Neues Verbundprojekt vorgestellt

Seidel: Vorhaben will Knochenersatz perfektionieren
Wirtschaftsminister Jürgen Seidel hat heute in Rostock mit der Übergabe von mehreren Fördermittelbescheiden ein weiteres Verbundforschungsprojekt vorgestellt.

Mit insgesamt 3,1 Mio. Euro Projektvolumen, davon 1,9 Mio. Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung und dem Europäischen Sozialfonds, will das Medizintechnikunternehmen DOT GmbH gemeinsam mit der Universität Rostock den Durchbruch bei künstlichem Knochenersatz in der klinischen Anwendung ansteuern. „Rostock etabliert sich zunehmend als Spitzenstandort der medizinischen Implantattechnik“, betonte Wirtschaftsminister Jürgen Seidel, der auf die enormen Potenziale dieser noch relativ jungen Wirtschaftsbranche verwies. „Die Marktführerschaft in diesem innovativen Hightech-Bereich erfordert einen starken Kompetenzverbund aus Grundlagen- und Industrieforschung sowie experimenteller Entwicklung.“

Anfang des Jahres gehörte das CORTRONIK-Netzwerk, in dem Gefäßimplantate (Stents) entwickelt, produziert und international vermarktet werden, zu den ersten Empfängern der neuen EU-Verbundförderung in Mecklenburg-Vorpommern. „Im Fokus der Technologieförderung steht die Unterstützung von konkreten Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsprojekten, die zu international wettbewerbsfähigen Produkten und Verfahren für die gewerblichen Unternehmen unseres Landes führen. Durch eine enge Verknüpfung des Know-hows aller beteiligten Akteure sollen sowohl neue als auch dauerhaft hochwertige Arbeitsplätze geschaffen werden“, sagte Seidel.

In dem neuen Forschungsvorhaben wird an die bisherige Arbeit der Wissenschaftler bei der Regeneration von Knochenerkrankungen und -defekten in den vergangenen sechs Jahren angeknüpft. Gleichzeitig wird in zwei Schwerpunktprojekten Neuland betreten, um die Arbeit der Mediziner mit Knochenersatzmaterialien zu perfektionieren, die Eigenschaften von Kunststoffen optimal an den lebenden Organismus anzupassen und Knochenneubildungen zu stimulieren.

Mit Stammzellen die Knochenheilung beschleunigen

Zellbiologen und Nachwuchswissenschaftler der Universität Rostock werden im ersten Teilprojekt in Kooperation mit der DOT GmbH künstliche Materialien mit menschlichen Stammzellen versetzen. Dazu sollen Stammzellen aus dem Körperfettgewebe des Spenders mittels eines minimalinvasiven Eingriffs gewonnen werden. Die Methode des so genannten „Tissue Engineering“ (Gewebezüchtung) beruht darauf, Zellen außerhalb des Körpers unter Zellkulturbedingungen zu vermehren, auf biologischen oder synthetischen Gerüsten anzusiedeln und diese wieder in den Körper einzupflanzen, um so eine Gewebefunktion wiederherzustellen oder zu erhalten. Die Körperzellen entwickeln sich in Abhängigkeit von ihrer Zusammensetzung und ihren physikalischen Eigenschaften entweder Knochen bildend (osteoinduktiv) oder Fettgewebe bildend (adipoinduktv), was auch für Weichteilimplantate von Bedeutung ist, so beispielsweise im Brustaufbau nach Krebs.

Obwohl sich weltweit zahlreiche Arbeitsgruppen mit dem hochaktuellen Forschungsgebiet befassen, befindet sich die klinische Anwendung und Therapie noch in den Anfängen. Die Rostocker Wissenschaftler wollen mit ihrer Neuentwicklung, die die Knochenregeneration erheblich beschleunigen soll, den Sprung in den Praxisalltag schaffen.

