Vor 60 Jahren: Auflösung des „Speziallagers Nr. 2“

Kommunistischer Kampf gegen den „Sozialdemokratismus“ ab 1946

Vor 60 Jahren wurde das „Speziallager Nr.2“ des NKWD in Buchenwald aufgelöst. 1937 von den Nationalsozialisten als Konzentrationslager errichtet, endete die mörderische Geschichte des Lagers Buchenwald nicht mit Kriegsende im Mai 1945, sondern sollte noch weitere fünf Jahre dauern.

Es diente der russischen Besatzungsmacht als Speziallager zur Internierung u.a. von Nationalsozialisten, Opportunisten des NS-Regimes, aber auch von Sozialdemokraten, die eine Vereinigung mit der KPD ablehnten bzw. gegen eine Stalinisierung der Gesellschaft in der sowjetischen Besatzungszone aufbegehrten, von christlichen und liberalen Demokraten, aber auch von Kommunisten, die den „russischen Weg“ zum Sozialismus verneinten.

Insbesondere der Kampf gegen den „Sozialdemokratismus“ stand im Mittelpunkt der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung nach 1945 in der SBZ/DDR. Nachdem die SPD nach der „diktatorischen Vereinigung“ (Prof.Dr. Wolfgang Leonhard) mit der KPD 1946 aufgehört hatte zu existieren, und begonnen wurde, CDU und LDP gewaltsam gleichzuschalten, wurden die früheren Sozialdemokraten innerhalb und außerhalb der SPD verfolgt.

Die Durchsetzung des (Marxismus-)Leninismus innerhalb der SED war seitens der sowjetischen Besatzungsmacht und führenden ehemaligen KPD-Funktionären mit dem Kampf gegen Oppositionelle in den „eigenen Reihen“ verbunden.

So hatte Walter Ulbricht auf einer SED-Parteivorstandstagung am 29./30.Juni 1948 die Partei neuen Typs gefordert, die sich ideologisch und organisatorisch an der „Vorbildrolle“ der KPdSU orientieren sollte. Mit dieser Forderung verband sich im September 1948 der Beschluß des SED-Parteivorstandes zur „organisatorischen Festigung der Partei und für ihre Säuberung von feindlichen und entarteten Elementen“.

Gedacht war an ein Kontrollgremium in der Größenordnung von 200000 bis 250000 Parteifunktionären. Diese sollten „generalstabsmäßig“ die Säuberung der SED von „Feinden“, insbesondere von früheren Sozialdemokraten, betreiben.

Hatten bis dahin die Parteischiedsgerichte eine zentrale Funktion beim Ausschluß von Parteimitgliedern, so sollten ab 1948 die Parteikontrollkommissionen in den Ländern Parteiausschlüsse „ungewünschter“ Mitglieder effizienter und konsequenter praktizieren.

Nach dem Vorbild der Kontrollkommissionen der KPdSU gab es eine enge Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft und den „Sicherheitsorganen“. Viele Sozialdemokraten und sozialdemokratische Sympathisanten , die offen gegen die sich etablierende kommunistische Diktatur auftraten, wurden intensiv bespitzelt, aus öffentlichen Ämtern gedrängt, inhaftiert oder sogar getötet. Viele SPD-Mitglieder bzw. -Anhänger kamen dabei auch in das „Speziallager Nr.2“ des NKWD in Buchenwald.

