Turnsportliche Herausforderungen in M-V

„Alles neu macht der Mai!“, heißt es in einem deutschen Sprichwort. Mitunter gibt es aber Abweichungen, wie jüngst auch beim Landesturnverband M-V geschehen…

TurnenSeit dem 1.April 2015 hat der Verband mit dem 29jährigen Sportwissenschaftler und Sportmanager Martin Rieprecht einen neuen Geschäftsführer, nachdem die bisherige Amtsinhaberin Kati Brenner zur neuen Geschäftsführerin des Organisationskomitees des Internationalen Deutschen Turnfestes 2017 in Berlin berufen wurde.

Im Landesturnverband sind dabei 145 Vereine mit rund 20000 Mitgliedern organisiert, die Sportarten wie Geräte-Turnen, Faustball, Orientierungslaufen, Rhönrad-Turnen, Trampolin-Turnen, Sportakrobatik, Gymnastik oder Rope Skipping anbieten bzw. präsentieren.

Zwischen EM und M-V

Fast zum Beginn der neuen Tätigkeit von Martin Rieprecht im Landesturnverband M-V gibt es nun die Europameisterschaften im Turnsport in Montpellier. Zwar ohne Mecklenburger Beteiligung, aber dennoch mit mecklenburgisch-vorpommerschen Turn-Interesse verbunden…

Bei den bisherigen Turn-EM der Frauen seit 1957 dominierten vor allem die „Großen Drei“. Sowjetische bzw. russische Turnerinnen erkämpften bis 2014 insgesamt 81 x Gold, gefolgt von Rumänien (50 x Gold) und Deutschland (mit Westdeutschland bzw. DDR / 12 x Gold). Für die deutschen Turnerinnen gab es 1961 durch Ute Starke im Sprung den ersten Turn-EM-Titel. Den vorerst letzten EM-Erfolg aus deutscher Sicht sicherte 2008 Oksana Tschusowitina ebenfalls im Sprung-Wettbewerb.

Die bisherige Erfolgsentwicklung im Herren-Geräte-Turnen zeichnet ein ähnliches Bild wie bei den Frauen. Dominierend waren auch hier seit 1955 Russland (mit UdSSR / 116 x Gold), Deutschland (mit Westdeutschland bzw. DDR / 22 x Gold) und Rumänien (19 x Gold). Die ersten goldenen EM-Plaketten für ein deutsches Team errangen 1955 Adalbert Dickhut im Sprung bzw. Helmut Bantz am Barren. Der vorerst letzte deutsche EM-Titel aus deutschem Blickwinkel ging auf „das sportliche Konto“ von Marcel Nguyen 2012 am Barren.

Rückblick auf Montpellier 2015

Bei den aktuellen EM 2015 in Montpellier dominierten die Teams aus Russland (viermal Gold, fünfmal Silber, einmal Bronze), Großbritannien (zweimal Gold, viermal Silber, zweimal Bronze), der Ukraine (zweimal Gold, einmal Silber) sowie der Schweiz (einmal Gold, zweimal Silber, zweimal Bronze). Giulia Steingruber (Schweiz) wurde Mehrkampf-Europameisterin und erkämpfte dazu Silber beim Sprung sowie Bronze am Boden. Bei den Herren siegte Oleg Vernialev im Mehrkampf und errang dazu Gold am Barren.

Wie beurteilt nun der neue Geschäftsführer des Landesturnverbandes M-V, Martin Rieprecht, das aktuelle Turn-Geschehen innerhalb und außerhalb von Mecklenburg-Vorpommern?!

Nachgefragt

M.Rieprecht über seine neue Tätigkeit beim Landesturnverband M-V, seine bisherige persönliche bzw. berufliche Entwicklung, den Stellenwert des Turnsportes hierzulande, die Entwicklung des Turnens in M-V und die Resultate der aktuellen Turn-EM

„Turnen bildet, Turnen verbindet und Turnen ist modern!“

Frage: Herr Rieprecht, Sie sind nun gerade einmal knapp drei Wochen im Amt. Konnten Sie sich schon etwas beruflich in Rostock einleben? Gab es schon einige Antrittsbesuche bei einigen Sportvereinen im Land?

Martin Rieprecht: Der Einstieg in eine neue Stelle in einer neuen Stadt ist natürlich immer eine Herausforderung, der ich mich aber sehr gern stelle. Meine beiden Kolleginnen haben mich bisher immer sehr gut unterstützt und mir den Einstieg so angenehm wie möglich gemacht. In der Geschäftsstelle in Rostock herrscht generell ein sehr gutes Arbeitsklima, wobei alle Mitarbeiter sehr herzlich und engagiert sind.

Ich kann somit Ihre erste Frage mit gutem Gewissen bejahen, auch wenn es noch viele Sachen gibt, in die ich mich noch einarbeiten muss. Dazu gehört natürlich auch der Kontakt zu den Mitarbeitern der Sportstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern und den vielen Mitgliedern, die in knapp 150 Vereinen bei uns organisiert sind. Dabei ist es mir wichtig, möglichst viele von diesen auch persönlich kennen zu lernen. Das nimmt natürlich etwas Zeit in Anspruch, ist aber aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt zu einer partnerschaftlichen und effektiven Zusammenarbeit.

Frage: Es soll ja tatsächlich noch Leute geben, die Sie nicht kennen… Wie verlief Ihre bisherige berufliche und sportliche Entwicklung?
Martin Rieprecht: Während und nach meinem Studium der Sportwissenschaften und des Sportmanagements an der Universität Leipzig habe ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent am Institut für Bewegungs- und Trainingswissenschaften in Leipzig gearbeitet.

