Rostocker Zehnkämpfer wird 50

Nachgefragt beim Olympiasieger Christian Schenk/Rückblick auf Seoul 1988

Vor rund 27 Jahren kämpften die beiden „Deutschländer“ noch getrennt um olympische Medaillen und Platzierungen. Damals fanden die Spiele in Ostasien, in Seoul/Südkorea, statt. De Welt war in Bewegung. Michael Gorbatschow und seine neue Politik von Glasnost und Perestroika, angelegt um den real existierenden Sozialismus zu demokratisieren, um vielleicht doch noch die Grundlage für den „dritten Weg“ jenseits von „Beton-Kommunismus“ und „selbstgefälligem Kapitalismus“ zu finden.

Politische Hintergründe – nicht nur zu Olympia 1988

Letztendlich wurden die totalitären Regime im Ostblock – durch die Wirkung der Gorbatschowschen Politik –  in Europa, Asien, Afrika oder Lateinamerika nahezu hinweggefegt. Die Hoffnung auf eine neue, bessere Zukunft, auf eine sozialere und gerechtere Welt wuchs. Nicht alle, um nicht zu sagen nur wenige, Wünsche und Hoffnungen der Menschheit haben sich seitdem erfüllt. Auch 2013 toben mehr als 40 blutige Kriege und kriegsähnliche Auseinandersetzungen auf fast allen Kontinenten. Noch immer prägen Armut, Hunger und Elend den Alltag in den meisten afrikanischen und vielen asiatischen und südamerikanischen Ländern.

Der Terrorismus nahm und nimmt diabolische Ausmaße an.

Finanzkrise, drohende Rezession bzw. Zunahme der Arbeitslosigkeit in fast allen europäischen Staaten, negative soziale Entwicklungen, Bildungsmisere und auch die Bedrohung der Demokratie durch Extremisten von links sowie rechts, nicht gerade vorbildliche Demokraten und auch immense Dopingprobleme in einigen Sportarten –  „Stichworte“, die nicht nur, aber auch, die Entwicklung in Deutschland zur Zeit reflektieren.

Erneut, wie schon 1988 im Jahr vor dem Fall der Berliner Mauer und dem Niederreißen des Stacheldrahtes an der deutsch-deutschen Grenze, scheint wieder vieles in Bewegung zu sein. Der globale Monopoly-Kapitalismus ist ebenso wie der Stalinismus gescheitert.

Sorge ist angebracht. Angst darf gar nicht erst entstehen. Sie führt stets zu Destruktivität, Passivität, macht den Blick auf die Welt eindimensional. Doch wie sich die Welt entwickeln wird, hängt von jeder/jedem Einzelnen ab. In jedem Risiko liegt auch eine Chance, eine Chance zum Positiven.

Wer hätte schon im Olympia-Jahr 1988 geglaubt und gehofft, dass der totalitäre, menschenverachtende Stalinismus bis 1991 eine vernichtende historische Niederlage erleiden würde – durch Menschen, die für ihre Freiheit stritten, nicht durch Politiker mit Sonntagsreden … Einer bleibt jedoch Sinnbild für den Aufbruch in eine neue Zeit – und es ist ein Politiker – der bereits genannte Michail Gorbatschow. Wer hätte schon die vernichtende Niederlage des totalitären Finanz-Kapitalismus 2008 erwartet?

Wie war das nun aber sportiv 1988 bei Olympia in Seoul?

Vor 27 Jahren drückte man/frau in Deutschland, auch sehr, sehr viele Sportfans östlich der Elbe, einem Boris Becker (Deutschland-West) genauso die Daumen wie für Rad-Ass Olaf Ludwig (Deutschland-Ost), man hoffte auf Schwimmer Michael Gross (Deutschland-West) und auf Schwimmerin Kristin Otto (Deutschland-Ost), man litt mit Jürgen Klinsmann, nachdem das (west-)deutsche Fußball-Olympiateam so unglücklich nach Elfmeterschießen im Halbfinale gegen Brasilien ausschied. Man jubelte über den Olympiasieg des Schweriner Diskuswerfers Jürgen Schult genauso wie über das Olympiagold der Dressurreiterin Nicole Uphoff aus Duisburg. Man hoffte auf Steffi Graf – ihre Anhänger in Hamburg oder in München, aber ebenfalls ihre Anhänger in Rostock oder in Dresden.

