Satiregruppe „Front Deutscher Äpfel“ zur Würdigung von Johannes Stark

Satirischer Appell gegen die unkritische Würdigung des Nationalsozialisten und Nobelpreisträgers Johannes Stark an der Universität Greifswald

Die Greifswalder Burschenschaft Malumia Grysvaldensis, ein Ableger der Satiregruppe „Front Deutscher Äpfel“, wendet sich am 24. Januar 2008 mit einer Satireaktion gegen die einseitige Würdigung des Nobelpreisträgers und NS-Funktionärs Johannes Stark an der Universität Greifswald. Gleich zwei Ehrentafeln an Gebäuden der Universität würdigen die wissenschaftlichen Verdienste des Physikers, Hinweise auf seine Rolle im Nationalsozialismus und auf seinen aggressiven Antisemitismus sucht man hingegen vergebens. Am alten Physikalischen Institut war bereits 1957, wenige Monate nach dem Tod des Physikers, eine Gedenktafel angebracht worden. Im Mai 2007 bezogen die Greifswalder Physiker ein neues Institutsgebäude, in dessen Eingangshalle eine weitere Tafel angebracht wurde, auf der Johannes Stark als herausragender Forscher geehrt wird.

Wir widersetzen uns einer einseitigen und unkritischen Würdigung Starks, die seine politische Verantwortung im Nationalsozialismus ausblendet: Johannes Stark steht mit seinem Denken und Handeln für Destruktives und Nationalismus, für Antisemitismus und politischen Wahn. Und das fing nicht erst 1933 an und hörte nicht einfach 1945 auf. Wer wie Stark in der Blütezeit seines Lebens lauthals von „Arischer Physik“ und zersetzender „Ausländerei“ träumt und im Nationalsozialismus und der Diktatur eine Heilung des kranken Körpers und Blutes sieht, sollte im Jahre 2007 an einer weltoffenen und an internationalen Kontakten interessierten Uni nicht einzig mit seiner experimentellen Forschung und seinem Nobelpreis glänzen. Vorbilder sehen für uns anders aus.

Zum Hintergrund:

Der Physiker Johannes Stark, damals Institutsdirektor in Greifswald, war 1919 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet worden. In der Folgezeit entwickelte sich Stark zu einem aktiven Vorkämpfer des Nationalsozialismus. In Adolf Hitler fand er ein bewundertes Vorbild, hatte der Physiker doch schon vor dem Ersten Weltkrieg von einem Ausgreifen Deutschlands nach Osten geträumt, bei dem die „eingeborene kulturell niedrig stehende Bevölkerung“ unterworfen werden sollte.

Nachdem Stark in der Weimarer Republik zunehmend in die Isolation geraten war, begann für ihn mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 ein steiler Aufstieg. Stark rühmte sich damit, dass er als „Nobelpreisgekrönter deutscher Wissenschaftler und zugleich kämpferischer Nationalsozialist“ bereits seit 1923 aktiv für Adolf Hitler gekämpft habe. Dafür wurde er mit einflussreichen Ämtern belohnt: seit 1933 Präsident der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt, wurde er 1934 zudem Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Bei seinem wissenschaftspolitischen Engagement tat sich Stark schon in der Weimarer Republik insbesondere mit seinen judenfeindlichen Äußerungen hervor. So behauptete er, es gebe eine dem Deutschen „artgemäße“ „Deutschen Physik“, deren Existenz durch eine „nicht artgemäße“ „Jüdische Physik“ bedroht sei, als deren Hauptvertreter er den Juden Albert Einstein ausmachte. Starks Judenhass übertraf dabei sogar noch den Rassenwahn der Nazis, da ihm die Bekämpfung des „Jüdischen“ allein auf rassischer Ebene nicht weit genug ging. 1937 wurde in der SS-Zeitschrift „Das schwarze Korps“ Starks antisemitische Grundauffassung folgendermaßen skizziert:

„Es gibt eine primitive Art des Antisemitismus, die sich darauf beschränkt, den Juden an sich zu bekämpfen. […] Es ist leider so, dass die furchtbare Gefahr der Bejudung unseres öffentlichen Lebens und die Macht des jüdischen Einflusse, die der Nationalismus dämmen musste, nicht allein von dem zahlenmäßig schwachen Judentum getragen wurde, sondern in nicht geringerem Maße auch von solchen Menschen arischen Geblüts, die sich für den jüdischen Geist empfänglich zeigten und ihm hörig wurden. Der Sieg des rassischen Antisemitismus ist deshalb nur als Teilsieg zu werten. […] Wir müssen auch den jüdischen Geist ausrotten, der heute ungestörter denn je seine Blüten treiben kann, wenn seine Träger über die schönsten Ariernachweise verfügen.

Denn nicht der Rassejude an sich ist uns gefährlich gewesen, sondern der Geist, den er verbreitete. Und ist der Träger dieses Geistes nicht Jude, sondern Deutscher, so muss er uns doppelt so bekämpfenswert sein als der Rassejude, der den Ursprung seinen Geistes nicht verbergen kann. Der Volksmund hat für solche Bazillenträger die Bezeichnung „Weißer Jude“ geprägt, die überaus treffend ist, weil sie den Begriff des Juden über das Rassische hinaus erweitert. Man könnte im gleichen Sinne auch von Geistesjuden, Gesinnungsjuden oder Charakterjuden sprechen. Sie allesamt sind Statthalter des Judentum im deutschen Geistesleben, die ebenso verschwinden müssen wie die Juden selbst.“ („Weiße Juden in der Wissenschaft“, in: Das schwarze Korps. Organ der Reichsführung SS, Ausgabe vom 15. Juli 1937, S.6f.)