„Die Implantate werden auf eine möglichst vollwertige Ersatz- und Reparationsfunktion ausgerichtet“, erläuterte Prof. Joachim Rychly, Leiter des Zentrums für medizinische Forschung an der Universität Rostock. „Die Lebensqualität von Patienten würde sich künftig ungemein erhöhen, wenn auf risikoreiche Operationen zur Entnahme von Knochen als Eigenspende und anschließender Transplantation an den erkrankten Stellen verzichtet werden kann.“

Mit Kupferbeschichtungen gefährliche Infektionen verhindern

Im Mittelpunkt des zweiten Forschungsschwerpunktes steht die Erprobung von neuartigen Beschichtungen mit Kupferverbindungen, die unerwünschte Abwehrreaktionen wie Vergiftungen oder Infektionen verhindern und die Einheilung des später implantierten „Ersatzknochenwerks“ befördern können. Die Implantatoberfläche wird mit einer Kupfer-Lösung versetzt, die eine antimikrobielle Wirkung entfaltet und somit vor schwer behandelbaren und schmerzhaften Entzündungsherden im knöchernen Implantatlager schützt. Die Gelenkimplantate werden hinsichtlich der Oberflächeneigenschaften bioaktiv, also zellbildend aufgebaut, um zusätzlich dazu beizutragen, das umgebende Gewebe wieder herzustellen und zu stabilisieren. Die  Implantatbeschichtung sowie spezielle Formkörper für die Knochenregeneration sollen nach einer umfassenden Testphase hauptsächlich in der orthopädischen Chirurgie eingesetzt werden.

An dem auf drei Jahre angelegten Verbundprojekt sind die DOT GmbH sowie die Medizinische Fakultät der Rostocker Universität mit dem Arbeitsbereich für Zellbiologie, dem Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene sowie das Forschungslabor der Orthopädischen Klinik beteiligt.

Die Projektpartner

DOT GmbH, Rostock (www.dot-coating.de)

Die 1992 gegründete DOT GmbH gehört in der Oberflächenveredlung von Implantaten zu den führenden internationalen Medizintechnikunternehmen. Im vergangenen Jahr erzielte die hoch spezialisierte Firma mit ihren 208 Mitarbeitern 13,8 Mio. Umsatz, 25 Prozent davon im Ausland.

Prof. Dr. Hans-Georg Neumann, T +49 381-40 33 51 04,

E neumann@dot-coating.de

Universität Rostock

Zentrum für Medizinische Forschung (www.zellbiologie.uni-rostock.de)

Der Arbeitsbereich Zellbiologie erforscht Wechselwirkungen von menschlichen Zellen mit Biomaterialoberflächen mit dem Ziel, Erkenntnisse für die Optimierung von Implantaten und dessen Anwendung für das Tissue Engineering in der Regenerativen Medizin zu erzielen.

Prof. Dr. Joachim Rychly, T + 49 381 494 5730,

E joachim.rychly@med.uni-rostock.de

Orthopädische Klinik und Poliklinik (www.ouk.med.uni-ros­tock.de)

Die Forschungsschwerpunkte der Orthopädie mit dem klinikeigenen Forschungslabor für Biomechanik und Implantattechnologie liegen im Bereich biomechanischer Untersuchungen an Implantaten und Endoprothesen sowie deren Reaktionen mit biologischem Gewebe.

Prof. Dr. Wolfram Mittelmeier, T +49 381 494 9301,

E wolfram.mittelmeier@med.uni-rostock.de

Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene (www.imikro.uni-rostock.de)

Das Institut untersucht die molekulare Basis der Infektionskraft von Bakterien und entwickelt Analysen von Biofilmen. Diese entstehen, wenn sich Mikroorganismen (z. B. Bakterien) an Grenzflächen (z. B. an Implantaten) ansiedeln.

Prof. Dr. Dr. Andreas Podbielski, T +49 381 494 5900,

E andreas.podbielski@med.uni-rostock.de