„Langweilig wird es bei uns keinesfalls…“

Richard Ott, Sportwart der Kanufreunde „Rostocker Greif“, über die Entwicklung seines Vereines und neue Herausforderungen

MV – ein Kanu-Rennsportland mit Erfolgstradition: Der dreifache Kanu-Rennsport-Olympiasieger Andreas Dittmer (Mitte), zusammen mit Martin Hollstein und Thomas Lück. Archiv-Foto: M.M.

Der Kanusport hat in Mecklenburg-Vorpommern eine große Tradition. Insbesondere Neubrandenburg, aber auch Rostock bzw. Schwerin, sind wichtige Leistungszentren in dieser Sportart.

So sind gegenwärtig fast 3000 Kanutinnen bzw. Kanuten in 23 Vereinen in M-V aktiv, die sowohl breitensportliche wie leistungssportliche Ambitionen haben. Eine sehr gute Nachwuchsarbeit und ein reges Vereinsleben weist auch der Verein Kanufreunde Rostocker Greif e.V. auf.

Der Kanu-Standort Rostock weist u.a. mit Hans-Jürgen Tode, Olympia-Teilnehmer 1976, und den Olympiasiegerinnen Ramona Portwich und Anke Nothnagel einige namhafte Kanu-Athleten auf.

Wie verlief nun die Entwicklung  der Kanufreunde Rostocker Greif e.V. in den letzten Jahren?!

MM fragte bei Sportwart Richard Ott nach

Richard Ott über die Entwicklung seines Vereines, die Nachwuchs- und Trainingsarbeit bei den Kanufreunden „Rostocker Greif“, kommende Herausforderungen, den Stellenwert des Kanusportes in M-V und die Elite-WM 2019

„Langweilig wird es bei uns keinesfalls…“

Frage: Kanusport bei den „Rostocker Greifen“… Wie beurteilen Sie die Entwicklung Ihres Vereines in den letzten Jahren?

Richard Ott: Der Kanusport in unserem Verein hat in den letzten Jahren eine positive Entwicklung genommen. Gemeinsam mit dem Rostocker Kanu-Club und dem SV Breitling haben wir das „Team Rostock“ gegründet, um somit die Kräfte für die Jugendarbeit zu bündeln und unsere Ressourcen effektiv einzusetzen.

Hauptverantwortlich für die Entwicklung ist unsere hauptamtliche Trainerin Ramona Portwich. Dieses Miteinander ist ein großer Gewinn für den Rostocker Kanusport und wir sind bemüht dieses Modell auch in einigen Bereichen anzuwenden.

Frage: Der Erfolg eines Vereines steht und fällt mit einem ambitionierten Nachwuchs. Wie ist die Nachwuchs-Situation bei den Kanufreunden Rostocker Greif?

Richard Ott: Aktuell sind unsere Trainingsgruppen wieder gut besetzt, jedoch wird die Nachwuchs-Gewinnung für uns immer schwieriger. Ich denke, mit diesem Problem stehen wir in der deutschen Sportwelt nicht allein da, aber das breite Sportangebot der Sportstadt Rostock macht es uns nicht unbedingt leichter. Wir müssen also im Werben um Kinder und Jugendliche weiter ambitioniert bleiben und aus der Sportstadt Rostock eine Wassersportstadt machen.

Frage:  Ein ambitionierter Nachwuchs muss zudem kompetent und engagiert trainiert werden. Wie sieht es da bei Ihnen aus?

Richard Ott: Wir, das Team Rostock, haben derzeit eine hauptamtliche Trainerstelle, welche vom LSB finanziert wird, und einige junge, motivierte ehrenamtliche Trainer und Übungsleiter, die das Training der verschiedenen Gruppen abdecken. Grob gegliedert ist das Training in leistungs- und breitensportorientierte Gruppen und nach Alter. Danach ist dann auch die Intensität und Anzahl des Trainings gestaffelt. Trainingslager finden dann entweder in Kooperation mit befreundeten Kanuvereinen oder durch den Landeskanuverband organisiert statt.

Frage: Wie bewerten Sie ansonsten die sportliche und personelle Infrastruktur Ihres Vereines? Was läuft gut? Wo sind noch „Baustellen“?