In den Abendstunden und am Wochenende habe ich mich noch im Kanupark Markkleeberg, Europas modernster Wildwasseranlage bei Leipzig, und in einem Verein (LAZ Leipzig) engagiert. Ein wenig können Sie hier schon meine sportlichen Interessen erkennen.

Als Kind bin ich vom Turnen zur Leichtathletik gekommen und war hier auch viele Jahre lang leistungssportlich aktiv. Das Turnen habe ich dann während des Studiums wieder für mich entdeckt und auch einen Schwerpunkt hierauf gelegt. In meiner Freizeit bin ich neben Gerät- und Trampolinturner auch begeisterter Wassersportler (Kajak, Segeln).

Frage: M-V ist ja ein Land mit einer guten sportlichen Tradition insbesondere im Geräte-Turnen, in der Gymnastik sowie in der Sportakrobatik. Wie beurteilen Sie eigentlich den Stellenwert der Turnsportarten in Deutschland?

Martin Rieprecht: Das Turnen ist seit den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit (1896) fester Bestandteil des Olympischen Programms. Der Turnsport hat dabei vor allem in Deutschland eine sehr lange Tradition und nicht von ungefähr zählt der Deutsche Turnerbund zu den stärksten Mitgliedsverbänden im DOSB.

Bei internationalen Top-Events sind die deutschen Sportler immer im Kampf um die Medaillen mit dabei und ein Aushängeschild für den Deutschen Sport. Leider ist das Medien-Interesse an diesen Veranstaltungen noch nicht so hoch wie wir uns das wünschen würden, obwohl das Turnen hinsichtlich Spannung, Eleganz und perfekter Körperbeherrschung kaum zu überbieten ist.

Aber auch abseits des Spitzensports ist das Turnen beliebter denn je. Vor dem Hintergrund eines deutlich gestiegenen Gesundheitsbewusstseins in der Bevölkerung bietet das Turnen den idealen Rahmen, um sportlich aktiv zu werden.

Dabei bieten die Turnsportarten mit ihren unzähligen Vereinen ein breites Programm an Gesundheitskursen und Möglichkeiten, sportlich aktiv zu werden und dass über alle Altersklassen hinweg. Dass diese Angebote auch angenommen werden, zeigt sich dann natürlich auch in den Teinehmerzahlen.

Besonders beliebt ist das Kinderturnen als Möglichkeit für Kinder, vielseitig zu spielen, sich zu bewegen und Bewegungsfertigkeiten zu entwickeln. Gerade auch in einer immer bewegungsärmeren Umwelt bietet das Kinderturnen eine ideale Möglichkeit, vielfältige Bewegungs- und Wahrnehmungserfahrungen zu sammeln und stellt damit einen wichtigen Beitrag für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dar. Man könnte diese Liste noch endlos fortführen, ich denke aber, dass der Stellenwert der Turnsportarten in Deutschland bereits deutlich geworden ist. Turnen bildet, Turnen verbindet, Turnen ist modern!

Frage: Welche sportlichen Dinge wollen Sie eigentlich in M-V voran bringen?

Martin Rieprecht: Neben der Weiterentwicklung des Sport- und Bildungsangebotes unseres Verbandes wollen wir unter anderem auch bestehende Angebote im Bereich des Gesundheitssports weiter vorantreiben. Wir haben festgestellt, dass in der Bevölkerung die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen und günstigen Bewegungsangeboten im Gesundheitsbereich stetig steigt, egal ob im Kinder-, Erwachsenen- oder Seniorensport.

Hier wollen wir als Anlaufstelle für Interessierte stärker wahrgenommen werden. Mit dem Aufbau einer Datenbank zum bestehenden Sportangebot in unseren Mitgliedsvereinen hat meine Vorgängerin Frau Kati Brenner bereits eine wichtige Grundlage geschaffen, die nun auch intensiv genutzt werden kann. Mittelfristig wollen wir natürlich auch wieder ein Landesturnfest in Mecklenburg-Vorpommern organisieren.

Frage: Und ein Blick über den mecklenburgischen Turn-Tellerrand hinaus: Wie beurteilen Sie die Ergebnisse der Turn-EM 2015 in Montpellier?

Martin Rieprecht: Leider ist das Endergebnis bei dieser EM nicht so ausgefallen wie wir uns das für unsere deutschen Athleten gewünscht haben.
Unsere Medaillenhoffnungen lagen auf Matthias Fahrig am Sprung und Pauline Schäfer am Schwebebalken. Beide hatten im Finale kleine Patzer zu beklagen und konnten sich letztlich nur auf Rang 7 (Schäfer) und Rang 8 (Fahrig) platzieren.

Man sollte aber dennoch die generelle Leistungsfähigkeit der deutschen Mannschaft nicht unterschätzen. Fabian Hambüchen pausiert, um sich auf die Europaspiele in Baku vorzubereiten. Marcel Nguyen und Andreas Bretschneider sind derzeit verletzt und konnten nicht antreten. Bei den Frauen fehlten ebenfalls viele der Leistungsträgerinnen. Elisabeth Seitz, Kim Bui und Lisa-Katarina Hill sind alle nicht angetreten. Vor diesem Hintergrund sollte man das Ergebnis der EM nicht überbewerten. Wenn so viele unserer besten Sportler ausfallen und für den Rest noch etwas Pech dazukommt, ist bei einer so starken Konkurrenz einfach keine Medaille zu holen. Spätestens, wenn es zu den Qualifikationswettkämpfen für die Olympischen Spiele in Rio 2016 geht, werden unsere Sportler auf den Punkt fit sein.

Vielen Dank, dann maximale Erfolge in der neuen Tätigkeit und bestes Engagement für den Turnsport in M-V!

Marko Michels