Olympische Jubiläen aus MV-Sicht – Zurückgeblickt …

Horst Mann in Melbourne 1956 dabei

Der olympische bzw. paralympische Countdown für London läuft. In weniger als 100 Tagen beginnen die Spiele und mit der Schweriner Seglerin Franziska Goltz, der Neubrandenburger Triathletin Anja Dittmer, den Schweriner Judo-Zwillings-Schwestern Carmen und Ramona Brussig sowie dem Rostocker Ruderer Felix Drahotta sind fünf Athletinnen und Athleten bereits für die olympischen Wettbewerbe qualifiziert und wollen an große Erfolge der Sportlerinnen und Sportler aus MV in der Vergangenheit anknüpfen.

Zwei ganz prägnante Jubiläen gibt es dabei in diesem Jahr für den olympischen Sport in M-V…

Vor 60 Jahren war eine Athletin, welche in Ludwigslust geboren wurde, die erste aktive Olympionikin für unser Bundesland nach dem zweiten Weltkrieg. Brigitte Kiesler startete bei den Olympischen Spielen 1952 für das Team der Bundesrepublik Deutschland im Turnen und in der Gymnastik. So wurde Brigitte Kiesler Fünfte im Mannschaftsmehrkampf und Vierte in der Gruppengymnastik mit Handgeräten.

Horst Mann, ein Rostocker, der vor 85 Jahren in Neustettin geboren wurde, war in Melbourne 1956 dann der erste aktive männliche Olympionike für MV nach 1945. Er startete dabei in seiner sportlichen Karriere unter anderem für Einheit Rostock, die HSG Wissenschaft Greifswald und den SC Empor Rostock, wobei er den damaligen DDR-Rekord auf 47 Sekunden verbessern konnte.

Der zu dieser Zeit noch junge Läufer Peter Schoenen, der gerade in seinen jungen Jahren große Erfolge feierte und später bei der Hochschulsportgemeinschaft Wismar arbeitete, unter anderem Marita Koch mitbetreute, sagte dazu: „Horst Mann war damals schon ein Vorbild für uns junge Läufer. Er beeindruckte mit seinen Leistungen national und international. Wir freuten uns damals alle, dass einer von uns aus Mecklenburg die Qualifikation für Olympia schaffte. Horst Mann war ein Vorbild für uns.“
Seine besten Jahre hatte Mann 1954 bis 1956: So war es letztendlich keine Überraschung mehr, dass er zu jenen 37 Sportlerinnen und Sportlern der DDR (von 276) gehörte, die sich für das gesamtdeutschen Team qualifizieren konnten. Auch der 1931 in Skordiniza geborene Friedrich Janke, der nach 1945 zunächst in Mecklenburg lebte, gehörte zum deutschen Olympia-Aufgebot 1956 in Melbourne. Janke startete über 5000 Meter.

„Down Under“ war für beide mecklenburgische Läufer nicht die Offenbarung, beide kamen über die Vorläufe nicht hinaus. Friedrich Janke verpasste dann vier Jahre später, 1960 in Rom, eine Medaille denkbar knapp. Er wurde Vierter. Später trainierte er solche Weltklasse-Läuferinnen, wie Ulrike Bruns, Gunhild Hoffmeister oder Uta Pippig.

Auch wenn es mit einer Olympia-Medaille „Made in M-V“ 1956 noch nichts wurde. Erfreuliche olympische Schlagzeilen aus deutscher Sicht gab es dennoch. So gewannen die Kanuten Meinrad Miltenberger/Michel Scheuer im Zweier-Kajak die erste olympische Goldmedaille für deutsche Sportlerinnen und Sportler im Rahmen Olympischer  Sommerspiele nach dem zweiten Weltkrieg. In Melbourne fanden diese ziemlich spät vom 22. November bis 8. Dezember 1956 statt. Im australischen Sommer, aber im deutschen Frühwinter sozusagen.

Dabei: Das erste „sommerliche Olympia-Gold“ für einen deutschen Sportler ging eigentlich an einen Reiter. Die strengen Quarantäne-Bestimmungen der Australier verhinderten die Einreise der Pferde auf den fünften Kontinent und so mussten die olympischen Medaillengewinner im Reitsport außerhalb Australiens ermittelt werden.
Vom 10. bis 17. Juni gab es daher „Olympische Reiterspiele“ in Stockholm, die zum Programm der XVI.Olympischen Sommerspiele gehörten. Dabei sorgten die deutschen Springreiter, allen voran Hans Günter Winkler auf „Halla“ für Furore. Trotz eines Leistenbruches und dank eines überragenden „Halla“ sicherte sich der Ausnahme-Reiter Gold im Einzel und auch im Team.

Die 1956er Spiele standen zunächst unter keinem guten Stern. Nach dem Aufstand in Ungarn und den damit verbundenen Einschreiten der russischen Truppen forderten viele Länder einen Boykott der Spiele. Zudem sorgte die Suez-Krise für eine aufgeheizte politische Atmosphäre. Dennoch kam es zu keinem größeren Boykott, die meisten Sportlerinnen und Sportler aus Ost und West waren weiter als ihre Politiker zu Hause und schlossen grenzübergreifend Freundschaften. Unrühmliche Ausnahme: Das Wasserballspiel zwischen Ungarn und der Sowjetunion, bei dem es Schlägereien innerhalb und außerhalb des Wassers gab.

Für die Highlights aus deutscher Sicht sorgten neben den Kanuten Meinrad Miltenberger/Michel Scheuer und Reiter Hans Günter Winkler auch der Turner Helmut Bantz mit Gold im Pferdsprung und Ursula Happe ebenfalls mit Gold im Schwimmen (200 Meter Brust).

Im Bantamgewicht erkämpfte Boxsportler Wolfgang Behrendt das erste Olympia-Gold für die DDR. Nach Abschluß der Olympischen Spiele in Melbourne war die Sowjetunion mit 37 x Gold, vor den USA mit 32 x Gold, Australien mit 13 x Gold, Ungarn mit 9 x Gold, Italien und Schweden mit jeweils 8 x Gold und dem gesamtdeutschen Team mit 6 x Gold die erfolgreichste Mannschaft.

Die Stars der Spiele 1956, an denen mehr als 3.300 Athleten (davon nur 376 Frauen) aus 72 Ländern teilnahmen, waren die russische Turnerin Larissa Latynina (4 x Gold) und  die australische Leichtathletin Betty Cuthbert (3 x Gold).

Für „Gänsehaut-Feeling“ sorgte die Abschlussfeier in Melbourne. Auf Vorschlag des in Melbourne lebenden jungen Taiwan-Chinesen John Wing kamen als Ausdruck echter Völkerfreundschaft die Teams nicht streng geordnet nach Länder-Teams ins Stadion, sondern bunt gemischt, ohne Fahnen, Wimpel und nationalem Trara.

Marko Michels