M-V für härteres Vorgehen gegen extremistische Straftäter

Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) teilte heute im Landtag mit, dass die Landesregierung beschlossen habe, einer Bundesratsinitiative zur Änderung der §§ 46, 47 und 56 Strafgesetzbuch beizutreten. „Gewalttaten gegen Ausländer, Juden, Behinderte, Obdachlose, Homosexuelle und Zugehörige anderer Bevölkerungsgruppen, die deren Achtungsanspruch zutiefst verletzen und teilweise mit großer Brutalität ausgeführt werden, erfordern eine entschlossene und konsequente Reaktion des Gesetzgebers.“ begründete Kuder.

Die Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern werden am kommenden Freitag einen entsprechenden Antrag in den Bundesrat einbringen.

Die Gesetzesinitiative verfolgt das Ziel rassistische oder fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten stärker zu bestrafen. „Ich bin überzeugt, dass mit dem Beitritt zur Gesetzesinitiative ein richtiges und deutliches Signal im Kampf gegen extremistische und menschenverachtende Kriminalität gesetzt wird. Mit der vorgesehene Ergänzung des Strafgesetzbuches wird dem potentiellen Täter unmissverständlich verdeutlicht, dass sein tun und seine Motive von der Rechtsgemeinschaft aufs Schärfste verurteilt und nicht geduldet werden“.

Der Gesetzentwurf sieht im Einzelnen vor:

1. Ein wesentliches Element des Entwurfs ist die Konkretisierung und Ergänzung der Strafzumessungsregelung des § 46 StGB. Hierdurch wird der Umstand, dass Hassen und Vorurteil Beweggrund der Tat ist, zu einem besonderen Strafzumessungsfaktor bei allen Straftätern aufgewertet.

2. Es wird weiter klargestellt, dass für Straftaten, die aus menschenverachtenden Motiven begangen werden, regelmäßig auch kurze Freiheitsstrafen unter 6 Monaten zu verhängen sind.

3. Des weiteren soll bei Freiheitsstrafen von über 6 Monaten zukünftig die Vollstreckung nicht mehr in der Regel zur Bewährung ausgesetzt werden.

Darüber hinaus sieht Kuder weiteren Handlungsbedarf im Kampf gegen Extremismus. „Die besten Gesetze helfen nicht, wenn nicht gleichzeitig sichergestellt ist, dass die Täter auch konsequent verfolgt werden“, so Kuder. Daher erarbeite das Justizministerium zusammen mit den Staatsanwaltschaften einen Maßnahmenkatalog zur Verstärkung des Kampfes gegen Extremismus.

Der angekündigte Katalog sieht Maßnahmen zur weiteren Verzahnung der Zusammenarbeit mit dem Innenministerium vor und enthält Überlegungen zur Einführungen von Schulungen für Justizmitarbeiter im argumentativen Umgang mit Links- und Rechtsextremisten. Des Weiteren sollen Sonderzuständigkeiten für extremistisch motivierte Straftaten bei den Staatsanwaltschaften eingerichtet werden. Wenn bei Geringfügigkeit oder im Bereich der kleineren Kriminalität die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung besteht (Opportunitätsprinzip), sind zudem bei extremistisch motivierten Straftaten die Auswirkungen der Tat auf das Opfer und das öffentliche Verfolgungsinteresse besonders zu beachten.

„Mit diesen Maßnahmen setzen wir ein unmissverständliches Signal an den potentiellen Täter, dass sein Tun und seine Motive von der Rechtsgemeinschaft aufs Schärfste verurteilt werden. Auch den Opfern wird ein Zeichen gesetzt. Der Staat macht deutlich, dass er sie nicht alleine lässt. Dieser Aspekt ist für das Opfer eine Straftat besonders wichtig. Damit wird ein weiterer Schritt in Richtung Opferschutz getan“, so Kuder.

Rede von Frau Ministerin Kuder anlässlich der 25. Sitzung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern am 20. September 2007 zur Bundesratsinitiative (LT-Drs. 5/807)

Es gilt das gesprochene Wort!

