Von der Weitsprung-Grube in den Eiskanal

Der gebürtige Stralsunder Carsten Embach im Blickpunkt

Mecklenburg-Vorpommern – das Land der Möwen, Heringe, Ostsee-Schnittchen und erfolgreichen Athleten ist auch im Wintersport eine Macht. Darüber berichtete WEB M-V in den letzten Jahren bereits mehrfach – auch über die Bob-Asse, wie Meinhard Nehmer (Rügen), Torsten Voss (Schwerin) oder Ulf Hielscher (Neubrandenburg) bzw. über den Skeleton-Erfolgssportler Sandro Stielicke aus Teterow.

Sie alle waren bei Olympia, WM, im Weltcup und bei EM dabei und sehr erfolgreich. Das gilt auch für den 1968 in Stralsund geborenen Carsten Embach, der auch von der Leichtathletik kommend, den Weg zum Bobsport fand. So  wurde Carsten Embach in den Hoppe-Vierer-Bobs Dritter der Olympischen Winterspiele 1994, Weltmeister 1995/1997, WM-Dritter 1996 und dann in den Andre-Lange-Vierer-Bobs Weltmeister 2000, Vize-Weltmeister 2001, Olympiasieger 2002 bzw. Weltmeister 2003.

Zuvor war Carsten Embach aber ein erfolgreicher Weitspringer mit der Bestweite von 8,11 Metern. Er war der letzte DDR-Hallen-Meister im Weitsprung – vor Jens Hirschberg (SC Magdeburg) und Andre Müller (SC Empor Rostock) – und Fünfter der Hallen-EM 1990. Bei den letzten DDR-Freiluft-Meisterschaften in der Leichtathletik wurde Carsten Embach Dritter – hier hinter dem Sieger Andre Müller (SC Empor Rostock) sowie Jens Hirschberg (SC Magdeburg)

Bis 2010 war Carsten Embach Bundestrainer bei den Herren und auch Trainer der Bobsportlerinnen Romy Logsch/Cathleen Martini und ist jetzt Referent für den Olympischen Wintersport beim Deutschen Olympischen Sportbund.

Nachgefragt

Frage: Nun ist M-V nicht gerade die Hochburg des Welt-Bobsportes … Wie gelangten Sie als Stralsunder zum Schlittensport?

Carsten Embach: Ich bin ja in Stralsund zur Leichtathletik gekommen, nahm an Kreis- und Bezirksspartakiaden erfolgreich teil und wurde letztendlich an die Kinder- und Jugendsportschule Potsdam delegiert. Viele Jahre war ich dann im Weitsprung erfolgreich, übersprang die 8-Meter-Marke. In den jeweiligen Trainingslagern gab es dann einen guten Kontakt zu den „Bobbies“, zahlreiche Freundschaften entstanden.

Nach der Wende änderten sich – wie in der gesamten ehemaligen DDR – die Sportstrukturen, auch mein damaliger Leichtathletik-Trainer musste zur Sicherung des Lebensunterhalts Versicherungen verkaufen. Die Bedingungen wurden somit auch für mich alles andere als optimal. Im Jahr 1992 sprach mich dann ein ehemaliger Schulkamerad an, ob ich nicht Interesse hätte, bei den Bobfahrern einzusteigen. Ich machte als Anschieber in Oberhof dazu einen ersten Versuch und wurde sofort, als „absolut talentiert“ für den Bobsport befunden. Dennoch erbat ich mir eine zweimonatige Bedenkzeit und willigte ein, was sich aus heutiger  Sicht als eine der besten Entscheidungen in meinem Sportlerleben herausstellte.

Hinzu kam, dass ich mir aufgrund einer Sprunggelenkverletzung im Weitsprung ohnehin eine neue sportliche Perspektive suchen musste. So landete ich eben bei den Bobsportlern, bei Wolfgang Hoppe später bei Harald Czudaj und dann bei dem Erfolgspiloten Andre Lange.

Frage: Sie wurden Olympiasieger 2002. Für Sie auch der schönste sportliche Erfolg in Ihrer Karriere?!

Carsten Embach: Jede Medaille, jeder Erfolg ist auf seine Weise schön. Hinter jeder Medaille und hinter jedem Sieg, ob bei Olympia, WM oder EM, steckt ja eine eigene besondere Geschichte. Das macht ja jeden Erfolg auch auf eine ganz subjektive Weise so einzigartig. Dennoch: Der Olympiasieg 2002 in Salt Lake City ist schon der Höhepunkt meiner Karriere – der Olympiasieg ist nun einmal das Allergrößte, was eine Sportlerin bzw. ein Sportler erreichen kann.

Nachhaltig bleiben mir auch die Olympischen Winterspiele 1994 in Lillehammer in Erinnerung. Damals war ich erst anderthalb Jahre im Bobsport dabei und gleich bei den ersten Spielen gewann ich Bronze. In Nagano wurde ich als Ersatzmann nominiert und 2002 gab es das erwähnte Olympia-Gold.

Sehr emotionsreich ging es bei den WM 1995 in Winterberg und 2000 in Altenberg zu. Es ist doch immer etwas ganz Besonderes vor heimischer Kulisse starten zu können, hautnah die Begeisterung der Zuschauer, der eigenen Familie/Fans zu spüren.

Dennoch: Ich unterscheide schon zwischen meinem größten Erfolg und meiner größten Leistung. Der größte Erfolg war unbestritten der Bob-Olympiasieg 2002, die größte sportliche Leistung sind jedoch meine Sprünge über die 8 Meter-Marke im Weitsprung.

Frage: Sie waren selbst Trainer … Was ist leichter – die Arbeit als Trainer oder das „Aktiv sein“ im Bob?

