Lesung in Wismar: Iris Berben wärmte in kalter Georgen-Kirche

Beindruckende Frauen vorgestellt …

LesungIris Berben in Wismar – während zeitgleich in Schwerin beim Filmkunstfest Bild-Regisseur Michael Ballhaus für sein Lebenswerk geehrt und die Sieger der Film-Wettbewerbe gekürt wurden.

LesungWeibliche Anmut, Glanz und Glamour also in der Hansestadt, in alt-ehrwürdiger Stätte, in der St.Georgen-Kirche.

Eine Diva in der kleinen Stadt, mit der „Regiermeisterin“ an der Spitze, der ambitionierten Hochschule im Hintergrund und den vielen Kirchen im Mittelpunkt.

Ein Abend also an dem eine Weltenbummlerin in einen Ort kommt, der noch ein Motto „neugierig-tolerant-weltoffen“ nötig hat und „Festivale der Demokratie“ braucht …

LesungNatürlich war die Lesung ausverkauft – und natürlich erschien auch keine Diva, sondern eine eben nicht aufgebrezelte, sondern eine natürliche bzw. attraktive Frau, die Charme und Sympathie versprühte, von der man den Eindruck hatte, die würde durchaus auch einen „Latte Macchiato“ mit einem mecklenburgischen Hinterwäldler trinken.

LesungEinziges Ärgernis vorweg, wenn man es denn als solches bezeichnen möchte, der Titel des Buches: „Frauen bewegen die Welt“. Hörte sich nach einseitiger Blickrichtung, nach emanzipatorischem Gehabe an. Allerdings nicht bei Iris Berben. Zunächst: Sie erklärte unumwunden, dass sie, zusammen mit der Journalistin Nicole Maibohm, nur Frauen porträtierte, weil die ihr biologisch näher stehen, sie sich aber zugleich freue, dass so viele Männer zu ihrer Lesung kamen. Na ja, spätestens seit „Sketchup“ waren ihre Poster auch im „Arbeiter-und Bauern-Staat“ heiß begehrt.

Aber – und das macht ja den Erfolg einer Iris Berben aus. Sie ist nicht nur „hübsch anzusehen“, nein, sie ist außerdem ungemein geistreich, couragiert und authentisch. Gerade bei ihrer Lesung in Wismar. Kein Gehabe. Keine Extra-Würste. Keine Extra-Bodenheizung in der ziemlich kalten Georgen-Kirche für Iris.

Iris Berben  fror sich – mit Feuer im Herzen – durch eine Veranstaltung, die dank ihrer Anwesenheit und den fesselnden Frauen-Porträts lebte, Frauen, denen die gebürtige Detmolderin eine lautstarke, unüberhörbare Stimme gab.

Sie stellte von den 24 Frauen-Porträts ihres Buches drei vor. Drei Frauen, die sich mit ihrem Schicksal nicht abfanden, die sich für andere einsetzten, ja aufopferten, und die nicht nach Blitzlicht-Gewitter lechzten.

LesungEine junge Frau aus Ruanda, die als Angehörige der Bevölkerungsminderheit, als Tutsie, den Völkermord in ihrer Heimat miterleben musste. Ihren Ehemann, weitere Angehörige verlor. Während eines Völkermordes, begangen von den Hutu an den Tutsi. Vor den Augen einer Weltöffentlichkeit, die sich von Ruanda abwandte. Einer Weltöffentlichkeit, die am Ende die Augen verschloss, vor dem Gemetzel in dem afrikanischen Staat. I

LesungIris Berben wusste zu berichten, dass man die junge Frau aus Ruanda zwar freundlich in Europa aufnahm, sie aufgrund ihrer Schicksalsschläge bedauerte, das Ganze jedoch als afrikanisches Problem abtat. Nachbarn brachten Nachbarn um. Freunde ihre Freunde. Lehrer ihre Schüler. Ärzte ihre Patienten. Frauen die beste Freundin. Das alles nur, weil politische Kriminelle mit ihrer Agenda ein ganzes Volk, in dem Fall die Tutsi, infizierten.
Verführbarkeit, Manipulation und Intoleranz – nur ein afrikanisches Thema ?! Natürlich nicht, das weiß man gerade in Deutschland nach zwei Diktaturen und zuvor einer größenwahnsinnigen Monarchie. Wie leicht Menschen – allerorten – zu verführen sind, wußte bereits Aristoteles: „Im allgemeinen tun die meisten Menschen Unrecht, sobald sie in der Lage sind, es zu tun.“

Menschen ohne Charakter, ohne Gewissen und ohne Mitgefühl gibt es leider überall auf der Welt.

LesungÜber ein hartes Schicksal einer jungen Sachsen-Anhaltinerin berichtete Iris Berben im zweiten vorgestellten Porträt. Ein harter Lebenskampf zwischen verkorkster Kindheit, großem Kampfgeist und Willensstärke trotz allem, mit einem Aufbruch zu neuen Ufern, erneut hartem Schicksalsschlag und doch nie endender Empathie für die Mitmenschen. „Unbreakable“ – so nennt man diese einzigartigen Menschen, die ihr Menschsein trotz härtester persönlicher Niederlagen nicht verlieren. Die ihr Herz für andere Menschen schlagen lassen, auch wenn andere kaltherzig die Lebenslage des Nächsten „übersehen“.
Eine junge Frau zudem, die vor allem jenen half, die stets als Zukunft des jeweiligen Landes gelten – den Kindern.

Iris Berben stellte eine Frau vor, die nicht nur anprangerte, dass zwei Millionen Kinder in Deutschland unterhalb der Armutsgrenze leben müssen, mithin jedes sechste Kind, sondern etwas gegen dieses schreiende Unrecht – trotz größter Widerstände – unternahm. Eine Frau sicherlich, die auch eine interessante Gesprächspartnerin für M-V`s aktuelle Sozialministerin Manuela Schwesig wäre, deren Hauptaugenmerk ja gerade der Zukunftsförderung der Kinder in diesem Bundesland gewidmet ist

LesungDas dritte Porträt, das Iris Berben in Wismar vorstellte, handelte von einer Ärztin, die sich für vergewaltigte, misshandelte Frauen in Bosnien, im Kosovo und in Afghanistan einsetzt – fast bis zur Selbstzerstörung. Eine Frau, die zu Recht den alternativen Friedensnobelpreis erhielt. Die mit ihrem Engagement andere wachrüttelte – wie die anderen Frauen natürlich auch – über den Tellerrand zu schauen, Mitgefühl für andere aufzubringen und niemals seine Menschlichkeit – trotz aller Widrigkeiten – zu verlieren.

Natürlich verging der Abend mit Iris Berben viel zu schnell. Natürlich war es in der Georgen-Kirche fast schon unerträglich kalt, und natürlich wärmte Iris Berben, aber nur im platonschen Sinne.
Am Ende musste sie unzählige Bücher signieren, ein Backstein zum Wiederaufbau der Georgen-Kirche sowieso und versprechen, dass Kollege Mario Adorf ebenfalls bald in Wismar liest.

Iris Berben ist eben doch mehr als die schnieke Norddeutsche mit den sinnlichen Grübchen …

M.Michels

F.: M.M. (6) – Impressionen zur Lesung von Iris Berben am 9.Mai 2009 in Wismar. / Veranstalter-Weiland Wismar (2)