwirken, würden sie mittlerweile stärker in die Strukturen integriert, weiß die Historikerin Dr. Steffi Brüning vom Regionalzentrum für demokratische Kultur der Evangelischen Akademie der Nordkirche, das durch den Europäischen Sozialfonds gefördert wird: „Ja, Frauen sind auch in Mecklenburg-Vorpommern im Rechtsextremismus aktiv“. Frauen seien in der NPD in verschiedenen Funktionen tätig, dort bislang jedoch nicht unbedingt in führenden Positionen. Insbesondere im ländlichen Raum bildeten sie aber einen unverzichtbaren Teil der „völkischen Netzwerke“, die zunehmend an Einfluss und Bedeutung innerhalb der rechtsextremen Szene gewinnen würden.
Dr. Steffi Brüning erklärt: „Entsprechend klassischer Rollenbilder sind Frauen im Rechtsextremismus oft für den sozialen Bereich verantwortlich, für Kommunikation und Zusammenhalt“. Außerdem sei ihre Funktion, Seriosität auszustrahlen. „Bei Demos stehen Frauen buchstäblich oft in der ersten Reihe, sollen so eine gewisse Harmlosigkeit vermitteln“.
Als freundliche „Mütter von nebenan“ verbinden Neonazistinnen gezielt Politisches mit Privatem. Es sei deutlich geworden, dass rechtsextreme Frauen verstärkt politische Rollen einnehmen, sagt Steffi Brüning. Sie würden in der Regel harmloser wirken als Männer. Zum Leben für die „nationale Sache“ gehöre für die politischen Überzeugungstäterinnen die bewusste ideologische Indoktrination von Lebensalltag, Kindererziehung und Ehrenamt.
Pressemitteilung der Universität Rostock / Text: Wolfgang Thiel