Man war euphorisch über das Gold des Rostocker Zehnkämpfers Christian Schenk und zeigte sich begeistert über den ersten Platz der Sport-Schützin Sylvia Sperber aus dem bayrischen Penzing.

Erfolgreich gefochten

Ganz besonders freuten sich jedoch viele Sportfans in West und Ost mit drei leidenschaftlichen, sympathischen und auch sehr attraktiven Damen aus Tauberbischofsheim, über den Sieg der deutschen Florett-Fechterinnen Anja Fichtel, Sabine Bau und Zita Funkenhauser im Einzel und im Mannschafts-Wettbewerb (Zum Team gehörten auch Annette Klug und Christiane Weber.).

Wie der Reitsport, wie der Tennissport oder wie das Eiskunstlaufen besitzt gerade das Fechten dieses „Extravagante“, dieses „Elitäre“ im positiven Sinne und dieses „Reizvolle des `Unbekannten`“.

Sabine Bau war damals – 1988 – im Fechten, um es „unelitär“ auszudrücken, bereits ein „sportlicher Hit“, nachdem sie schon 1986 Einzel-Vize- Weltmeisterin im Florett-Fechten wurde. Sie war aber auch neben der Planche – und dieses Urteil sei einem „objektiven Auge“ gestattet – ein „echter Hingucker“, und was fast schon „beängstigend“ ist, auch ziemlich „helle“.

Die Fechterin Sabine Bau hatte nicht nur in „West-Germany“ eine große Fan-Gemeinde, auch zwischen Ostseeküste und Erzgebirge waren die Freunde des Fechtsportes von der sportiven Ausnahme-Erscheinung begeistert.

Sabine Bau – die goldene Olympionikin 1988

Rüdiger Mevius, ehemaliger Geschäftsführer des Stadtsportbundes Schwerin, einst Florett-Fechter, nun als „Senior“ bei den Degen-Fechtern „gelandet“, fieberte schon während der Spiele 1988 in Seoul mit den westdeutschen Fechterinnen und Fechtern, allen voran Sabine Bau, mit …

„Sabine Bau ist eine begnadete Fechtsportlerin, die bei den sportlichen Großereignissen immer auf die Minute top-fit war. Man merkte bei ihr stets die Leidenschaft, die sie für ihren Sport entwickelte. Durch ihre vielen Erfolge und ihr sympathisches Auftreten hat Frau Bau sehr viel zur Popularität des Fechtsportes in Deutschland beigetragen. Sie ist jedoch nicht nur ein Vorbild für die jungen Fechtsportlerinnen bzw. –sportler, sondern meistert ebenfalls ihre beruflichen Herausforderungen als Medizinerin mit Bravour. Bei den Olympischen Spielen 1988, bei denen ja auch die Schweriner Jürgen Schult (Diskuswerfen) und Andreas Zülow (Boxen) Gold gewannen, sorgte sie zusammen mit Anja Fichtel, Zita Funkenhauser, Annette Klug und Christiane Weber im Florett-Mannschaftswettbewerb für einen weiteren goldenen Höhepunkt aus damaliger deutsch-deutscher Sicht.

Aus dem `Blickwinkel` von uns damaligen `Ost-Germanen`war es ein wenig frustrierend, dass der Fechtsport in der damaligen DDR im wahrsten Sinne des Wortes ein ziemliches `Mauerblümchen`-Dasein führte. Wir hatten wirklich gute Talente, die aber international kaum zum Einsatz kamen. Fechtsportler haben nun einmal ihren eigenen Kopf und lassen sich nicht so leicht biegen. Das wurde von der Sportführung und anderen Institutionen leider drastisch bestraft …”, so der ebenso leidenschaftliche frühere Fechter Rüdiger Mevius.

