Usedomer Literaturtage: Zwischen Verrat und diktatorischer Staatsgewalt

Eginald Schlattners „Rote Handschuhe“ als Film mit anschließendem Gespräch / Mit der Inselrundfahrt den Norden Usedoms literarisch-musikalisch bereisen

Seebad Ahlbeck, 28. März 2012 (ff) – Der deutsche Pfarrer und Schriftsteller Eginald Schlattner aus Siebenbürgen wurde in den 50er Jahren von der rumänischen Staatsmacht verhaftet und wegen „Nichtanzeige und Hochverrat“ verurteilt. Am Freitag, den 30. März, 18 Uhr, liest Eginald Schlattner im Hotel Palace in Zinnowitz aus seinem autobiographischen Roman „Rote Handschuhe“. Darin verarbeitet er seine Vergangenheit, die von der Unmenschlichkeit der Diktatur geprägt ist. Radu Gabrea verfilmte 2010 Eginald Schlattners Werk. Nach der Präsentation des Filmes werden der Autor und der Regisseur im Gespräch mit Andreas Kossert die Verhältnisse von Deutschen und Rumänen im sozialistischen Rumänien näher beleuchten.

Eginald Schlattner wird Ende der 1950er Jahre als regimekritischer Student von der Securitate, dem rumänischen Geheimdienst, festgenommen. Nach Monaten schwerer Verhöre gibt er – damals vom Kommunismus überzeugt – Informationen über andere regimekritische Autoren preis. In seinem kontrovers diskutierten Roman „Rote Handschuhe“ (2000) rekapituliert Schlattner minutiös den Psychoterror des rumänischen Geheimdienstes. Schlattners Erinnerungen sind ein Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte und Zeugnis einer radikalen Selbsterforschung.

Im Wandel der Geschichte und der Geografie eines Landes zeigen sich die Hauptfiguren aus den Romanen der Schriftstellerinnen Joanna Bator und Eleonora Hummel. Beide lesen unter dem Titel „Starke Frauen“ am Donnerstag, 29. März, 19 Uhr, im Café Centrala in Swinemünde und erzählen in der deutsch-polnischen Veranstaltung die Geschichte von Familien, deren Leben von Vertreibung, Flucht und Enteignung geprägt wurde. Gibt es in einer sich ständig verändernden Gesellschaft so etwas wie ein Heimatgefühl? Kann man sich in einem Land heimisch fühlen, in dem man seine Muttersprache nicht mehr sprechen darf? Fragen, die beide Autorinnen gemeinsam mit dem Moderator und Dramaturgen der Usedomer Literaturtage Thomas Schulz erörtern werden.

Joanna Bator entführt den Leser in ihrem 2011 erschienenen Roman „Sandberg“ in die Provinz Walbrzych, ehemals Waldenburg. Anhand der Schicksale, Ängste und Träume zeichnet sie ein typisches Bild über das Leben in der polnischen Provinz zur Zeit der sozialistischen Diktatur. Nicole Henneberg von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung meint, einen vergleichbaren Einblick in die polnische Seele auf dem gegenwärtigen Buchmarkt vergebens zu suchen.

Eine ähnlich packende Familiengeschichte liefert Eleonora Hummel mit ihrem Debüt „Die Fische von Berlin“ und lenkt den Blick auf das Schicksal der Russlanddeutschen zwischen neuer Hoffnung und sozialistischer Bürokratie. Eleonora Hummel selbst wurde in Kasachstan geboren und kam 1982 mit ihrer Familie nach Dresden, wo sie noch heute lebt.

Mit der beliebten Literarischen Inselrundfahrt kann man am Freitag, den 30. März (10-15:30 Uhr) den Norden Usedoms entdecken. In Zempin, Mölschow, Trassenheide und im Historisch-technischen Museum Peenemünde werden Manfred Osten und Franziska Franke Lyrik und Kurzprosa von polnischen, rumänischen und deutschen Schriftstellern lesen. Eine Stärkung zum Mittag ist in Karlshagen geplant. Musikalisch begleitet wird die Fahrt von den Studentinnen der Hochschule für Musik und Theater Leipzig Corinna Schulz, Oboe, und Bettina Fritz, Flöte. Beginn ist um 10 Uhr im Inselhof in Zempin. Ein Buszustieg ist ab Ahlbeck möglich (Stationen: 9:00 Uhr HDE Ahlbeck, 9:10 Uhr Maritim Hotel Heringsdorf, 9:20 Uhr Öffentliche Haltestelle Sky Bansin). 15:30 Uhr endet die Fahrt wieder am Inselhof in Zempin. Der Bus fährt dann weiter nach Ahlbeck, mit einem zusätzlichen Haltepunkt im Hans-Werner-Richter-Haus (zur Lesung 16 Uhr).

Seit dem 12. Jahrhundert sind deutsche Siedler, von ungarischen Königen berufen, in die Karpatenregion gezogen um das Land urbar zu machen und Feinde abzuwehren, wodurch eine Vielzahl von Kirchen und Burgen entstanden. Noch heute erinnert der Name Siebenbürgen an die sieben Burgen deutscher Siedler. Diesem Teil der Geschichte Rumäniens widmet sich Arne Franke am Freitag, den 30. März, 16 Uhr, im Hans-Werner-Richter-Haus in Bansin. Mit Illustrationen und Bildern zeigt er die noch heute vorhandenen Ruinen, Burgen und Kirchen mit ihren Altären, Orgeln und Taufbecken. Moderiert wird der Nachmittag von dem Osteuropa-Experten Harald Roth, der das Vorwort zu Arne Frankes Buch „Das wehrhafte Sachsenland“ schrieb.

Karten und Informationen sind unter 038378-34647 erhältlich. Das komplette Programm ist unter www.usedomer-literarturtage.de zu finden.