Ich freue mich, dem Parlament mitteilen zu können, dass Sie mit Ihrem Antrag bei der Landesregierung offene Türen einrennen. Das Kabinett hat am Dienstag beschlossen, der

Bundesrats-Initiative der Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt zur Änderung der §§ 46, 47 u. 56 Strafgesetzbuch beizutreten. Damit wird dann morgen der Gesetzesantrag der drei Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern in den Bundesrat eingebracht.

Ich halte diese Entscheidung in unserem gemeinsamen Kampf gegen extremistisch motivierte Gewalttaten für richtig und wichtig. Gewalttaten gegen Ausländer, Juden, Behinderte, Obdachlose, Homosexuelle und Zugehörige anderer Bevölkerungsgruppen, die deren Achtungsanspruch zutiefst verletzen und teilweise mit großer Brutalität ausgeführt werden, erfordern eine entschlossene und konsequente Reaktion auch von Seiten der Justiz.

Diese Straftaten fügen nicht nur den Opfern schwerste physische und psychische Verletzungen zu. Sie sind darüber hinaus geeignet – wie gerade auch die jüngsten Vorfälle rassistischer und fremdenfeindlicher Übergriffe hier und in anderen Bundesländern gezeigt haben – in weiten Kreisen der Bevölkerung Angst und Schrecken zu verbreiten und den öffentlichen Frieden zu stören. Der Ausbreitung einer solchen menschenverachtenden Vorurteils- und Gewaltkriminalität muss deutlich entgegengewirkt werden.

Dies muss in mehrfacher Hinsicht geschehen. Zum einen soll das Strafgesetzbuch geändert werden. Strafrecht schützt das Zusammenleben der Einzelnen in der Gesellschaft im Sinne des Grundgesetzes. Damit ist Strafrecht in Teilen immer auch ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Verhältnisse und ebenso wie diese Änderungen unterworfen.

Zum anderen müssen aber auch die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten konsequent genutzt werden. Die Landesregierung verfolgt beide Ansätze: Nicht zu unterschätzen ist dabei die besondere generalpräventive Wirkung einer Strafvorschrift. Bisher hat der Schutz jener Personen, die allein wegen ihrer Nationalität, ihrer Volkszugehörigkeit, ihrer Hautfarbe oder beispielsweise ihrer Religion oder ihrer Behinderung Opfer einer Straftat wurden, im Strafrecht nur unzureichenden Ausdruck gefunden. Mit der Ergänzung des Strafgesetzbuches setzen wir jetzt ein unmissverständliches Signal an den potentiellen Täter, dass sein Tun und seine Motive von der Rechtsgemeinschaft aufs Schärfste verurteilt werden. Aber auch den Opfern wird ein Zeichen gesetzt: Der Staat macht deutlich, dass er sie nicht alleine lässt.

Dieser Aspekt ist für das Opfer einer Straftat besonders wichtig und damit wird auch ein entscheidender Schritt in Richtung Opferschutz getan.

Mit ihrem Gesetzesantrag greifen die Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern Überlegungen auf, die bereits vor einigen Jahren Gegenstand einer Bundesrats-Gesetzesinitiative gewesen sind, seinerzeit jedoch von der Mehrheit der Bundesländer noch nicht mitgetragen wurden. Unter dem Eindruck der von mir bereits angesprochenen jüngsten Ereignisse ist jedoch ein Meinungswechsel festzustellen. Nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Politik haben die Vorschläge zur Strafverschärfung bei von Hass und Fremdenfeindlichkeit geprägten Straftaten hohe Aufmerksamkeit erfahren.

Lassen Sie mich drei Punkte hervorheben:

1. Ein wesentliches Element des Entwurfes ist, dass klargestellt wird, dass vorurteilsbedingte Beweggründe der Tat bei der Strafzumessung, dass heißt bei der Höhe der Strafe, berücksichtigt werden kann. Wurde die Tat begangen, weil das Opfer eine andere politische Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, ein anderes äußeres Erscheinungsbild, eine Behinderung oder sexuelle Orientierung als der Täter hat, soll dies strafschärfend berücksichtigt werden können.

Die Kritiker der Initiative berufen sich im Wesentlichen darauf, dass bereits nach der derzeitigen Gesetzeslage die Möglichkeit bestünde, die Motivation für eine Straftat bei der Strafzumessung (strafverschärfend) zu berücksichtigen. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf sei daher nicht erkennbar. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Gesetzes­änderung gerade beabsichtigt, den bestehenden Handlungsrahmen der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte auszufüllen, indem der Willen des Gesetzgebers zur wirkungsvollen Ahndung solcher Straftaten verdeutlicht wird.