Goldener Zehnkämpfer von der Ostseeküste

Auch ein Zehnkämpfer ließ sich nicht verbiegen, ging seinen eigenen Weg und war vor wie nach der „Wende“ engagiert – der bereits erwähnte Christian Schenk vom SC Empor Rostock, der 1988 Olympiasieger wurde. Der Hanseate siegte damals, am 28./29.September 1988, mit 8488 Punkten vor dem 1987er Weltmeister Torsten Voss (SC Traktor Schwerin, 8399 Punkte), dem Kanadier Dave Steen (8328 Punkte), dem Briten sowie zweifachen Olympiasieger 1980/1984 Daley Thompson (8306 Punkte) und dem Franzosen Christian Plaziat (8272 Punkte).

Christian Schenk setzte damit eine gute deutsche Medaillen-Tradition im Zehnkampf  bei Olympischen Spielen fort. Insgesamt erkämpften nämlich bei olympischen Zehnkampf-Wettkämpfen deutsche Athleten zweimal Gold, fünfmal Silber, viermal Bronze. Die erste olympische Zehnkampf-Medaille erkämpfte dabei Wolrad Eberle (Freiburg) mit Bronze 1932 in Los Angeles. Den ersten von zwei Zehnkampf-Olympiasiegen für Deutschland sicherte sich indes Willi Holdorf (Bayer Leverkusen) 1964 in Tokyo. Dritte wurde in der japanischen Hauptstadt seinerzeit Hans-Joachim Walde (USC Mainz). Die vorerst letzte olympische Zehnkampf-Medaille aus deutscher Sicht erkämpfte 1996 in Atlanta Frank Busemann (LG Olympia Dortmund) mit Silber.

Vielleicht gibt es ja 2016 in Rio eine Fortsetzung der deutschen Medaillen-Tradition in puncto Zehnkampf?! Aber erst einmal wird „im Hause Schenk“ gefeiert: Am 9.Februar 2015 wird der Olympiasieger von 1988 junge 50!

Wie war das jedoch damals, 1988, in Seoul?!

Nachgefragt bei Christian Schenk

C.Schenk über Olympia 1988, die damaligen sportlichen Herausforderungen und sein heutiges Engagement

Der Lohn, bei dem es sich zu beweisen galt…“

Frage: Vor mehr als 25 Jahren wurden Sie Zehnkampf-Olympiasieger – vor Schwerins Torsten Voss und Daley Thompson, der nach Gold 1980 in Moskau und 1984 in Los Angeles letztendlich in Seoul 1988 Vierter wurde. Wie verlief der Wettkampf damals aus Ihrer Sicht?

Christian Schenk: Die Qualifikation für die Olympischen Spielen 1988 in Seoul war nach 19 Jahren Freude am Sport bzw. dem stetigen Training sowie dem Glückszustand, dass ich immer von sehr gute Trainern gefordert wurde, der Lohn, bei dem es sich zu beweisen galt.

Als Weltranglisten-Fünfter, als Athlet, der zwei Jahre verletzungsfrei mit dem Zehnkampf-Weltmeister Torsten Voss täglich trainieren durfte, waren perfekte Vorbereitungen geschaffen, die mir sieben von zehn Bestleistungen innerhalb des zweitägigen Wettkampfes ermöglichten.

Dieses Ergebnis ist beinahe als ideal für einen Spitzensportler zu bezeichnen, besteht doch gerade dessen Aufgabe darin, seine bestmöglichen Leistungen im richtigen Moment abzurufen. Durch die hervorragende mentale Vorbereitung auf das Großereignis und die aus Freundschaft mit Torsten Voss, der mir selbst während des Wettkampfes Hilfestellung gab, siegte ich am Ende für mich selbst überraschend souverän.

