Mit den neuen Experimenten von Klauck und Teuber zeigt sich die Quantenphysik noch verrückter als bisher…
Quantenphysik ist die umfassende, seit über einhundert Jahren erfolgreiche Theorie der mikrophysikalischen Wirklichkeit. Eine bisher für rein theoretisch gehaltene mathematische Neuformulierung ist nun von zwei Nachwuchswissenschaftlern der Universität Rostock experimentell nachgewiesen worden, wie Nature Photonics jüngst berichtet.
Zwei physikalische Theorien erklären seit einhundert Jahren die fundamentalen Zusammenhänge unserer Welt. Die Relativitätstheorie befasst sich mit allem, was durch Gravitation beeinflusst wird und in der vierdimensionalen Raum-Zeit so schnell wie Licht ist. Die Quantenphysik ist die umfassende Theorie der mikroskopischen Materie und ihrer Wechselwirkungen, z.B. mit Licht.
Nur sie kann erklären, wie beispielsweise Kreide an der Tafel hält, warum Fenster durchsichtig sind, wie Laserlicht möglich ist und wie Halbleiterchips funktionieren. Ohne Quantenphysik wäre alle Elektronik, vom Fernseher bis zum Hochleistungscomputer, undenkbar. Es gäbe keine Augenlaser-Therapie und keine Lichtleittechnik für unsere Kommunikationsnetze. Quantenphysik ist Grundlagenforschung mit immenser wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung.
Zwei jungen Wissenschaftlern der Universität Rostock ist es nun gelungen, experimentell zu belegen, dass eine bisher als exotisch bekannte mathematische Formulierung der Quantenphysik zu neuen experimentellen Ergebnissen führt. „Was das für künftige Entwicklungen auf dem Gebiet der Kommunikationstechnik, Materialtechnik oder Computertechnik bedeutet, ist überhaupt noch nicht absehbar“, sagt der Leiter der Arbeitsgruppe „Experimentelle Festkörperoptik“ an der Universität Rostock Professor Alexander Szameit.
Sein Kollege von der theoretischen Physik, Institutsleiter Professor Stefan Scheel, ergänzt: „Die bisher bekannte Quantenphysik operiert auf der Grundlage einer mathematischen Theorie, die starke Voraussetzungen macht, damit es überhaupt zu realen Messwerten kommt, die für unsere Wirklichkeit eine Bedeutung haben.“ Diese theoretischen Grenzen seien damit überschritten worden. Nun könne auch gemessen und vor allem erklärt werden, was vorher rätselhaft war, ja was es in gewissem Sinne gar nicht geben könne, so Scheel.
Beide Physiker hatten 2018 auf einer Konferenz in der Ukraine begonnen, über die rätselhafte, 1998 veröffentliche exotische Quantenmathematik von Bender und Boettcher zu diskutieren. Worüber sich beide freuen ist, dass es nun jungen Nachwuchsphysikern aus ihren Forschungsgruppen gelungen ist, diesen Durchbruch zu erzielen, der jüngst mit einer Veröffentlichung in der renommierten Fachzeitschrift Nature Photonics belohnt wurde.
Die 25-jährige Friederike Klauck kam 2012 aus Magdeburg und der 27-jährige Lucas Teuber 2011 aus Bokel (Niedersachsen) nach Rostock. Beide hat der exzellente Ruf der Rostocker Physik in den Nordosten gezogen. Mittlerweile sind beide Doktoranden in den Arbeitsgruppen von Szameit und Scheel.
Friederike Klauck begann bereits in ihrer Masterarbeit in der Arbeitsgruppe von Szameit mit der Untersuchung dieses exotischen Systems, die Umsetzung des Experiments hielt einige Herausforderungen bereit. Mikroskopische Schaltkreise für Licht mussten in einem Glaschip über viele Zentimeter mit höchster Präzision erzeugt werden. Zusätzlich arbeiteten die Rostocker Physiker mit Paaren verschränkter Photonen – diese Lichtteilchen sind auf komplexe Weise miteinander verbunden, was Albert Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnet hatte.
„Normalerweise will man, dass so viele Photonen wie möglich die Detektoren erreichen. Damit die neuartige Quantenphysik ihre Effekte zeigt, mussten wir jedoch dafür sorgen, dass unterwegs einige der Teilchen auf bestimmte Art verloren gehen.“ Für eine bessere mathematische Beschreibung holte sie sich Unterstützung von ihrem Kollegen Lucas Teuber: „Unsere Theorie beschreibt den Einfluss der präzise gesteuerten Verluste auf die verschränkten Photonen. Das Ergebnis ist selbst für jemanden, der mit der Quantenphysik vertraut ist, äußert überraschend und lässt sich nur im Rahmen der neuartigen mathematischen Beschreibung verstehen.“
Mit den neuen Experimenten von Klauck und Teuber zeigt sich die Quantenphysik noch verrückter als bisher. Man darf gespannt sein, was die Rostocker Physiker als nächstes erforschen. Verraten wollen sie das noch nicht. Den weltweiten Vorsprung möchten sie nicht verlieren.
Pressemitteilung der Universität Rostock