Wie sehr der Kampf gegen die in die SED zwangseingegliederten SPD-Mitglieder im nach 1946 Vordergrund stand, beweist der Anhang zu den Beschlüssen des SED-Parteivorstandes zur Gründung der Parteikontrollkommission vom September 1948 zum „Zustand“ der SPD nach 1945 bzw. zu den „rechten Opportunisten“ der SPD: „ … Für das Gros der alten (SPD-)Mitglieder galt dasselbe wie bei der KPD. Sie waren 1933 stehengeblieben. Ein großer Teil war vom Faschismus beeinflusst, hatte vor dem Faschismus kapituliert. Sie aus dem Beharrungsvermögen zu lösen und auf die Politik von 1945 auszurichten und die vielen neuen Menschen, die zur Partei kamen, zu erziehen, war ebenfalls große Arbeit. Unter den neuen Mitgliedern (der SPD) waren viele, die gegen die SU eingestellt waren.
Diese verurteilten Hitler, weil er den Krieg verloren hatte. Ihr Haß ging gegen die Rote Armee, weil sie den Krieg gewonnen hat … Eine andere Seite der organisierten Arbeit des Klassenfeindes: die Hauptgefahr, die rechten Opportunisten (der SPD). Von dieser Seite (gab es) das stärkste Trommelfeuer auf die Partei. Es gab vor der Vereinigung viele Mitglieder (der SPD), die mit der Vereinigung nicht einverstanden waren.

Aber sie sind mit in die Partei hineingekommen. Wir (die Kommunisten) wollten sie nicht haben. Deshalb haben wir starke rechtsopportunistische Kräfte, die die Partei für sich benutzen wollen. Die Rechtsopportunisten wollten die SED zur Sozialdemokratischen Partei machen. Solche Tendenzen, die ein Mittelding zwischen radikaler Beredsamkeit und Rechtsopportunismus sind.

Je größer die Ausweglosigkeit und Aussichtslosigkeit dieser Leute wird, d.h., dass die SED keine SPD wird, desto gemeiner werden ihre Methoden. Heute sind sie nur noch Agenten des amerikanischen und englischen Imperialismus. Wenn wir diese Erscheinungen von der Vereinigung bis vor wenigen Monaten nicht so sehr an der Oberflächlichkeit gesehen haben, dann weil diese Leute bis vor kurzem gehofft haben, die SED einfach zur SPD machen zu können.

Wir haben keinen Kurswechsel, keine neue Linie. Die Tätigkeit der SPD besteht doch in nichts weiter als in der Zersetzung, in der Zerstörung. Wir haben in der Zone (der SBZ) viel erlebt. Die SPD hat einfach die Aufgabe: ideologisch und praktisch den neuen Krieg in der Arbeiterklasse vorzubereiten. Sie sind für den Krieg gegen die Sowjetunion. Wir müssen unsere Partei zur größten Wachsamkeit erziehen. Die Sabotageakte nehmen nicht ab, sondern nehmen zu …“ (siehe Mecklenburgisches Landeshauptarchiv, MLHA, BPA Schwerin, IV/L/2/4/135)

Albert Kruse, Schweriner Bürgermeister nach 1945, war nach 1946 für das SPD-Ostbüro aktiv.Prominente Opfer waren u.a. die in die SED zwangseingegliederten Sozialdemokraten Albert Kruse (Bürgermeister in Schwerin), Albert Schulz (Oberbürgermeister in Rostock), Karl Moritz (nach 1945 Kreisvorsitzender der SPD in Wismar), Max Fank (nach 1945 Vorsitzender der Stralsunder SPD), Bernhard Pfaffenzeller (nach 1945 Landrat des Landkreises Hagenow) und Aurel von Jüchen (Pfarrer an der Schelfkirche in Schwerin), die 1948/49 aufgrund ihrer sozialdemokratischen Gesinnung aus der SED ausgeschlossen, sowie Friedrich Schwarzer (Oberbürgermeister in Neubrandenburg), Walter Freese (nach 1945 Vorsitzender der SPD in Greifswald) bzw. Wilhelm Dühring (nach 1945 Vorsitzender der SPD in Neubrandenburg), die ebenfalls wegen „praktizierten Sozialdemokratismus“ 1950 aus der SED „entfernt“ wurden.

Im Zeitraum vom April 1946 bis Anfang 1950 wurden in Mecklenburg und Vorpommern rund 5000 Sozialdemokraten „diszipliniert“, verhaftet oder sogar ermordet.

Einige Sozialdemokraten und Anhänger der SPD, aus Mecklenburg und Vorpommern, wurden auch im „Speziallager Nr. 2“ des NKWD in Buchenwald inhaftiert.

Marko Michels

Foto: Stadtarchiv Schwerin