Richard Ott: Unsere personelle Situation ist im sportlichen Bereich leider etwas ungewiss, weil die hauptamtliche Trainerstelle Ende 2019 nach Neubrandenburg gezogen wird und uns bis dato nicht bekannt ist, ob diese bei uns nachbesetzt wird. Das ist aktuell unsere größte personelle Baustelle. Unser Hauptaugenmerk liegt also derzeit auf der Organisation des Kinder- und Jugendtrainings.

Frage: Wie ist Ihre Meinung zum Stellenwert des Kanusportes in der Sportlandschaft von M-V?

Richard Ott: Der Kanusport hat in MV eine langjährige, erfolgreiche Tradition und war/ist oft auch Medaillenlieferant bei internationalen Meisterschaften bis hin zu olympischen Spielen. Aufgrund dieser guten Basis ist für mich der Stellenwert unseres Sports sehr groß, auch wenn zuletzt die  großen Erfolge nicht immer die Regel waren. Die Erhaltung der einzelnen Stützpunkteinstufungen und hauptamtlichen Trainerstellen wird zukünftig die existenzielle Aufgabe für den Kanusport Mecklenburg-Vorpommerns werden, um an den alten Erfolgen wieder anzuknüpfen.

Frage: Ende August gab es die Elite-WM im Kanu-Rennsport in Szeged. Wie beurteilen Sie das derzeitige Kräfteverhältnis im internationalen Kanu-Rennsport?

Richard Ott: Die Erfolge der diesjährigen WM haben sich auf viele Länder verteilt, wobei die deutschen Athleten noch immer sehr gut an der internationalen Spitze mit paddeln bzw. diese zum Teil sogar dominieren. Davor habe ich großen Respekt, weil die Bedingungen der Sportförderung in Deutschland bei weitem nicht optimal sind.

Letzte Frage: Was sind die nächsten Herausforderungen für Ihren Verein?

Richard Ott: Aktuell beschäftigen uns hauptsächlich zwei Baustellen. Zum Einen die erwähnte Entwicklung um unsere hauptamtliche Trainerin Ramona Portwich. Zum Anderen hat im August die langersehnte Sanierung unseren Vereinsgebäudes begonnen, für die wir viele Jahre gekämpft haben. Langweilig wird es bei uns also keinesfalls.

Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg!


 

Exkurs: Die Erfolge der Rostocker Kanu-Rennsportlerin Ramona Portwich

Dreimal Gold und zweimal Silber bei Olympischen Spielen gewonnen zu haben, ist schon etwas Grosses und Grossartiges. Diese Erfolgsbilanz  weist zudem eine Hanseatin auf – Ramona Portwich.

Der Kanu-Rennsport in Mecklenburg-Vorpommern ist wahrlich eng mit dem Namen Ramona Portwich verknüpft. Mitte der 1980er bis Mitte der 1990er prägte die Hanseatin den internationalen Kanu-Rennsport bei den Frauen massgeblich mit.

Olympische und weltmeisterliche Erfolgsmomente „nonstop“

Bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul, 1992 in Barcelona und 1996 in Atlanta erkämpfte sie ihre erwähnten olympischen Medaillen. Und die Bilanz bei WM – zwischen 1987 und 1995 – ist noch atemberaubender 13 x Gold, 2 x Silber, 1 x Bronze. Ihr erstes WM-Gold errang Ramona Portwich im Kajak-Vierer über 500 Meter bei den WM 1987 in Duisburg. Acht Jahre danach holte sie ihre letzten WM-Goldmedaillen, 1995 wieder in Duisburg im Kajak-Zweier über 500 Meter und im Kajak-Vierer über 500 Meter.

Von Seoul 1988…

Bei der olympischen Regatta im Kanu-Rennsport der Damen 1988 in Seoul war die DDR mit zweimal Gold, einmal Silber vor Bulgarien mit jeweils einmal Gold, Silber, Bronze, Ungarn mit einmal Silber sowie Polen und den Niederlanden die erfolgreichste Nation.

