Sportlicher Wechsel 2010/11

Britta Kamrau, Langstreckenschwimmerin aus Rostock, über das Sportjahr 2010, die neuen Ambitionen 2011 und weitere Planungen

„Wenn das alte Jahr erfolgreich war, dann freu dich auf das Neue. Und war es schlecht – na dann erst recht!“, lautet eine „alte“ Jahres-Weisheit. Das sportliche Jahr 2011 begann bereits mit dem traditionellen Neujahrsskispringen und den diversen Neujahrsläufen. Aber noch wirkt auch 2010 nach.

Das Sportjahr 2010 war sicher ein gutes – gerade aus deutscher Sicht. Wow,  was Maria Riesch, Viktoria Rebensburg, Evi Sachenbacher, Claudia Nystad, natürlich Magdalena Neuner oder Verena Bentele bei den Winterspielen 2010 leisteten. Anni Friesinger sicherte in der Team-Verfolgung mit akrobatischem Einsatz Team-Verfolgungsgold. Tja, wenn Frauen etwas haben wollen, dann bekommen sie es auch … Und die Siegesserie der deutschen Sport-Fräuleins setzte sich fort … Sprinterin Verena Sailer, Ruderin Judith Sievers, die erste deutsche Goldmedaillengewinnerin bei Olympischen Jugendspielen, Janne-Friederike Meyer, die goldene Reit-Amazone  – na klasse, dass es noch einen Sebastian Vettel in der Formel 1 gab.

In MV ein ähnliches Bild: Ob Ramona Brussig, Marie Dräger, Berit Kauffeldt, Franziska Goltz, Carolin Köpping, Julia Dammann, Wassersprung-Trainerin Monika Dietrich oder die jetzige Ju-Jutsu-Landestrainerin Sabine Felser, nur ein paar Namen als Beispiele, – Frauen waren auch hierzulande top.

Aber letztendlich tut man den Herren auch ein wenig unrecht … Da waren ja noch die Raelert-Brüder im Triathlon, Rad-Ass Stefan Nimke, die Reiter „Made in M-V“, Kanute Martin Hollstein, Boxsportler Sebastian Sylvester, ein Toni Kroos, u.v.a.m.

Für Schlagzeilen sorgte auch Britta Kamrau, die beste Langstreckenschwimmerin aller Zeiten. Dieses Mal ging es nicht nur um ihr „spezielles Gespür für Wasser“, dieses Mal ging es um Paragraphen und Mutterglück! Wie sieht eine der erfolgreichsten MV-Sportlerinnen der modernen Sportgeschichte das Jahr 2010? Was bewegte sie? Was beeindruckte sie? Hat sie – nach dem Rücktritt vom Leistungssport – auch eine Träne im Auge?

„Das Leben wird weiterhin aufregend genug bleiben.“

Frage: Britta, das Jahr 2010 geht langsam, aber sicher zu Ende. Was bleibt für Sie persönlich von diesem Jahr? Was bleibt, was hallt nach?

Britta Kamrau: 2010 war für mich ein sehr glückliches Jahr, vielleicht das unbeschwerteste seit vielen Jahren. Ich habe dieses Jahr ganz ohne Leistungssport, Training und Wettkämpfe sehr genossen. Endlich konnte ich so viele Dinge tun, für die ich sonst nie Zeit hatte, mich zu 100 Prozent auf mein Referendariat konzentrieren und hatte vor allem endlich einmal genug Zeit für meine Familie und Freunde und auch für mich selbst. Ich habe die schriftlichen Prüfungen des 2. Staatsexamens hinter mich gebracht, was in diesem Jahr der größte Meilenstein war. Alles in allem ein sehr entspanntes und zufrieden stellendes Jahr.

Frage: Das Sportjahr 2010 war reich an Ereignissen, Olympische Winterspiele, Fußball-WM, die anderen WM und EM in den olympischen wie nichtolympischen Sportarten, viele Weltcup-Wettbewerbe, usw., usw. Was waren für Sie die Highlights des Jahres 2010?

Britta Kamrau: Natürlich gehörten die olympischen Winterspiele und die Fußball-WM für mich zu den Highlights des Jahres, weil es sich hierbei nun einmal um die Höhepunkte handelt, die in der Sportwelt am wichtigsten sind und dementsprechend Aufmerksamkeit verdienen. Als Sportlerin weiß man, was für Arbeit hinter diesen Wettkämpfen und Leistungen steht und fiebert daher umso mehr mit.