Da ich auch noch mein weiteres Vorbild, den zweifachen Olympiasieger Daley Thompson besiegen konnte, darf ich mit dem Abstand von fast 27 Jahren sagen: Fleiß und Disziplin über Jahre wurden belohnt.

Frage: Wie war damals das Miteinander der Deutschen aus Ost und West? Was war für Sie das Beeindruckende in Seoul?

Christian Schenk: Der politische Rahmenbedingungen vor allem zwischen den beiden deutschen Staaten war eindeutig: Es galt den Konterpart zu besiegen. Sicherlich hatte es uns aber auch das damalige Zehnkampf-Ass Jürgen Hingsen leicht gemacht. Seine in vielen Zügen große Arroganz wurde mit seiner Disqualifikation über die 100-Meter konsequent bestraft.

… Das Faszinosum der Spiele in Seoul ist auch das Zusammenleben über die zwei Wochen im Olympischen Dorf gewesen. Das Begegnen von Tennis-Ikone Steffi Graf, das gemeinschaftliche Essen mit Sportlerinnen und Sportlern aller Kulturen und die Möglichkeit, System übergreifend, sich über Siege zu freuen und über Niederlagen zu weinen, prägten mich, in meinem Leben immer weltoffen zu sein.

Frage: Wie bewerten Sie die Entwicklung der Leichtathletik mehr als 25 Jahre nach Seoul – insbesondere im Zehnkampf?

Christian Schenk: Der deutsche Zehnkampf hat sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt. Ich bin begeistert von der neuen Sprint-Qualität und deren Umsetzung vor über die Hürden.

Dort wurden aus meiner Sicht die größten Fortschritte erzielt. Und es ist natürlich eine Freude, dass ein Quintett von deutschen Athleten aktuell ähnlich wie vor 25 Jahren, sich täglich motivieren kann und sich intern herausfordert. So ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass wir 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio in der Königsdisziplin der Leichtathletik wieder sehr erfolgreich sein werden.

Frage: Sie sind sozial sehr engagiert. Haben mehrere Projekte für die sportliche Förderung der Kinder initiiert. Vielleicht ein paar Worte von Ihnen zu diesen Projekten … – Und: Was machen Sie ansonsten beruflich?

Christian Schenk: Ich freue mich tatsächlich sehr, dass ich mich beruflich wie früher im Sport jeden Tag auf meine Arbeit freue. Mit Unterstützung von Stiftungen, der Politik und der Wirtschaft ist mir gelungen, ein Bildungsprogramm zu entwickeln, dass Jugendlichen eine verbesserte Berufsorientierung ermöglicht.

Mit dem Programm ERKENNE DEINE STÄRKEN werden über berufsorientierte Klassenfahrten bis zu den Rekrutierungscamps NUTZE DEINE AUSBILDUNGSCHANCE kontinuierlich die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zu ihrer Berufswahl gefördert. Ziel ist es, den Jugendlichen eine beruflich passgenauere Perspektive zu ermöglichen und den Unternehmen den Nachwuchs zu sichern.

Neben dieser passionierten Arbeit unterstütze ich Unternehmen mit meinem hochwertigem CSS-Team bei der betrieblichen Gesundheitsförderung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mein jüngstes Projekt ist WISKURS – ein Programm zur Entwicklung von Jung-Führungskräften, dass ich mit Ökonomen und Soziologen konzipieren durfte.

Durch die große Vielfalt meiner Tätigkeit, meines Freundeskreises und meiner Erziehung nutze ich zudem einen Teil meiner Zeit als Botschafter für die die SOS-Kinderdörfer – weltweit.

Vielen Dank, dann einen schönen 9.Februar 2015 und maximale Erfolge in allen Bereichen auch für die nächsten 50 Jahre!

Marko Michels