Nachdem es am 30.September 1988 Gold im Kajak-Zweier über 500 Meter der Frauen für Birgit Schmidt und Anke Nothnagel (verheiratete von Seck) vor Bulgarien bzw. den Niederlanden gab, folgte am 1.Oktober 1988 Gold erneut für Birgit Schmidt bzw. Anke Nothnagel sowie für Heike Singer und auch Ramona Portwich vor Ungarn, Bulgarien, der Sowjetunion und Westdeutschland im Kajak-Vierer über 500 Meter.

…über Barcelona 1992…

Und vier Jahre später, bei der olympischen Kanu-Regatta der Frauen in Barcelona 1992, die DDR und Westdeutschland waren vereint, setzte sich die deutsche Kanu-Erfolgsgeschichte fort. Im Kanu-Rennsport der Frauen erkämpfte die deutsche Mannschaft mit zweimal Gold, einmal Silber die wertvollsten Medaillen vor Ungarn mit jeweils einmal Gold, Silber, Bronze, Schweden mit einmal Silber, einmal Bronze und Polen mit einmal Bronze.

Mächtig spannend, sehr emotionsreich und denkbar knapp wurde es dabei am 7.August 1992, als die Entscheidung im Kajak-Zweier über 500 anstand. In einem spektakulären Finish hielt das Rostocker Duo Ramona Portwich/Anke von Seck in 1:40,29 die Schwedinnen Agneta Andersson/Susanne Gunnarsson (1:40,41) und die Ungarinnen Rita Koban/Eva Donusz (1:40,81) in Schach. Am 9.August 1992 durfte sich Ramona Portwich, zusammen mit der gebürtigen Warenerin Katrin Borchert, die für den SC Neubrandenburg und dann später für Australien startete, Anke von Seck und Birgit Schmidt über Silber im Kajak-Vierer über 500 Meter hinter Ungarn freuen.

…bis Atlanta 1996

Wieder vergingen vier Jahre und erneut war Ramona Portwich bei den Olympischen Spielen dabei. In Atlanta 1996, bei der olympischen Kanu-Regatta der Frauen, waren die deutschen Kanu-Rennsportlerinnen wieder am besten – dieses Mal mit einmal Gold, einmal Silber vor Schweden mit einmal Gold, einmal Bronze, Ungarn mit einmal Gold, Kanada bzw. der Schweiz mit jeweils einmal Silber, Italien und Australien mit jeweils einmal Bronze.

Am 3.August 1996 triumphierte zum dritten Mal bei Olympischen Spielen Ramona Portwich. Im Kajak-Vierer über 500 Meter distanzierte sie zusammen mit Birgit Fischer, Anett Schuck und Manuela Mucke die Mit-Bewerberinnen aus der Schweiz, Schweden, China und Kanada. 24 Stunden danach, am 4.August 1996, kam Ramona Portwich zusammen mit Birgit Fischer zu ihrer letzten olympischen Medaille: Silber im Kajak-Zweier über 500 Meter hinter den Schwedinnen Agneta Andersson/Susanne Gunnarsson. Dritte wurden Anna Wood und Katrin Borchert für Australien.

Barcelona am schönsten

Drei Olympische Spiele nicht nur erlebt zu haben, sondern olympische Geschichte aktiv mitgeschrieben zu haben, ist, wie angesprochen, etwas ganz Besonderes. Auf die Frage von „Rostock-Sport“ in einem früheren Interview, welche von ihren drei aktiven Olympischen Spielen die schönsten waren, antwortete Ramona Portwich: „Alle drei Olympischen Spiele waren auf ihre Weise wunderbar. Die schönsten waren allerdings die Spiele 1992 in Barcelona. Die Goldmedaille, die ich damals im Zweier-Kajak über die 500 Meter zusammen mit Anke von Seck gewann, war hart erkämpft. Letztendlich siegten wir mit zwölf Hundertstel Vorsprung vor den Schwedinnen Agneta Andersson/Susanne Gunnarsson. Ein schwer errungener, aber gerade deshalb um so schönerer Erfolg!“.

Übrigens: Anke von Seck, die Wahl-Rostockerin, erkämpfte 1988/92 dreimal Gold bzw. einmal Silber bei Olympia.

Marko Michels