Rückblick auf Bled – Ein Resümee der Ruder-WM 2011

Der mecklenburgische Ruder-Nestor Hans-Jürgen Wüsthoff über die WM in Bled, das Wirken des Greifswalders Joachim Dreifke in Schwerin und die Hoffnungen für London 2012

Die Ruder-WM 2011, das letzte ganz große Kräftemessen vor Olympia 2012, sind schon wieder Geschichte. Bled zeigte dabei, dass die Weltspitze in den olympischen und  nicht-olympischen Wettbewerben noch enger zusammengerückt ist. Großbritannien mit 7 WM-Titeln, Neuseeland mit 4 WM-Titeln und Australien mit 3 WM-Titeln bestimmten die Entscheidungen in den olympischen bzw. nicht-olympischen Disziplinen bzw. im Handicap-Rudern. Für Deutschland gab es 2 x Gold, 4 x Silber und 3 x Bronze.

Auch Ruderinnen und Ruderer aus M-V nahmen an den Welt-Titelkämpfen 2011  teil und hatten unterschiedliche Erfolge. Herausragend war diesbezüglich das WM-Silber von Stephan Krüger (Rostock).

Nachgefragt bei Hans-Jürgen Wüsthoff von der Schweriner Rudergesellschaft 1874/75

„Stephan Krüger gebührt hohe Anerkennung …“

Frage: Ein Jahr vor Olympia in London trafen die weltbesten Ruderinnen und Ruderer in Bled aufeinander. Wie lautet Ihr allgemeines Resümee?

Hans-Jürgen Wüsthoff: Zunächst einmal weckte die WM in Bled wieder Erinnerungen in mir wach. War ich doch 1989 in Bled als Internationaler Schiedsrichter eingesetzt und kannte die wunderschön gelegene Strecke aus eigener Anschauung. Auch mein erster internationaler Einsatz als FISA-Schiedsrichter fand 1978 in Belgrad, dem damaligen Jugoslawien, zur Junioren-Weltmeisterschaft statt.

Trotz der grandiosen Start-Ziel Siege im Herren-Achter und Damen-Doppelvierer (zumindest ab 500 Meter) ist für mich die Bilanz ernüchternd. Aus den vom Deutschen Ruder-Verband angestrebten fünf bis sieben Medaillen wurden es „nur“ insgesamt zwei Goldene und zwei Silberne in den olympischen Bootsklassen.

Frage: Wie lautet Ihre Meinung zu den Ergebnissen der deutschen Ruder-Flotte, speziell auch zu den MV-Startern?

Hans-Jürgen Wüsthoff: Im Herren-Doppelvierer reichte es durch „den Krebs“ kurz vor der Ziellinie des Ruderers Lauritz Schoop aus Rendsburg, der auf Platz drei saß, leider „nur“ zu einer Silbermedaille. Ich denke, er wird in seinem weiteren Ruderleben nie mehr das Wort der Trainer „Augen ins Boot“ vergessen. Schade, dass es gerade in dieser Situation geschah. Hatte sich der Doppelvierer doch ab 1.000 Meter Schlag für Schlag eine Bootslänge vom Feld absetzen können.

Auch der Herren-Doppelzweier mit unserem Rostocker Stephan Krüger errang eine „Silberne“.  Ein Achtungserfolg, wenn man bedenkt, dass die vergangene Zeit mit seiner Krankheit und dem Wechsel zu einem neuen Partner nicht ganz einfach war. Andererseits sind sie nur einen Hauch an der Goldmedaille vorbeigeschrammt. Ihnen gebührt hohe Anerkennung!

Felix Drahotta hat mit seinem Partner vom Start weg versucht, das Rennen durch eine „Flucht nach vorne“ zu bestimmen. Aber leider war damit bereits nach 500 Metern Schluss. Durch ihren Finalplatz hat der Herren-Zweier ohne aber den Starplatzt für Olympia gesichert und muss nun zielgerichtet auf die Olympischen Spiele hinarbeiten.

Marie-Louise Dräger wird wohl selbst am meisten von sich enttäuscht sein. Vor allem, weil nun die Olympia-Qualifikation zunächst „futsch“ ist. Es war nicht „ihre“ Saison.

Es gab aus deutscher Sicht weiterhin Licht (Marcel Hacker im Einer, der Leichtgewichts-Doppelzweier der Männer, vielleicht auch der Finalplatz im Frauen-Einer durch Annekathrin Thiele!), aber auch Schatten (vor allem der Achter der Frauen!).

Frage: Welche Ruderinnen und Ruderer beeindruckten Sie in Bled besonders?

Hans-Jürgen Wüsthoff: Ich ziehe vor jedem Aktiven den Hut. Da ich es selbst einmal zu Meisterehren gebracht und viele Jahre im Rudersport trainiert habe, weiss ich aus eigener Erfahrung, welch ein enormer Trainingsfleiß verbunden mit vielen Entbehrungen im privaten Bereich hinter denen liegt, die die Ziellinie überquerten. Rudern zählt nicht umsonst zu den schwerathletischen Sportarten und erfordert ein sehr hartes und intensives Training.

Frage: Ihre Prognose für London … Rechnen Sie mit einem weiteren Leistungsanstieg der britischen Ruder-Mannschaft?

Hans-Jürgen Wüsthoff: Ich war zu DDR-Zeiten in vielen Auslandseinsätzen mit dem heutigen Cheftrainer der Briten Grobler zusammen und kenne dessen Fähigkeiten. Er  wird sicherlich, so wie es der zweite Platz in der Nationenwertung (olympische Disziplinen) der Weltmeisterschaften (mit 3 x Gold) schon vorgibt, eine weitere Steigerung der Schlagkraft der britischen Mannschaften anstreben. Besonders der Vierer ohne war in Bled eine Augenweide.

Letzte Frage: Wie ist die sportliche Lage bei der Schweriner Rudergesellschaft von 1874/75? Gibt es noch genügend Talente in der Landeshauptstadt?

Hans-Jürgen Wüsthoff: Für die Talente und ihre Förderung sorgt unser Trainer Joachim Dreifke, der ja besonders durch den Beginn seiner Ruderlaufbahn in Greifswald und seine Erfolge, die er für Rostock bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften errungen hat, in Mecklenburg-Vorpommern sehr bekannt ist.  Es ist erfreulich,  wenn man in Schwerin beobachten kann, wie viele Jungen und Mädchen er um sich schart. Sicherlich werden sich daraus auch weitere Talente entwickeln, die dann am Olympiastützpunkt Rostock die höheren Weihen empfangen und weiterhin für die Schweriner Rudergesellschaft von 1874/75 als ihren Heimatverein starten.

Denken wir nur gegenwärtig an solche erfolgreichen Ruderer wie Hannes Ocik (Deutscher Meister und Weltmeister U 23) und Finn Knüppel (zweifacher  Deutscher Meister bei den Junioren A) sowie Anne-Sophie Agarius (zweifache Deutsche Meisterin und 4. Platz bei den U 23 Weltmeisterschaften)

Dann weiterhin gutes Schaffen und noch nachträglich alles Gute zum 75.!

Marko Michels