Warum wir ein Kohlekraftwerk in Lubmin brauchen

Lothar Wilken, Hauptgeschäftsführung der VUMV: Strom kommt leider nicht von allein aus der Steckdose, sondern muss auf verschiedenen Wegen erst dafür hergestellt werden.

Privatkunden und Betriebe wollen eine hohe Versorgungssicherheit auch in Zukunft und bezahlbare Preise. Diese sind in Deutschland schon jetzt besonders hoch. Das belastet auch die Wirtschaft und hat Auswirkungen auf Arbeitsplätze. Wenn in Frankreich Nahrungsmittel mit deutlich niedrigeren Energiepreisen hergestellt werden können, haben deren Waren  im Supermarktregal hier bei uns bessere Chancen. Die Produzenten in Mecklenburg-Vorpommern können weniger verkaufen und damit z.B. auch die Zahl ihrer Beschäftigten nicht halten.

Wir brauchen einen Energiemix aus verschiedenen Herstellungsformen, weil sonst die Preise noch deutlich weiter steigen: Die Stromkunden bezahlen schon die politisch gewollte Entscheidung zum massiven Ausbau regenerativer Energien. Alternative Energieformen sind sinnvoll, aber leider in der Produktion noch sehr teuer. Auch bedeutet ein massiver Ausbau der Wind- und Solarenergie, dass trotzdem zusätzliche (teure) Kraftwerke parallel bereit stehen müssen, um die Grundlast zu tragen und z.B. bei Flaute und Dunkelheit einzuspringen. Kernkraftwerke produzieren Strom zwar sehr kostengünstig, wenn sie abgeschaltet werden, muss ein Ersatz aber bereit stehen. Wenn dann aber die Kohlekraftwerke auch politisch abgelehnt werden, wird Strom in Deutschland nochmals knapper und damit weiter teurer. Auch die Arbeitsplätze verschwinden oder werden gar nicht erst geschaffen.

Wir dürfen nun nicht auch noch in die Falle der Klimadiskussion tappen. Wo wird denn  wohl zukünftig der Strom produziert?  In anderen Ländern, und jeder darf sich dann fragen, welche Umweltstandards dort dann gelten. Die Ablehnung eines Kohlekraftwerkes in Lubmin bedeutet nicht, dass auf der Welt weniger Kohlendioxyd entsteht, eher mehr. Fehlender Neubau in Deutschland führt logischerweise auch zu längeren Laufzeiten der alten, ökologisch bedenklicheren Kraftwerke. Die dafür notwendigen  Emissionszertifikate können (teuer) gekauft werden. Effekt: mehr Emissionen, höhere Strompreise.
Leider haben wir auch schon erhebliche Defizite bei den Netzen.

Die Leitungen reichen nicht aus, um Strom aus Nachbarländern ausreichend in das Land führen zu können. Das Einspeisen von Windenergie stößt an Grenzen, wenn der Strom nicht in die Verbrauchsregionen geführt werden kann. Auch hier wird der nötige Ausbau  durch Neinsager behindert.  Auch hat es bewährt, die Kraftwerke nicht zu konzentrieren, sondern viele Einheiten überall zu verteilen und damit flexibel umschalten zu können. Jede Region trägt damit auch für sich selbst Verantwortung. Einige im Land sind stolz darauf, dass wir rechnerisch einen hohen Prozentsatz unseres regionalen Verbrauches durch Ökostrom  abdecken. Was aber machen wir, wenn die Solidarität der süddeutschen Stromverbraucher schwindet, den bei uns produzierten Windstrom – der dort nicht ankommt! – mit ihrer Stromrechnung zu bezahlen?

In vielerlei Hinsicht ist das ehemalige KKW-Gelände in Lubmin ein Glücksfall für die Stromproduktion: Wir haben einen traditionellen Energiestandort mit Grundakzeptanz in der Bevölkerung. Die starken Leitungen sind vorhanden, der Antransport der Rohstoffe kann über das Wasser statt über enge Straßen erfolgen. Es spricht deshalb sehr viel dafür, dort  moderne Stromproduktionsanlagen zu errichten. Dabei müssen die bestehenden Umweltgesetze natürlich eingehalten werden, aber bitte keine einseitige Übererfüllung der europäischen Normen.

Noch zu wenig Schwung sehen wir bei der Nutzung der großen Energiemengen, die als Wärmeabfall einfach unsinnig abfließen sollen. Jedes vernünftige kleine Heizkraftwerk nutzt inzwischen eine Kopplung von Stromproduktion mit  Wärmeversorgung. Es könnte sehr wirtschaftlich sein, auch im Umfeld um den Kraftwerksstandort z.B. eine großflächige Produktion von Blumen, Obst und Gemüse durch Nutzung dieser Abfallwärme zu schaffen oder innovative Trocknungsanlagen zu bauen.  Fünf Ernten pro Jahr mit Fruchtfolge sind schon in speziellen Anbaugebieten in Spanien möglich und bringen gute Erträge. Warum können wir nicht das Erfolgsmodell Holland durch große Unterglasproduktion noch weiter perfektionieren? Müssen Deutschlands Rosen und Zuckerschoten immer aus Afrika kommen? Das würde dann einen weiteren Arbeitsplatzschub bedeuten. Einzelne kleine Landwirte können das Gesamtkonzept wohl nicht stemmen, hier sind Zusammenschlüsse und Investoren notwendig – die aber schon ihren Blick auf den Rohstoff Wärme in der Region gerichtet haben.
Nach einem intensiven Abwägungsprozess hat  die Wirtschaft des Landes deshalb gegenüber der Landesregierung deutlich gemacht, dass sie den Bau des Kohlekraftwerkes in Lubmin für wichtig hält.