Carsten Embach: Das kann ich ziemlich eindeutig beantworten … Die Arbeit als Trainer ist ungleich schwieriger als Aktiver. Als Sportler, der bereits in entsprechende Leistungsbereiche vordrang, ist das Talent ohnehin vorhanden, die Motivation stimmt, vieles fällt einem zu. Als Trainer hat man es jedoch mit den unterschiedlichsten Persönlichkeiten und Charakteren zu tun.

Einerseits betreut man sehr talentierte Athleten, andererseits gibt es auch diejenigen, die nicht so viel Talent mitbringen. Die Erstgenannten gilt es zusätzlich beim Training zu motivieren, bei den anderen gilt es, sie an ihre Leistungsgrenzen zu führen. Mitunter steht man als Trainer vor sehr schwierigen Entscheidungen, gerade, wenn es darum geht, Athleten zu offenbaren, dass sie es nicht bis ganz nach oben schaffen werden. Das sind dann harte Entscheidungen, die aber notwendig sind.

Ansonsten ist es so, dass sich Sportler wiederum leichter trainieren lassen, als Sportlerinnen. Diese müssen viel sensibler trainiert werden, etwas, was ich während meiner Karriere als Trainer auch erst lernen musste.

Zweifellos machte ich die Erfahrungen, dass Sportlerinnen viel mehr hinterfragen, als es die männlichen Kollegen tun. Denen kann man einen Trainingsplan geben und sie machen es dann in der Regel so. Das ist bei den Sportlerinnen schon anders. In manchen Fragen sind diese allerdings auch lenkbarer.

Frage: Mecklenburger und Vorpommern scheinen die „großen Nummern“ im Bobsport zu sein, denkt man nur an Meinhard Nehmer, Ulf Hielscher,  Torsten Voss oder Sie … Gibt es weitere ambitionierte Bobsportler „Made in M-V“, die Sie im Blick haben?

Carsten Embach: Ja, die gibt es. Der 1985 in Anklam geborene Marko Hübenbecker, der einige Jahre ein erfolgreicher Kugelstoßer bzw. Diskuswerfer beim SC Neubrandenburg war, ist ein großes Talent aus  M-V. Marko konnte zweimal den ersten Platz im Europacup 2009/10 im Zweierbob belegen, war in jener Saison auch Gesamt-Zweiter des Europacups im Zweier-Bob und belegte bei den Junioren-WM im Vierer-Bob 2010 Rang vier. In diesem Jahr, 2011, wurde er Junioren-Weltmeister im Zweier-Bob.

Auch eine Sportlerin, die von der Leichtathletik kommt, einige Jahre beim SC Neubrandenburg trainierte und nun den Weg zum Bobsport fand, ist Petra Lammert. Die Hallen-Europameisterin 2009, EM-Dritte 2006,  Europacup-Erste 2007 sowie WM-Fünfte 2007 im Kugelstoßen, ist seit mehr als einem halben Jahr Bobsportlerin. Zusammen mit Sandra Kiriasis wird Petra die Weltcup-Saison 2011/12 bestreiten. Ihren Test als Anschieberin in Oberhof absolvierte Petra auf Anhieb mit Bravour!

Sowohl Marko Hübenbecker, als auch Petra Lammert sind vielversprechende Talente, wenn man so will „aus dem Norden“, aus M-V, für den Bobsport!

Frage: Wie beurteilen Sie das internationale Kräfteverhältnis im Bobsport für den Winter 2011/12?

Carsten Embach: Nach den Olympischen Winterspielen in Vancouver beendeten einige Bobpiloten ihre leistungssportliche Karriere. Vieles  ist daher auch im Bobsport im Umbruch. Die große Bob-Nation Schweiz konnte daher bei den WM 2011 in Königssee nicht wie gewohnt in den Kampf um die Medaillen eingreifen, dort gab es auch interne Querelen, fehlende finanziellen Mittel um an den Übersee-Weltcups teilnehmen zu können. Generell findet gerade eine Neuordnung in allen Nationen statt, in der Hoffnung das Deutschland weiterhin eine der führenden „Eis“-Nation bleibt.

Aber mit Blickrichtung Olympia 2014 wird man auch dort jede Anstrengung unternehmen, um die deutschen Bob-Fahrer wieder herauszufordern. Ähnliches gilt für die Amerikaner, die mit dem Holcomb-Vierer-Bob WM-Bronze 2011 erkämpften oder für die Russen, dank Alexander Zubkow Zweier-Bob-Weltmeister 2011. Die russischen Athletinnen bzw. Athleten werden sicherlich noch weitere, zusätzliche  Ambitionen im Hinblick auf die olympischen Entscheidungen im Bobsport bei den Herren und Damen für Sotschi hegen.

Für die deutschen Bobsportlerinnen und Bobsportler verliefen die WM  2011 ja sehr erfreulich: WM-Gold bei den Frauen durch Cathleen Martini/Romy Logsch, Zweier-Bob-Silber durch Thomas Florschütz/Kevin Kuske, Zweier-Bob-Bronze durch Manuela Machata/Andreas Bredau, Vierer-Bob-Gold durch Manuel Machata, Andreas Bredau, Richard Adjei bzw. Christian Poser und Vierer-Bob-Silber durch Karl Angerer, Alexander Rödiger, Christian Friedrich bzw. Gregor Bermbach. Aber das alles sind Moment-Aufnahmen. Bis Sotschi sind es ja noch mehr als zwei Jahre!

Weiterhin alles erdenklich Gute für Sie aus der alten Heimat!

C.E.: Ich bin in meinem Leben durch die ganze Welt gezogen, aber Mecklenburg-Vorpommern ist und bleibt meine Heimat, unabhängig davon dass meine Eltern immer noch in meiner Geburtsstadt Stralsund leben.

M.Michels