Weihnachten in Mecklenburg-Vorpommern

Nachgefragt bei Kirchenrat Markus Wiechert

Die vorweihnachtliche Zeit kann mitunter eine stürmische, aber auch eine gemütliche Zeit sein. Die evangelischen Christen in Norddeutschland sollen und wollen nun engstens zusammen rücken, sich gar zusammen schließen. Es wird noch einmal auf das alte Jahr zurückgeblickt, neue Vorsätze beschlossen, die oft stressigen Vorbereitungen auf das Weihnachtsfest beginnen …

Was verbindet aber Kirchenrat Markus Wiechert mit dem Jahr 2010? MV-Schlagzeilen fragte nach

„Im Kleinen beginnt der Friede zu wachsen!“

Frage: Die norddeutschen Protestanten üben den Schulterschluß und Ergebnis dessen soll die neue „Nordkirche“ sein. Nicht überall gibt es uneingeschränkte Zustimmung dafür. Wie beurteilen Sie die Stimmung „oben“, nicht ganz oben, aber bei den maßgeblichen Entscheidungsträgern, und an der Basis für dieses Vorhaben?

Kirchenrat Markus Wiechert (Foto: privat)Kirchenrat  Markus Wiechert: Das es hier und da mal im Gebälk knirscht, halte ich für normal. Ein Kirchenkreisforum in Lübeck Ende August hat gezeigt, wie produktiv solch ein Diskurs sein kann, wenn sich „Befürworter“ und „Kritiker“ von der Basis im persönlichen Austausch verändern und schätzen lernen. Insgesamt wäre es auch ein schlechtes Zeichen, wenn es keine Diskussionen gäbe. Schließlich geht es um die Zukunft der Kirche.

Die Synodalen, die ja Vertreter der kirchlichen Basis sind, werden den jetzt vorgelegten Verfassungsentwurf sicherlich weiterentwickeln und verändern. Nach der 1. Tagung der Verfassung gebenden Synode Ende Oktober 2010 hat der Beteiligungsprozess zur Verfassung und zum Einführungsgesetz begonnen. Diese beiden Grundlagentexte, die das Leben der gemeinsamen Kirche im Norden wesentlich bestimmen werden, sollen auf allen Ebenen der Kirche intensiv diskutiert werden. Alle interessierten Gemeindeglieder sind eingeladen, sich zu einzubringen und bis zum 1.Mai 2011 eine Stellungnahme abzugeben.

Alles, was an Veränderungswünschen und Ideen kommt, wird gesichtet und dann wird aus dem jetzigen Verfassungsentwurf ein zweiter Entwurf gemacht, der dann der Synode im Oktober 2011 vorgestellt wird. Wenn es in einzelnen Fragen natürlicherweise auch unterschiedliche Meinungen und Positionen gibt, die Stimmung insgesamt ist gut.

Frage: Deutschland wird individueller. Kirchen, Gewerkschaften, Verbände und Parteien klagen über Mitgliederschwund. Wie gehen die Protestanten mit diesem Phänomen um?

Kirchenrat Markus Wiechert: Wir sind natürlich vom demografischen Wandel ebenso betroffen. Dennoch: Die Evangelische Kirche in Deutschland hat vor einiger Zeit eine Studie zum Thema Kircheneintritt präsentiert. Aus der Studie, die den Titel „Schön, dass Sie (wieder) da sind“ trägt, geht hervor, dass in den vergangenen 15 Jahren die Zahl der Eintritte, Erwachsenentaufen und Übertritte zur evangelischen Kirche kontinuierlich bei etwa 60.000 Menschen pro Jahr liegt, in Mecklenburg ca. 380 pro Jahr – Tendenz leicht steigend.

Künftig soll noch mehr auf eine “Willkommenskultur“ und eine „Stimmung der geöffneten Tore und Türen“ in der evangelischen Kirche gesetzt werden. Die Mecklenburgische Landeskirche vermittelt Menschen neue Zugänge zum christlichen Glauben und macht die Kirche als Ort der Beheimatung erlebbar.

Innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland gibt es gegenwärtig einen Reformprozess unter dem Motto „Kirche im Aufbruch“, mit dem Ziel, dass Kirche „innovativ, einladend und ansprechend neu“ auf Menschen zugeht. In der neuen Kirche im Norden soll dieses Ziel auch durch eine Arbeitsstelle für den Dialog mit Menschen, die keiner Konfession angehören, verfolgt werden.

Sie wird ihren Sitz in Rostock haben und eine breite Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen des Gemeinwesens anstreben. Dabei ist beabsichtigt, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen und aus dem Blickwinkel kirchlicher und religiöser Distanziertheit Fragen zu stellen und Antworten neu zu kommunizieren.

Frage: Die offiziellen Arbeitslosenzahlen lesen sich gut – knapp unter drei Millionen, so wenig wie seit 18 Jahren – zumindest in einem Herbst – nicht. Die Realität sieht anders aus, sieht man sich die Anzahl der Arbeitslosengeld 2-Empfänger, der „Aufstocker“, der prekär Beschäftigten und der auf dem zweiten Arbeitsmarkt Tätigen an. Wie beurteilen Sie die gesellschaftliche und soziale Situation in Deutschland, speziell in MV?

Kirchenrat Markus Wiechert: Die statistische Entwicklung ist sicherlich erfreulich. Dennoch gibt es soziale Verwerfungen und wir stehen in der Gefahr, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander geht. Wenn derzeit von einem neuen Wachstum gesprochen wird, sollten wir auch fragen, wer von diesem Wachstum profitiert.

Es reicht meines Erachtens nicht aus, Wachstum an einer Steigerung des Bruttoinlandsproduktes zu messen. Das sind Zahlenspiele, von denen Menschen, die zuwenig verdienen um davon leben zu können, nichts haben. Es braucht Regelungen, die der besonderen Verantwortung der Arbeitgeber für Existenz sichernde Löhne gerecht werden. Und neben der Verbesserung der Grundsicherung gilt es, die soziale und kulturelle Teilhabe von Kindern und Jugendlichen zu sichern.
Im aktuellen Vermittlungsverfahren zwischen Bundesrat und Bundestag sollte als Maßstab für die Neugestaltung der Grundsicherung gelten, dass die Armutsbekämpfung effektiv unterstützt und notwendige Bedarfe gesichert werden.

Frage: Weihnachten ist ein Fest des Friedens, aber auch der Nachdenklichkeit, des „Sich-Zurückbesinnens“. Welche Gedanken, Hoffnungen verbinden Sie mit dem Weihnachtsfest?

Kirchenrat Markus Wiechert: Lange vor der Geburt Jesu hatte der Prophet Micha ein gutes Wort für den kleinen Ort Bethlehem, in dem Jesus geboren wurde: Und du Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei. Und er wird der Friede sein.“ (Micha 5,1+4). – Dem Kleinen wird eine große Veränderung angesagt.

In dem kleinen unscheinbaren Ort Bethlehem soll der geboren werden, der Frieden in die Welt bringen will. Die Verhältnisse damals waren nicht einfach. Menschen warteten sehnsüchtig auf bessere Zeiten. Menschen, die sich klein und ohnmächtig fühlten. Zu Weihnachten gibt es durch die Geburt eines kleinen Kindes einen neuen Anfang. Nicht im Palast des Königs, sondern im Stall wird das göttliche Kind geboren. Engel bringen die Friedensbotschaft zuerst den Hirten, die abseits auf den dunklen Feldern sind. Das Kind wächst und zeigt den Menschen Wege zum Frieden. – Was im Kleinen beginnt hat bis heute große Kraft. Zu Weihnachten möchte ich mich jedes Jahr neu darauf besinnen und achtsam für neue Anfänge sein, die im Kleinen beginnen. Für Menschen, die sich klein gemacht fühlen. Weihnachten sagt uns: Das Kleine hat Zukunft. Im Kleinen beginnt der Friede zu wachsen. Unterschätzen wir das Kleine nicht!

Ich wünsche allen Lesern gesegnete Weihnachten!

Vielen Dank für die interessanten Antworten und auch Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Jahresauftakt 2011 sowie ein erfolgreiches neues Jahr!

Die Fragen stellte Marko Michels