Frage: Viel passierte auch in MV, in Schwerin, in Rostock, in Greifswald, in Wismar oder in Neubrandenburg … Welche Sport-Asse der Region waren – ganz subjektiv betrachtet – die vermeintlichen sportlichen Heldinnen und Helden der zurückliegenden 12 Monate?

Britta Kamrau: Es wurden in der Einleitung ja bereits ausreichend Namen aufgezählt. Für mich persönlich waren die Leistungen der Realert-Brüder von besonderer Bedeutung, einfach weil wir uns seit vielen, vielen Jahren sehr gut kennen und befreundet sind und auch sie viele Jahre für diese tollen Erfolge gearbeitet haben. Da freut man sich natürlich sehr mit, wenn sie nun in einer so leistungsdichten und harten Sportart wie Triathlon – insbesondere auf der Langstrecke – die absolute Weltspitze darstellen und das als Bruderpaar.

Frage: 20 Jahre Nach-Wende-Zeit bedeuteten auch 20 Jahre neue Sportstrukturen. Sportpolitiker und Sportfunktionäre klopfen und klopften sich auf die Schultern, so als seien sie die Ursache der sportlichen Erfolge. Die Mainstream-Medien berichteten oberflächlich, auch Selbstkritik ist angebracht. Was empfindet eine Leistungssportlerin, eine nunmehr ehemalige, angesichts der Koketterie der sportiven Apparatschiki?

Britta Kamrau
: Ich denke, man darf ganz sicher nicht alle über einen Kamm scheren. Es gibt auch genug Menschen in den Sportgremien, die sich seit Jahren ehrenamtlich und aufopferungsvoll für den Sport einsetzen. Sicher gibt es auch Funktionäre, denen es mehr um ihre Position und Macht als um die sportliche Förderung geht. Es würde aber vieles nicht funktionieren, wenn es nicht doch auch genug sportlich begeisterte und engagierte Leute gäbe.

Ich kann das auch flächendenkend wenig einschätzen, so dass ich mir hierüber auch kein Kommentar erlauben möchte. Gerade hier im Nordosten ist es schwieriger für den Sport als in manchen süd-westlichen Bundesländern, in  denen einfach eine andere Grundlage, was mögliche Sponsoren und Förderung  vom Land angeht, gegeben ist. – Dass die Massen-Medien oberflächlich und subjektiv berichten, ist in jedem Lebensbereich so und wird auch immer so sein.

Frage: Für Sie stand das Jahr 2010 im Zeichen der Paragraphen und des baldigen Mutterglücks. Die Rechtswissenschaft, die Gründung einer  Familie – das hört sich nach überschaubaren Verhältnissen im „Haus Kamrau“ an. Vom sportiven Turbo-Leben auf Besinnlichkeit im trauten Heim … Ist es das, was Sie mmer wollten?

Britta Kamrau: Das klingt nach einem absoluten Lebenswandel, der so aber nicht gegeben ist. Ich habe schließlich jahrelange neben dem Sport Jura studiert bzw. auch mein Referendariat bereits zu Leistungssportzeiten angefangen. Auch meine Familie stand für mich immer schon an erster Stelle. Nun ist einfach nur ein Teil – wenn sicher auch ein wichtiger – mit dem Leistungssport weggefallen. Es war schließlich immer klar, dass eines Tages mit dem Sport Schluss ist. Dafür habe ich studiert und die juristische Ausbildung gemacht, da dies immer meine Zukunft darstellen sollte.

Mir gefiel das Studium und mir gefällt auch die praktische Arbeit in der Juristerei sehr gut. Ich kann auch andere Sachen gut, als nur zu schwimmen. Natürlich wollte ich auch immer eine eigene Familie und Kinder haben. Da geht selbstverständlich ein großer Traum in Erfüllung. Dass sich dadurch nun aber Besinnlichkeit im trauten Heim einstellt, wage ich mit Kindern und Job zu bezweifeln. Das Leben wird also weiterhin aufregend genug bleiben.

Frage: Sie haben sicher noch das Rostocker Schwimmbecken im Auge … Welche schwimmsportlichen Talente Rostocks, ob im Becken oder im freien Wasser, sind aus Ihrer Sicht baldige Nachfolgerinnen?

Britta Kamrau: Ich gehe nach wie vor dreimal die Woche in den Trainingszeiten meiner Trainingsgruppe schwimmen, dass muss ich schon  allein, um nach 24 Jahren Leistungssport ordentlich abzutrainieren und  zweitens möchte ich das auch, um fit zu bleiben.

