Streit um Jugendweihe – Manuela Schwesig versus Marc Reinhardt

Ein Kommentar von Marko Michels

Wenn junge Politiker streiten, noch dazu unterschiedliche politische Ansätze haben, kann so ein Streit, so eine Diskussion durchaus fruchtbar, konstruktiv und interessant sein. Nicht jedoch, wenn dieser Streit verkürzt, ja ideologisiert wird. Nun warf Marc Reinhardt, der Vorsitzende der Jungen Union MV und CDU-Landtagsabgeordnete der Sozialministerin M-V und stellvertretenden SPD-Vorsitzenden, Manuela Schwesig, vor, bei einer Jugendweihefeier in Schwerin den Charakter der Jugendweihe verkürzt dargestellt, die Instrumentalisierung dieser zu DDR-Zeiten ausgelassen zu haben.

Manuela Schwesig soll wiederum von einer „guten demokratischen Tradition der Jugendweihe“ gesprochen und in ihrer Rede zudem die einstige Mitbegründerin der KPD, Rosa Luxemburg, sehr positiv erwähnt und dabei deren Äußerung „Die Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“ genannt haben.

Nun wird der Unbeteiligte fragen: „Wo ist das Problem?“ oder „Warum das ganze Lamentieren?“

Fakt ist, dass sowohl Reinhardt als auch Schwesig durchaus nicht Unrecht haben – in Einzelpunkten – und dennoch auch schlecht informiert sind. Fakt ist, dass die Tradition von „Jugendweihen“ bei den Freidenkern und freireligiösen Gemeinden seit Anfang des 19.Jahrhunderts aufkam und seit ca. 1890 sehr populär wurde – also auf dem Fundament der Toleranz, Freiheit und der gegenseitigen Achtung beruhten.

Gerade von der Sozialdemokratie wurde diese Tradition aufgegriffen. Viele Kinder aus sozialdemokratischen Familien nahmen während des Kaiserreiches und dann während der Weimarer Republik an der Jugendweihe teil, die nach sozialdemokratischem Verständnis jedoch nie gegen Konfirmation/Firmung stand und als kämpferische „Gegenveranstaltung“ betrachtet wurde. Im Gegensatz zur KPD, die in der Jugendweihe ein Bekenntnis auch gegen den „Klerikalismus“ sah.

Leider war es dann so, wie Reinhardt richtig bemerkte, dass in der DDR die Jugendweihe politisch mißbraucht sowie das antidemokratische KPD-Verständnis der Jugendweihe übernommen wurde und bis 1989 so praktiziert wurde. Und leider wurde wieder einmal „das berühmte Zitat“ von Rosa Luxemburg aus ihren „Breslauer Gefängnismanuskripten zur Russischen Revolution“ aus dem Zusammenhang gerissen und verkürzt wiedergegeben.

Gesagt hat Rosa Luxemburg nämlich: „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden, sich zu äußern.“ Ein kleiner, aber feiner Unterschied. Ja, nach KPD-Verständnis bedeutete eine Freiheit der Äußerung, noch lange nicht eine Freiheit des Handelns, des Individuums, gerade in gesellschaftspolitischer Hinsicht.

Keineswegs dachte Rosa Luxemburg an demokratische Strukturen. Hier sei Helmut Bärwald, der letzte Leiter des SPD-Ostbüros, der gesamtdeutschen Widerstandsbewegung der SPD gegen die kommunistische Diktatur in der DDR, aus seinem Aufsatz „Ein Denkmal für eine Feindin der Demokratie“ zitiert: „ … Rosa Luxemburg (1870-1919) gründete als Mitglied der SPD zusammen mit anderen Parteilinken im März 1915 die ‚Gruppe Internationale Spartakus‘ (Spartakusbund). Auf dem Gründungsparteitag der KPD am Jahreswechsel 1918/19 wurde diese Gruppe in eine ‚revolutionäre Partei der Arbeiterklasse‘ umgewandelt.

Das Programm des Spartakusbundes wurde von Rosa Luxemburg verfasst und auf dem Gründungsparteitag der KPD angenommen. Der letzte Absatz dieses Programms lautet: „Auf Proletarier! Zum Kampf! Es gilt eine Welt zu erobern und gegen eine Welt anzukämpfen. In diesem letzten Klassenkampf der Weltgeschichte um die höchsten Ziele der Menschheit gilt dem Feinde das Wort: Daumen aufs Auge und Knie auf die Brust!“

In einem Aufruf der Spartakusgruppe vom 8. November 1918 wird eine ‚Volksregierung mit Parlamentarisierung und anderem Plunder‘ abgelehnt. In ihrer programmatischen Rede auf dem KPD-Gründungsparteitag wies Luxemburg auf die ‚revolutionäre Ausnutzung der (künftigen deutschen) Nationalversammlung hin. Der ‚bürgerliche Staat‘ müsse ‚von unten‘ her ausgehöhlt werden, ‚indem wir überall die öffentliche Macht, Gesetzgebung und Verwaltung nicht mehr trennen, sondern vereinigen, in die Hände der Arbeiter- und Soldatenräte bringen‘ .  Diese Arbeiter- und Soldatenräte müßten lernen, die einzige öffentliche Gewalt im ganzen Reiche zu werden …

Luxemburg deklarierte den Kampf um den Sozialismus als den gewaltigsten Bürgerkrieg, den die Weltgeschichte gesehen habe … Luxemburg war nicht nur eine erbitterte Feindin der aufkeimenden parlamentarischen Demokratie in Deutschland, sondern auch der Sozialdemokratie und ihrer führenden Repräsentanten …“ So differenziert man das politische Leben von Rosa Luxemburg auch betrachten sollte, eine Ikone, ein Vorbild für junge Demokraten ist sie nicht, ganz im Gegenteil. Rosa Luxemburg wollte eine blutige Revolution gegen Andersdenkende, lehnte ein ein demokratisches Parlament und Gewaltenteilung ab.

Was bleibt also zur Auseinandersetzung Schwesig gegen Reinhardt?
Es wird wieder einmal viel verklärt – ob zur Thematik „Jugendweihe“ oder zu Rosa Luxemburg, von beiden politischen Seiten. Aber das ist in der politischen Kultur Deutschlands wohl üblich – auch in anderen Bereichen.