Von Celli und Criollos – Leidenschaften der Schlossherren

Mecklenburg-Vorpommern strotzt vor Schlössern, Guts- oder Herrenhäusern – klein oder groß, Hotels oder Museen, acht oder zwei Jahrhunderte alt.

Auf jedem zehnten Quadratkilometer steht eines, 2000 an der Zahl, in einer Dichte wie nirgends sonst in Europa. 1080 stehen unter Denkmalschutz, 30 Prozent davon sind wieder instand gesetzt. Dass etwa 300 Herrenhäuser touristisch genutzt werden, ist nicht zuletzt beherzten Investoren zu verdanken, die nach der Wende häufig in letzter Minute dem Verfall eines einstigen Prachtstücks Einhalt geboten. Einige erwarben alten Familienbesitz zurück, andere entdeckten ein Kleinod neu und blieben.

Criollos, Steaks und Hundemeute auf Gut Dalwitz
Sie heißen Storchennest und Gänsestall, die Ferienwohnungen auf Gut Dalwitz. Namen ganz nach der Fasson des Hausherren, denn Heino Graf von Bassewitz‘ Leidenschaft ist die Natur. Vor ein paar Jahren noch Berater des Landwirtschaftsministers von Uruguay, erwarb er gemeinsam mit seiner Frau, Gräfin Lucy von Bassewitz, 1992 das großväterliche Anwesen im Herzen Mecklenburgs zurück, das vor der Enteignung etwa 650 Jahre im Familienbesitz des mecklenburgischen Adelsgeschlechts war. Heute bietet das Gut neben Unterkünften im Herrenhaus oder Ferienwohnungen seinen Gästen ein Abenteuerpaket nach südamerikanischem Vorbild. Besucher dürfen sich als Viehtreiber versuchen oder mit der Hundeschar, der Mecklenburger Meute, auf Schleppjagd gehen. Alles nach echter Gaucho-Manier auf südamerikanischen Criollopferden, gezüchtet auf dem gutseigenen Reiterhof „La Primera“ mit 130 Pferden und Ponys, auf denen Urlauber das klassische wie auch das Westernreiten erlernen können.

Nebenbei setzt der promovierte Landwirt von Bassewitz auf biologischen Landbau mit Kühen und Legehennen. Vom Geschmack der deftigen Steaks aus der eigenen Rinderzucht können sich die Gäste im Hofrestaurant „La Remise“ oder auch auf einem der wöchentlichen Asados, den rustikalen Grillabenden, selbst überzeugen. Südamerikanische Rhythmen erwarten die Gäste übrigens in der Woche vom 29. Oktober bis 2. November 2008. Dann nämlich findet hier die 5. Criollo-Woche mit großem Rindertreiben und einem traditionellen südamerikanischen Abend statt. Informationen: www.gut-dalwitz.de

Kunstgenuss in Ulrichshusen
Auf Schloss Ulrichshusen mitten in der malerischen Landschaft Mecklenburgs steht die Kultur im Mittelpunkt. Der alte Adelssitz der Familie von Maltzahn ist nicht nur Schlosshotel, sondern auch musikalisches Herz der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Namhafte Orchester und Solisten, etwa der Cellist Daniel Müller-Schott oder die Violinistin Julia Fischer bringen die Konzertscheune gegenüber dem alten Schloss zum klingen.

„Wir setzen auf aufmerksame Gastlichkeit statt Hotelmaschinerie, auf Anfassbarkeit statt Abgehobenheit“, so der Hausherr Helmut von Maltzahn. In 34 Zimmern, individuell und stilvoll eingerichtet, empfängt er gemeinsam mit seiner Frau Urlaubsgäste, die, so von Maltzahn, hauptsächlich an Kultur und Natur interessiert seien.