In meiner Trainingsgruppe gibt es durchaus 1, 2 Mitglieder, die sich im Freiwasserschwimmen nach oben kämpfen können, wenn sie ehrgeizig bei der Sache bleiben. Auch im Beckenschwimmen denke ich, dass sowohl der SC Empor Rostock e.V. als auch Olympia e.V. gute Arbeit im Nachwuchs leisten. Jetzt aber schon Namen zu nennen für mögliche künftige Weltmeister fällt mir schwer, da die Sportler noch sehr jung sind und man die Zukunft abwarten sollte.

Frage: Im Jahr 2011 findet die Frauen-Fußball-WM in Deutschland statt. Es ist ein vorolympisches Jahr – London 2012 ist nicht mehr weit. London 2012  ohne Britta K.. Werden Sie nicht 2012 „irgendwann“ sagen: „Ach, Britta, London, das hätte doch noch passen können!“ Was erwarten Sie – als  „Passive“ – von den MV-Athletinnen sowie –Athleten im Hinblick auf  Olympia ’12?

Britta Kamrau: Ich bezweifle, dass ich „irgendwann“ in nur einem Jahr der Meinung sein werde, ich hätte London doch gerne noch gemacht. Ein Grund für meine Entscheidung war ja auch, dass ich mich für London 2012 bereits praktisch im Januar 2011, also 1 1/2 Jahre vorher, hätte qualifizieren müssen. Das wäre mit meinem Referendariat und zweiten Staatsexamen nicht möglich gewesen.

Davon abgesehen habe ich selbst in diesem Jahr 2010, das zunächst nur als „Pause“ vom Leistungssport angefangen hatte, nicht die Motivation zum Weitermachen wieder gefunden. Ganz im Gegenteil wurde mir immer klarer, dass der Leistungssport nicht mehr mein Leben ist, dass ich nunmehr andere Ziele habe.

Mein Traum war und ist nicht mehr Olympia, sondern meine eigene Familie und ein Leben ohne den Sport. Das werde ich in meinem Alter und nach all diesen – zum großen Teil immer – erfolgreichen Jahren ganz sicher nicht bereuen. Ich habe bis auf die  Teilnahme an Olympischen Spielen in meinem Sportlerleben alles erreicht und ich werde ohne Zweifel auch ohne Olympia glücklich. Von den MV-Athletinnen und -Athleten erwarte ich bei Olympia einfach nur, dass sie ihr Bestes geben, an sich glauben und ihre Wettkämpfe genießen.

Frage: Aus Ihrem Sportlerinnen-Dasein – was nehmen Sie mit ins normale Leben?

Britta Kamrau: Der Sport hat mir unheimlich viel gegeben und mich zu der Persönlichkeit gemacht, die ich heute bin. Zum einen habe ich von klein auf gelernt, mit einer Doppelbelastung – sei es Schule, Studium oder Arbeit und dem Sport – zurecht zu kommen. Man lernt dadurch einfach, seine Zeit effizienter zu nutzen und sich disziplinierter seinen Zielen zu widmen.

Dies kann ich nun ohne weiteres auf das Studium und die Arbeit übertragen. Man ist belastbarer, sei es im Alltag oder in Prüfungssituationen. Zum anderen bin ich durch das Reisen und die vielen Wettkämpfen weltoffen geworden, habe unheimlich viel von anderen Kulturen und Menschen gelernt, andere Blickwinkel einnehmen und fremde Sprachen lernen können. Ich habe viele, gute Freunde überall auf der Welt verteilt, die immer ein wichtiger Teil meines Lebens bleiben werden.

Darüber hinaus habe ich nun auch die Möglichkeit, auch die andere Seite des Schwimmsports kennenzulernen und von außerhalb des Wassers meinen Sport unterstützen zu können. Ich bin seit Januar 2010 in der Athleten-Kommission des Schwimmweltverbandes FINA, weswegen ich nun im Dezember auch in Dubai bei der Schwimm-WM (Kurzbahn) war, wo ich an Meetings teilgenommen habe, um aus meiner Position aktiv das Freiwasserschwimmen weiter entwickeln und voranbringen zu helfen. So bleibe ich dem Freiwasserschwimmen und Schwimmen treu und kann vielleicht auch das ein oder andere vom Land aus erreichen.

Letzte Frage: Was werden für Sie die sportlichen Höhepunkte des Jahres 2011 sein?

Britta Kamrau: Für mich werden sicherlich die Schwimm-WM in Shanghai im Juli 2011 sowie die Frauen-Fussball-WM im eigenen Land die sportlichen Höhepunkte des Jahres sein, die ich ganz sicher auch verfolgen werde.

Dann alles erdenklich Gute – beruflich, persönlich und familiär – 2011 und natürlich darüber hinaus!

Die Fragen stelte Marko Michels