Diese Strafschärfung soll auch im Jugendstrafverfahren angewendet werden. Denn die Mehrzahl der Täter in dem Bereich der so genannten Hasskriminalität ist jugendlich.

Und deshalb ist es wichtig, auch diesem Täterkreis mit empfindlichen Strafen zu verdeutlichen, dass ihr Tun nicht gebilligt wird.

2. Der Gesetzentwurf stellt klar, dass für Straftaten, die aus menschenverachtenden Motiven begangen werden, regelmäßig auch kurze Freiheitsstrafen unter 6 Monaten zu verhängen sind. Dies stellt eine Umkehr der bisherigen Regel dar, wonach kurze Freiheitsstrafen nur in Ausnahmefällen ausgesprochen werden sollen. Damit soll verdeutlicht werden, dass derartige Straftaten über die Verletzung des Rechtsgutes einzelner Personen hinausgeht.

Wenn ein Ausländer deshalb körperlich angegriffen und verletzt wird, weil er Ausländer ist, dann ist er gleichzeitig stellvertretend für alle Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland angegriffen worden. Das heißt, die Tat wendet sich nicht nur gegen eine einzelne Person, sondern gegen die grundgesetzlich geschützten Werte und die Rechtsordnung insgesamt. Aufgrund dieser besonderen Bedeutung ist die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen gerechtfertigt.

3. Darüber hinaus regelt der Gesetzentwurf, dass bei einer Freiheitsstrafe von über 6 Monaten die Vollstreckung nicht mehr in der Regel zur Bewährung ausgesetzt wird.

Damit soll den Tätern und potentiellen Nachahmern klargemacht werden, dass sie selbst bei einer ersten Tat nicht zwangsläufig mit einer Bewährungsverurteilung rechnen können, da dies oft in diesen Kreisen als Freispruch und nicht als Sanktion empfunden wird.

Ich bin davon überzeugt, dass mit dem Beitritt Mecklenburg-Vorpommerns zu der Gesetzesinitiative ein richtiges und deutliches Signal im Kampf gegen diese menschenverachtende Kriminalität gesetzt wird. Die besten Gesetze helfen allerdings nicht, wenn nicht gleichzeitig sichergestellt ist, dass die Täter auch konsequent verfolgt und bestraft werden.

Daher sind nicht nur Politiker, sondern auch die Strafverfolgungsbehörden als Wächter des Rechtsstaates und seiner Gesetze dazu aufgerufen, sich in diese Diskussion aktiv einzubringen, um den Rechtsstaat zu schützen. Ich unterstütze daher den Vorschlag aus den Reihen der Staatsanwaltschaft, den Kampf gegen Extremismus zu verstärken.

Zusammen mit meinem Haus wird derzeit daran gearbeitet, die Zusammenarbeit mit dem Innenressort weiter zu verbessern und enger zu verzahnen, die Justizmitarbeiter – insbesondere auch im Vollzug – stärker im Umgang mit Rechts- und Linksextremisten rhetorisch zu schulen, extremistisch motivierte Straftaten in Sonder­zuständigkeiten der Staatsanwaltschaft zu behandeln, und mit Opportunitätsentscheidungen höchst sensibel umzugehen.

Wenn wir auch schon einiges erreicht haben, dürfen wir uns nicht zufrieden zurücklehnen. Auch in Zukunft wird ein weiterer intensiver Dialog zu führen sein, um die gemeinsamen Strategien bei der Bekämpfung dieser menschenverachtenden Kriminalität weiter zu verbessern.

Lassen Sie mich aber auch zum Schluss noch einmal daran erinnern, dass alle Demokraten aufgerufen sind, die Menschenwürde, den öffentlichen Frieden und die freiheitlich demokratische Grundordnung zu schützen und sämtliche geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um der Ausbreitung einer Vorurteils- und Gewaltkriminalität wirksam entgegen zu treten. Der Beitritt Mecklenburg-Vorpommerns zu der Gesetzesinitiative von Brandenburg und Sachsen-Anhalt ist insoweit lediglich ein erster, aber richtiger und wichtiger Schritt.