Universität Rostock forscht zur Haltbarkeit von Gelenkersatz-Implantaten

Wissenschaftlerin untersucht die biologischen Wechselwirkungen mit Implantaten

Dr. Anika Jonitz-Heincke erklärt die Wechselwirkung von Metallpartikeln auf humanen Knochenzellen. Foto: Universität Rostock/Thomas Rahr

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, eine degenerative Gelenkerkrankung zu erleiden. Gelenkersatz-Implantate versprechen Hilfe. Der Bedarf wächst stetig. Wie aber wirken beispielsweise Hüft- und Knieendoprothesen auf den menschlichen Organismus? Und wie kann die Regenerationsfähigkeit von Knochen und Knorpel positiv beeinflusst werden, damit der Zeitpunkt der Implantation eines künstlichen Gelenks hinausgezögert werden kann?

„Wir möchten die biologischen Vorgänge im Gewebe nach dem Einsetzen von Implantaten im Bewegungsapparat verstehen“, formuliert Dr. Anika Jonitz-Heincke vom Forschungslabor für Biomechanik und Implantattechnologie (FORBIOMIT) der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Rostock die Herausforderung. Ein Ziel sei es, über elektrisch aktive Implantate die Regeneration von Knochen- und Knorpelgewebe auf natürliche Weise anregen zu können.
Mit diesen und anderen Fragestellungen setzt sich Dr. Jonitz-Heincke  auseinander. „In einem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt wollen wir in Zusammenarbeit mit unserem Projektpartner der Universität Erlangen-Nürnberg den Einfluss der elektrischen Stimulation auf Knochenumbauprozesse erforschen“, erläutert die Wissenschaftlerin.

Dieses aktuelle Vorhaben stellt eine sinnvolle Ergänzung des neuen Rostocker Sonderforschungsbereichs 1270 „Elaine“ dar, der ebenfalls durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft  gefördert wird.

Wissenschaftler aus mehreren universitären Einrichtungen der Bereiche Elektrotechnik, Informatik, Maschinenbau, Materialwissenschaften, Physik, Biologie und Medizin entwickeln gemeinsam elektrisch aktive Implantate zur Regeneration von Knochen- und Knorpelgewebe. Zudem wollen sie Möglichkeiten von Implantaten für die tiefe Hirnstimulation erforschen, die insbesondere bei der Therapie von Bewegungsstörungen zur Anwendung kommen.

Ein weiteres Ziel des Forschungsprojektes ist es, die implantatbasierte Versorgung für betroffene Patienten zu verbessern, sagt die 34-jährige Rostockerin. „Dabei spielen Implantatoberflächen, aber auch die natürlichen Vorgänge mit dem biologischen System des Menschen eine entscheidende Rolle.“ Im Mittelpunkt der Forschung steht das Verständnis über das Versagen künstlicher Gelenke, die Optimierung der Material- und Designeigenschaften, aber auch die Technik der operativen Versorgung sowie patientenbezogene Faktoren und deren Einfluss auf die Haltbarkeit des Gelenkersatzes.

Diese Forschung ist thematisch eng mit biotribologischen Fragestellungen verknüpft, denen sich Anika Jonitz-Heincke als studierte Biologin widmet. Tribologie beschäftigt sich mit Reibung, Schmierung und Verschleiß an Gelenkoberflächen. Die Biotribologie stellt den Zusammenhang zu biologischen Vorgängen her. „In diesem interdisziplinären Fachgebiet sind Gesetzmäßigkeiten der Medizin, der Biologie und der Physik miteinander verzahnt“, betont Anika Jonitz-Heincke und erläutert: „Wenn neue Implantatmaterialien entwickelt werden, müssen vor ihrem klinischen Einsatz die biologischen Wechselwirkungen mit der Implantat-Oberfläche und möglichen Verschleißprodukten erforscht werden“. Das ist wichtig, um bei Knie-und Hüftendoprothesen einen vorzeitigen Abrieb und eine Korrosion der Materialien zu vermindern und so die Haltbarkeit der Implantate zu erhöhen.“

Neben den biologischen Arbeiten von Dr. Jonitz-Heincke untersuchen Wissenschaftler des Rostocker Forschungslabors die Abriebbeständigkeit neuer Implantatmaterialien in speziellen Verschleißsimulatoren. Die biologische Arbeitsgruppe isoliert die entstehenden Abriebpartikel und nimmt diese im Zellkulturlabor unter die Lupe. Durch Inkubation mit Zellen wird das Entzündungspotenzial dieser Partikel erforscht. Bis heute ist nicht völlig geklärt, welche biologischen Prozesse im Organismus ablaufen, wenn Abriebpartikel und Metallionen im menschlichen Körper entstehen. „Diese Vorgänge müssen verstanden werden, um zukünftig verbesserte Implantatmaterialien, aber auch therapeutische Ansätze zu entwickeln, die die Verweildauer von Implantaten im Organismus erhöhen“, betont Anika Jonitz-Heincke.

Dass der Rektor der Universität Rostock, Professor Wolfgang Schareck, die Nachwuchs-Wissenschaftlerin bei ihrem Werdegang zur Habilitation innerhalb des speziellen Mentoring-Programms für Wissenschaftlerinnen unterstützt, dafür sei sie dankbar. „Wir wollen den Anteil von Frauen in Spitzenpositionen erhöhen“, betont der Rektor. Ihn imponiere, dass Frau Jonitz-Heincke für ihre Forschung lebe.

Jede Mentee hat einen internen, fachunabhängigen Mentor bzw. Mentorin aus der Universität Rostock sowie eine externe Mentorin oder einen Mentor aus ihrem Fachgebiet. Wesentlich sind dabei ein hierarchiefreier Erfahrungsaustausch mit der Mentorin oder dem Mentor, um dadurch Impulse für die eigene Karriere zu erhalten, informelles Wissen zu Spielregeln der zukünftigen Tätigkeitsfelder und strategische Kontakte in die Scientific Community auszutauschen. Das Seminarprogramm ist auf den spezifischen Karriereweg von jungen Nachwuchswissenschaftlerinnen zugeschnitten und ebnet ihnen neue Wege und einen interdisziplinären Erfahrungsaustausch.

Pressemitteilung / Universität Rostock / Wolfgang Thiel

Dr. Anika Jonitz-Heincke  erklärt die Wechselwirkung von Metallpartikeln auf humanen Knochenzellen. Foto: Universität Rostock/Thomas Rahr