Vorgefunden hatte die Familie die Wasserburg nach der Wende als Ruine. 1562 von Ulrich von Maltzahn erbaut, war das Schloss 60 Jahre später abgebrannt und wiedererrichtet worden, dann in schwedischer Hand, später Flüchtlingslager und vor der Wende LPG-Küche und Konsum. 1987 brannte das Renaissanceschloss erneut bis auf die Grundmauern nieder. Von Maltzahn, ehemaliger Geschäftsführer des Kosmetikkonzerns Lancaster, schreckte der Zustand nicht ab und er erwarb den alten Familienbesitz zurück. Mit Tatkraft restaurierte er das Schloss, das er aus Erzählungen seiner Großeltern kannte, und schuf ein kulturelles Kleinod. „Die eher strukturschwache Region brauchte mehr Aufmerksamkeit“, so von Maltzahn. Die hat sie heute zweifellos. Ulrichshusen empfängt jährlich etwa 15.000 Konzertbesucher und das ganze Jahr über Übernachtungsgäste – übrigens auch in gemütlichen Ferienwohnungen und zudem in Kürze auf dem nahe gelegenen Gut Tressow. Informationen: www.ulrichshusen.de

Übernachtungen ohne Strom und fließend Wasser
Im Gutshaus Belitz suchen sich Gäste ihre Zimmer nach ungewöhnlichen Kriterien aus – bettet man das Haupt wie der Gutsherr oder die Mamsell? Acht Gästebetten stehen zur Verfügung, in komfortablen Herrschafts- oder zweckmäßig schlichten Gesindezimmern, in denen man sich während der Urlaubstage je nach Geschmack und Geldbeutel auf eine Zeitreise begeben kann. Das Jugendstil-Haus ist 1906 erbaut worden und wird jetzt als original Drehort geführt.

„Dieses Haus muss man einfach sehen, um die Landesgeschichte zu verstehen“, so Hausherrin Barber Bongardt, die 1992 mit ihrem Mann selbst in das Haus mit Kachelöfen und ohne Fernheizung einzog, vorerst in drei Zimmer zur Miete. Die Bongardts hatten in jenem Jahr das großväterliche Gut übernommen, eigentlich um Ackerbau zu betreiben. 1945 war ihre Familie enteignet und aus Belitz vertrieben worden. „Nach der Wende mussten wir ganz neu anfangen“, so die gebürtige Ostfriesin.

Erst 1997 erwarben sie das Gutshaus von der Gemeinde und ließen es von außen restaurieren. Innen blieb alles alt: Raumaufteilung, Fliesen, Dielen, Doppelfenster. Das machte es zum idealen Schauplatz der Fernsehserie „Abenteuer 1900“. Und nach der Sendung kamen die Gäste. Mit original Requisiten bestückt zieht das Gut seither Besucher an. Die Kissen, auf denen einst die Protagonisten schliefen, betten nun Feriengäste. Wer nicht gleich über Nacht auf Zeitreise gehen möchte, den laden die Hausherren ganzjährig gern zu einer Hausführung mit Kaffee und Kuchen ein. Terminabsprache unter Tel. +49 (0)3997650314, www.gutshaus-belitz.com

Spukschloss Spyker
Auf eine gespenstische Schlossherrschaft ließ sich der Architekt Dominik von Böttinger ein. Er erwarb im März 2006 das Schloss Spyker auf der Insel Rügen, in dem, glaubt man dem Volksmund, noch der Geist des Feldmarschalls Carl Gustav Graf von Wrangel haust. Beide scheinen sich gut arrangiert zu haben, denn das Schloss erstrahlt nach seiner Zwangsversteigerung vor zwei Jahren in neuem Glanz. Das stilvolle Innere mit 32 Zimmern ist abgerundet mit Kunstwerken von Rodin, Christo oder Dalí. Je nach Gusto können sich Urlaubsgäste im Doppel- oder Turmzimmer oder auch in einer Maisonette einquartieren.
Noch heute bezaubern Stuckdekore die Decken in der Bel Etage. Von Wrangel, der bis 1676 im Schloss lebte, ließ das Schloss damit verzieren und darüber hinaus die vier märchenhaften Türme hinzufügen. Den markanten roten Außenanstrich hatte Wrangel ebenfalls in Auftrag gegeben.

Wer sich von dieser Komposition wie auch von der malerischen Landschaft nahe dem Großen Jasmunder Bodden inspirieren lassen möchte, ist herzlich eingeladen in das Haus am Spyker See, in dem mit etwas Fantasie noch Spuren des alten Feldmarschalls zu entdecken sind, beispielsweise – wenigstens dem Namen nach – im Hofrestaurant „Zum Wrangel“. Informationen: www.schloss-spyker.de